skazpfung m. a-St., nur in Gl. 1,284,10
(2 Hss., Ende 8./Anfang 9. Jh., alem.[-frk.], 9.
Jh., alem.[-frk.]): ‚Geldbeutel; marsuppium‘
〈Var.: -f-〉. Das Wort ist ein Komp. aus skaz- (s.
skaz) und dem bisher nicht (sicher) als Simplex
bezeugten -pfung (s. u.).
StSGl. 4, 755 sehen in dem in Gl. 1,725,1 überlieferten
(3. Drittel des 9. Jh.s, zum Dial. s. u.), ebd. Anm. 2 noch
als unverstanden angegebenen Wort rung eine Fehl-
schreibung für pung; es glossiert Pugillaris. tabula quę
in pugillo. Leydecker 1911: 84 (wie auch Ahd. Wb. 7,
343 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 708) übernimmt die Emenda-
tion in pung und nimmt ein ae. Wort an. Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 22 ordnet den Beleg rung als ein
as. Wort rung ein und legt dem Wort die unwahrschein-
liche Bed. ‚Kampfriemen‘ bei. Die Hs. bietet aber nicht
die Lesung 〈rúng〉, sondern vielmehr 〈runḡ〉 (vgl. auch
Tiefenbach, As. Handwb. 307). Tiefenbach, a. a. O. geht
ebenfalls von einem as. Wort aus, emendiert aber runḡ zu
dat.sg. pungen und setzt als Lemma pungo m. n-St.
‚Faust‘ an. Die Hs. wird heute jedoch hauptsächlich als
mfrk. angesehen. Falls das auch für die Wortform runḡ
zutrifft und die Emendation (Verlesung eines offenen p
als r) berechtigt ist, runḡ somit für dat.sg. pungen steht,
dann liegt hier wohl das Simplex ahd. pfungo m. n-St. vor
(nicht ahd. pfung m. a-St.; so Splett, a. a. O. mit Fragezei-
chen). Die Glossierung von lat. pugillus m. ‚Handvoll‘ ist
möglicherweise von der Vorstellung ausgegangen, dass
eine Handvoll die Menge ist, die in einen Beutel passt (so
Ahd. Wb., a. a. O.). Ahd. pfungo m. n-St. ist eine Ablei-
tung von ahd. *pfung (bisher nur in skazpfung); das Suff.
urgerm. *-n- zeigt dabei die Ähnlichkeit mit dem Grund-
wort an (vgl. dazu Krahe-Meid 1969: 3, § 91, 6 [S. 96];
Typ ahd. bart : barta [s. dd.]); eine Handvoll wäre dem-
nach ähnlich dem, was in einen Beutel passt. Wenn das
Wort dagegen ae. sein sollte, käme hier ein Ansatz punge
m. n-St. in Frage. Weniger wahrscheinlich ist dagegen
die Einordnung des Wortes als as. pungo m. n-St.
Nhd. dial. rhein. püng m. ‚Haufen, dicke
Schnitte Brot‘.
Splett, Ahd. Wb. 1, 708. 834; eKöbler, Ahd. Wb. s. v.
skazpfung; Schützeichel⁷ 286; Starck-Wells 534; Schütz-
eichel, Glossenwortschatz 8, 294; Bergmann-Stricker,
Katalog Nr. 296 (II). 725 (I). 741; Seebold, ChWdW9
648. 740; Graff 3, 341. – Müller, Rhein. Wb. 6, 1200 f. –
Müller-Frings 1966–68: 2, 403 Fn. 1.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. punge m. ‚(Geld-)Beutel, kleiner Sack‘;
mndl. pong (pung) (ohne Genusangabe) ‚Sack,
Beutel‘, nndl. dial. pong (f.) ‚dss.‘; afries. pong
m. ‚Beutel‘ (auch pung- in pungmakere m.
‚Beutelmacher, Beutler‘), nwestfries. pong
m./f. ‚Sack, Beutel, Hodensack des jungen
Viehs‘, saterfries. nur in der Weiterbildung
pongel- (in [veraltet] pongelbüdel m. ‚große
Frauentasche unter dem Rock, in der alles auf-
bewahrt wird‘), nnordfries. pong ‚Beutel‘; ae.
pung m. ‚Börse, Beutel‘ (s. auch o.), me.
pung(e) ‚Geldbeutel‘; aisl. pungr m. ‚Geldbeu-
tel‘, nisl. pungur m. ‚(Hoden-)Sack, Beutel‘,
fär. pungur m. ‚(Geld-)Beutel‘, adän. pung
‚dss.‘, ndän. pung ‚(Geld-)Beutel, Hodensack‘,
nnorw. pung ‚dss.‘, norn pung, pong ‚Hoden-
sack‘, aschwed. punger m. ‚Beutel‘, nschwed.
pung ‚Beutel, Hodensack‘; got. puggs* m. a-St.
