êrackar
Band II, Spalte 1112
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êrackar adj., nur Otfrid und Gl. 4, 196, 21
(Trier Hs 61 [früher R. III. 13] eruuakerer
mfränk. 11./12. Jh.): früh wach, antelucanus
Var.: -c-, -ch-; êrackari adj. ja-St., Gl.
1, 557, 37 f. 575, 28 f. bair. 10.-12. Jh.: dss.
Var.: -ch-; -iri.

Ahd. Wb. III, 352. 433; Splett, Ahd. Wb. I, 185. 1052;
Schützeichel⁴ 103; Starck-Wells 133. 805. 843; Graff
I, 436; Kluge²¹ 173 f.

Ahd. êrackar entspricht aisl. ārvakr, ndän. aar-
vaagen; vgl. ae. ǣrwacol. Das Wort ist zusam-
mengesetzt aus êr- bzw. aisl. ār-, ae. ǣr- früh
und wackar, aisl. vakr, ae. wacol wachsam,
munter
( wackar). Eine sekundäre Weiterbil-
dung zum ja-St. begegnet in êrackari; vgl. got.
fairneis, ahd. firni alt neben got. fairns, ae.
fern vorig (s. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss.
III § 74, 4). Zum w-Schwund im Anlaut des
zweiten Teils von Komposita s. Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 109 Anm. 4; wie in der Vorform des PN
ahd. Otachres, Otachre (Hildebr.) trat in dem
zugrundeliegenden Hinterglied *wakra- Ver-
dumpfung des /a/ vor dem w-Schwund ein;
vgl. Schreibungen wie odochar, odocher für den
PN (Lühr, Stud. z. Hildebrandlied 479).

Dem ersten Bestandteil entsprechen: ae. ǣr
früh (vgl. ǣr on morgon früh am Morgen);
nfries. ear früh (auch adj.); aisl. ár (adj. árr
frühzeitig), nisl. ár, nnorw. aar früh (aus dem
Skand. lapp. ar(r)ad, arrat früh; möglicherwei-
se me. ār(e), ōr(e); doch s. u.); vgl. aisl. árla,
aschwed., mschwed. ārla, mdän. årle; got. air
früh, πρωί (air þis dagis afarsabbate πρωὶ τῆς
μιᾶς σαββάτων
). Die Vorform bildet den Positiv
zu êr früher (s. d.) und beruht auf einem Loka-
tiv *aeri mit Lautentwicklung zu *ajiri > *airi
(die Brechung von *ai zu ā vor r ist im Nord-
germ. nach dem ersten i-Umlaut eingetreten).

Zum Schwund von urgerm. *j vor i s. Trautmann,
Germ. Lautgesetze 61; Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss.
I § 71; Lühr, a. a. O. 465 und Anm. 3). Fick III
(Germ.)⁴ 3; Berr, Et. Gl. to Hel. 99; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 149; Vries, Ndls. et. wb. 150; Dijkstra,
Friesch Wb. I, 311; Holthausen, Ae. et. Wb. 12; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 17. 48; Suppl. 17 f.; Vries, A-
nord. et. Wb.² 12. 14; Thomsen, Einfluß d. germ. Spr.
131; Quigstad, Nord. Lehnw. im Lapp. 92; Björkman,
Scand. Loanwords 108. 200; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
1; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 6; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 8; Torp, Nynorsk et. ordb. 13;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 31; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 24 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. A-83.

Wenn der Schwund eines *j vor *i früher als die Apo-
kope eines in dritter Silbe (nach zwei kurzen Silben)
stehenden auslautenden *-i stattfand, wofür mögli-
cherweise die aus einem Dat.(Gen.) *miluki(z) stam-
mende Lautung angl. milc gegenüber ws., kent. mio-
luc, meoluc Milch mit Velar-Umlaut spricht, so han-
delt es sich bei dem vereinzelten spätnordh. ār(-)
früh um eine Rückbildung vom Komparativ ǣr <
*airiz und nicht um das Ergebnis einer Lautentwick-
lung *ajiri > *ajir > *air. Me. ar(e), or(e) könnten
auf spätnordh. ār(-) weisen, sofern diese Lautungen
nicht anord. ár wiedergeben (OED² V, 364: Schwach-
tonentwicklung aus ǣr als weitere Möglichkeit). Ein
(endungsloser) Lokativ vorurgerm. *aer dürfte als
Vorform ausgeschlossen sein, da wohl vor *-r die
Lautqualität des *-e- in nebentoniger Silbe erhalten
blieb (Lühr, a. a. O. 465).

Noreens (Urg. Lautlehre 89) Verbindung von ahd. êr-
mit ahd. jâr Jahr (s. d.) scheitert daran, daß im Ur-
germ. anlautendes *j vor Vokal nicht schwindet.

Die Lokativform *aeri ist außerhalb des Germ.
in gr. ἄριστον Frühstück < *aeri-d-to-
[**(H1/3)aeri-Hd-to-] fortgesetzt; unkontra-
hiertes ἀέριστον ist noch herstellbar (Homer,
Ilias V 124, Odyssee π 2). Eine Variante *āeri
wurde in gr. ἦρι früh (ἠέριος morgendlich)
gesehen (doch s. u.), Formen, die zu altav. aiia-
rǝ̄, jungav. aiiarǝ n., jungav. aiian-, gen. aiin
Tag gehören und auf ein r/n-Heteroklitikum
uridg. *ā-er/ en- [**(H1/3)ā-er/ en-] weisen.