‚Geldbeutel‘ (nur akk.sg. pugg Lk. 10, 9): < ur-
germ. *punǥa-.
Aus dem Nordgerm. sind estn. pung, liv. punga
sowie lapp.-norw. buŋg ‚(Geld-)Beutel‘, lapp.-
schwed. bung, bong ‚Beutel‘ entlehnt.
Zu teils angenommenem as. pungo s. o.
Fick 3 (Germ.)⁴ 219; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 400;
Tiefenbach, As. Handwb. 307; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 2, 1754 (punge¹); Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 3, 387; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 553; WNT
s. v. pong²; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 391; eFryske
wb. s. v. pong; Dijkstra, Friesch Wb. 2, 377; Fort, Sater-
fries. Wb.² 474; Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries.
152; Holthausen, Ae. et. Wb. 250; Bosworth-Toller, AS
Dict. 779; Suppl. 682; eMED s. v. pung(e) n.; eOED s. v.
†pung n.¹; Vries, Anord. et. Wb.² 429; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 590. 1128; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog
2, 962; ONP s. v. pungr; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 221; Magnússon, Ísl. Orðsb. 729; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 2, 857. 1529; Nielsen, Dansk et. ordb.
333 f.; Ordb. o. d. danske sprog 17, 117 ff.; Bjorvand,
Våre arveord² 854; Torp, Nynorsk et. ordb. 503; NOB
s. v. pung; Jakobsen, Et. dict. of the Norn lang. 2, 669;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 796 f.; Svenska akad. ordb.
s. v. pung; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 385; Lehmann, Go-
thic Et. Dict. P-20. – Qvigstad 1893: 119; Thomsen
1919–31: 2, 207; Casaretto 2004: 69.
Urgerm. *punǥan- wurde früher regelmäßig ent-
weder als Lehnwort aus mlat. punga f. ‚(Geld-)
Beutel‘ aufgefasst oder beide als Entlehnungen
aus einer dritten Sprache angesehen. Jedoch kann
mlat. punga nicht die Basis der germ. Wörter
gewesen sein, da dann weder die Wortbildung
der lat. Form noch der Genuswechsel im Germ.
erklärbar ist. Die Annahme einer unbelegten
Form mlat. *pungus m. beseitigt ebensowenig
das Problem einer innerlat. Wortbildung.
Auch eine Entlehnung aus urslaw. *pgy
‚Knopf‘ (so C. C. Uhlenbeck, PBB 20 [1895],
44; zur Wortgruppe vgl. Derksen, Et. dict. of
Slav. 416) ist aus semantischen Gründen un-
wahrscheinlich (kritisch dazu etwa Vasmer,
Russ. et. Wb. 2, 460).
Da urgerm. *punǥa- somit vermutlich kein
Lehnwort, sondern ein Erbwort ist, kann es eine
nasalierte Form zur Gruppe um aisl. poki m.
‚Beutel‘ (s. dazu Vries, Anord. et. Wb.² 429)
sein, somit als Erweiterung zur Wz. uridg.
*beu̯- ‚schwellen, (auf-)blasen‘ gehören (vgl.
zur Semantik und Wz. auch uridg. *beu̯s- ‚dss.‘
[wohl < *beu̯-s-]; s. pfoso). Wie die Form ur-
germ. *punǥ- neben *puk- genau zustande ge-
kommen ist (Velarvar. mit Nasalierung, laut-
symbolische Nachahmung des Aufblasens der
Backen?), bleibt jedoch unsicher.
Aus dem Germ. gelangte das Wort zunächst ins
Gr. als mgr. πουγγίον n., πούγγη f. ‚Tasche,
(Geld-)Börse‘, ngr. πουγγί ‚dss.‘, von dort ins
Mlat.; mlat. punga f. ist im Rom. als arum.,
rum. pungă ‚(Geld-)Beutel, Börse, Hoden-
sack‘, italien. dial. ponga f. ‚Geldbörse, Kropf,
Köder‘, abruzz. ponghë f.pl. ‚Falten in der
Kleidung‘, sard. punga f. ‚Amulett‘ fortgesetzt
(zur Überlieferung im Gr., Lat. und Rom. vgl.
Kramer 2011: 269–273). Das fem. Genus ist
wohl durch Anschluss an gr. γρυμαία f. ‚klei-
ner Beutel, Geldbörse‘, lat. crumēna ‚dss.‘
aufgekommen.
Pokorny 100; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 1137; Du
Cange² 6, 572; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 6849. –
Lühr 1988: 134; Kramer 2011: 269–277.
S. skaz.
RS