Peters, Idg. Laryngale im Gr. 32 f. wendet sich gegen
die traditionelle Herleitung von gr. ἦρι aus *āeri, da
für das Nebeneinander zweier ablautender Lokativ-
formen *āeri und *aeri das Material keine Rechtfer-
tigung gewähre (P. Kiparsky, Lang. 43 [1967], 625;
E. Risch, in Palmer-Festschrift 310 = Kleine Schriften.
Zum 70. Geburtstag, hrsg. von A. Etter [Berlin, 1981],
518). Statt dessen führt er gr. ἦρι auf einen zu
aind. us- (zu aind. uás- f. Morgenröte, Morgen;
Abendröte
usw.; ôstar, ôstara) gehörigen Lokativ
*aseri zurück (Ch. Bartholomae, BB [1898], 15; Ki-
parsky, a. a. O.), dem dann *αὐρι in αὔριον morgen
als demselben Paradigma entstammender Lokativ
*asri zugesellt werden kann; zur Lautentwicklung
vgl. gr. ion. ἠώς Morgenröte < *āϝōs < *aὐhώς [<
**Huss] (vgl. schon Curtius [Stud. zur griech. und
lat. Gr., II (Leipzig, 1869), 175 ff.; Grundzüge der gr.
Et.⁵ 400 f.] Verbindung von gr. ἦρι mit gr. αὔριον
morgen usw. (dagegen A. Fick, Zfvgl.Spr. 22 (1874),
95 f.).

Wahrscheinlich wurde der Stamm *aer- ursprl.
nur von der Tageszeit gebraucht; zum u-Stamm
*ou- [**(H1/3)ou-], *au- [**(H1/3)au-] s.
io. Die zugrundeliegende Wz. uridg. *a-
[**(H1/3)a-] brennen begegnet wohl in heth.
3. sg. āri, 3. pl. ānta (mit Hyperpleneschreibung
a-a-an-t-) < Stativ *á-ē-o-re [**(H1/3-
eH₁-o-re] (Oettinger, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 34
[1976], 136; H. Eichner, in Kronasser-Gedenk-
schrift 28) und arm. ayg Tagesanbruch < *a-
o-. Sonst findet sich eine Wurzelerweiterung
mit *-dh-: aind. indhé entzündet, entflammt;
gr. αἴθω, αἴθομαι anzünden, brennen, αἶθος m.
Brand (= aind. édha- m. Brennholz), ahd. eit
Scheiterhaufen usw. (s. d.).

Setzt man wie H. Osthoff, PBB 13 (1888), 404. 406 f.
gr. ἄριστον Frühstück unmittelbar als frühestes, er-
stes
dem urgerm. *airista- > ahd. êrist (s. d.) gleich,
muß man annehmen, daß ein Wort für Essen in El-
lipse stand.

Walde-Pokorny I, 3; Pokorny 12; Bartholomae, Ai-
ran. Wb. 157; Boisacq, Dict. et. gr.⁴ 23. 78. 315. 329;
Frisk, Gr. et. Wb. I, 37. 140. 643; Chantraine, Dict. ét.
gr. 109. 406 f.; Puhvel, Hittite Etym. Dict. I, 12; Tisch-
ler, Heth. et. Gl. I, 3 f.; J. A. C. Greppin, Bazmavep
141 (1983), 282; H. L. Ahrens, Zfvgl.Spr. 3 (1854),
171; A. Fick, Die ehemalige Spracheinheit der Indoger-
manen Europas (Göttingen, 1873) 303 f.; K. Brug-
mann, IF 10 (1899), 88. Mayrhofer, Et. Wb. d. Alt-
indoar. I, 104. 267 setzt für aind. indhé usw. dagegen
eine Wz. **Hedh- an, da er die Zerlegung in *ai-dh-
problematisch findet. Ist aber heth. āri mit ā- < *aa-
zugehörig, so kann wegen des Fehlens von anlauten-
dem im Heth. keine Wz. mit anlautendem uridg.
[**H₂] vorliegen; zur Vertretung von [**H₁/ H₃]
im Heth. s. H. Eichner, a. a. O. 137; unter einem
fourth laryngeal vereint dagegen E. P. Hamp (Glotta
67 [1989], 41; ders., in The New Sound of Indo-Euro-
pean: Essays in Phonological Reconstruction, ed. by Th.
Vennemann [Berlin, 1989] 209) gr. ἄριστον und alb. herë
Mal, bestimmte Zeit, heret, herët früh; vgl. auch R. S.
P. Beekes, in Laryngaltheorie 101).

Von der Wz. *a- [**(H1/3)a-] brennen ist wahr-
scheinlich der Stamm *ou- [**Hou-] Leben zu
trennen; êwa², io.

Fraglich ist die Zugehörigkeit von lit. áikus (< *āi-s-)
neben schwundstufigem alit. ikus deutlich; denn
diese Wörter könnten auch zu aksl. jasnъ klar, deut-
lich
< *ěsnъ < *askna- (Berneker, Slav. et. Wb. I,
276; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Tex-
ten 213) gestellt werden (Fraenkel, Lit. et. Wb. 3).

Air. an-air von vorn (gall. are- z. B. in dem Volksna-
men Are-morici), mir. -air vor, auf < *pi-
[**pHi-] (zu gr. πάρα, παρά daneben, von-her;
lat. prae, got. faúr entlang; heth. parā vorwärts, her-
vor, hinaus
usw.; fora) bleiben fern (Wh. Stokes,
Zfvgl.Spr. 38 [1905], 459; Walde-Pokorny II, 33;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. A-37 f. 70; J. Fraser,
Zfcelt. Ph. 8 [1912], 5).

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