îbisca, îwisca
Band V, Spalte 4
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îbisca, îwisca f. ō(n)-St., in Gl. ab
dem 2. Viertel des 9. Jh.s (Gl. 4,329,45,
Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 254, mfrk.),
häufig im SH: Eibisch; althaea, bismal-
va, hibiscus
(Althea officinalis L.) Var.: y-;
-ischa, -ische, -isch, -ich; -esce; -esche,
-che. Das Wort ist aus lat. ībīscum n., -us
m. entlehnt. Das fem. Genus könnte von ahd.
malva (s. d.; < lat. malva) beeinflusst sein.
Mhd. îbesch(e), ybesch f. Eibisch, Pappel-
kraut
, nhd. Eibisch eine Malvenart (aus
dem Nhd. entlehnt sind tschech., slowak.
ajbi m., poln. dial. [h]ajbisz, slowen. ájbi
m. Eibisch).

Ahd. Wb. 4, 1441; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 576;
Schützeichel⁷ 162 f.; Starck-Wells 297. XLIII; Schütz-
eichel, Glossenwortschatz 4, 481 ff.; Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 964; Seebold, ChWdW9 439; Graff
1, 101; Lexer 1, 1411; Diefenbach Gl. lat.-germ. 21
(alcea). 75 (bismalua). 283 (ibiscus); Dt. Wb. 3, 78;
Dt. Wb.² 7, 315 f.; Kluge²¹ 154; Kluge²⁵ s. v. Eibisch.
Marzell [194358] 2000: 1, 229 ff.; 2, 850 ff.; Rei-
che 1976: 198. 407. 409. 415. Menzel, Wb. dt. Lw.
Tesch. Dial. Poln. s. v. ajbisz.

Die anderen germ. Sprachen zeigen folgende
Formen: as. īviska f. ō-St., mndd. īvesche
Eibisch, Efeu; ne. hibiscus; dän. ibisk, hi-
bisk, ält. schwed. eibisk, ibisk, nschwed. ibis.
Das Wort ist entlehnt aus lat. (h)ībīscum n.,
-us m., (h)ibisc°, ebisc°, wobei das N. die äl-
tere Form ist. Das Wort wurde aus dem Lat.
auch ins Ae. entlehnt, wo es aber nur in
volksetym. umgestalteter Form mit Apokope
des Vokals der ersten Silbe ca. 90mal als ae.
bisceop-wyrt und einmal als ae. bisceop-
wyrtel Bischofswurzel belegt ist. In jünge-
rer Zeit wurde es in anderer Bed., eben als
Hibiskus, in zahlreiche Sprachen wieder
neu entlehnt; vgl. etwa ne. hibiscus, dän.
hibisk, slowen. hibȋskus etc. Die Formen oh-
ne anl. h- machen Entlehnung aus dem ge-
sprochenen Vulgärlat./Frührom. wahrschein-
lich, wo dieser Laut bereits geschwunden
war (vgl. Stotz 19962004: 4, 156 f.). For-
men mit h- sind schriftsprachliche Entleh-
nungen der klass.-lat. Form.

Tiefenbach, As. Handwb. 202; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 472; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 394 f.; OED² s. v. hibiscus n.; Ordb. o. d. dan-
ske sprog 9, 43 f.; Svenska akad. ordb. s. v. ibis
subst.². Feulner 2000: 105.

Zugrunde liegt wohl ein kelt. Wort, das nach
Vergil (Ecl. 2, 30; 10, 71) aus der Poebene
stammt. Das lat. Wort zeigt in erster Silbe
sowohl Fälle von -ī- als auch solche mit -i-
(die Formen mit -e- sind eindeutig sekun-
där). Eine innerlat. Erklärung für diese Va-
rianz ist schwierig, allenfalls könnte Kür-
zung vortoniger Länge vorliegen. Die weite-
re Herkunft ist bislang nicht geklärt. Indes
ist das kelt. Wort in eine Wz. *(h)ib-/*(h)īb-
bzw. *(h)ēb- und ein Suff. *-sko- segmen-
tierbar. Ausgehend von der Bezeugung im
Kelt. Norditaliens, das zu den p-kelt. Spra-
chen gehört haben dürfte, kann der Wz.ausl.
uridg. *-b, *-bh, *-g, *-gh gewesen sein und
der Anlaut der Wz., da das anl. lat. h- nicht
urspr. sein muss, auf uridg. *p-, *H- oder
u. U. auch *s- (bei Annahme eines schon
früh erfolgten, sonst in Norditalien erst in
nachchristlicher Zeit nachweisbaren Laut-
wandels *s- > *h- > Ø-) zurückgehen. Als
Vokal in der Wz. kommen kelt. *ī < uridg.
*ē, *eh₁, *iH oder kelt. *i < uridg. *i oder
auch kelt. *ē < *e in Frage. Eine weitere
Präzisierung ist vorerst nur bedingt möglich.
Von den bekannten uridg. Wz. könnte am
ehesten uridg. *seb- fließen lassen (LIV²
521) vorliegen: Entweder in der Schwund-
stufe *sib- mit Suff. *-isko- (s. -isc) > urkelt.
*hibisko- > lat. hibiscus; oder in der Vollstu-
fe vorurkelt. *seb-isko- > urkelt. *hēbisko-,
das dann aber so früh ins Lat. übernommen
worden sein müsste (nämlich vor ca. 150
v. Chr.; zur Datierung vgl. Meiser 1998:
§ 47, 2 [S. 58]), dass dort der Lautwandel *ẹ̄
> ī noch eintreten konnte. Aufgrund der
Notwendigkeit einer derart frühen Datierung
der Übernahme entstehen aber chronologi-
sche Probleme mit dem Lautwandel uridg.
*s- > kelt. *h-, der erst mehr als ein Jh. spä-
ter erfolgte. Der Ansatz einer vollstufigen
Form ist somit kaum möglich. Folglich blei-
ben auch die lat. Formen mit -ī- weiter unge-
klärt.

Benennungsmotiv könnte bei einer Wz. ur-
idg. *seb- fließen lassen die dem Hibis-
kus wie anderen Malvengewächsen eigene
schleimlösende Wirkung bei Erkältungs-
krankheiten sowie seine leicht entwässern-
de und abführende Wirkung sein. Der Hibis-
kus wäre also die Pflanze, die Körperflüs-
sigkeiten fließen lässt.

Das Wort ist aus dem Lat. auch ins Gr. gelangt; vgl.
gr. ἴβισκος, auch ἰβίσκος, ἐβίσκος. Es lebt in den rom.
Sprachen in der Fortsetzung der Zusammenziehung
des Syntagmas malva hibīscus Eibisch weiter; vgl.
italien. malvavischio, piacentin., mantuan. bonavis,
langob. parmarisku, prammarisku, span. malvavisco,
port. malvaisco. Daneben gab es auch die umgekehr-
te Verbindung hibīscus malva, die zu mlat. vismalva,
afrz. widmalve, vimauve (12. Jh.), mfrz. bismalve,
mfrz., nfrz. bimauve führte; daneben stehen zahlreiche
nfrz.-dial. Formen mit anl. /gi-/, dessen Entstehung
nicht geklärt ist.

Die Herkunft von tschech. ibiek, slowak. ibi ist
nicht eindeutig zu bestimmen: Diese Wörter können
entweder aus noch undiphthongiertem mhd./frühnhd.
*îbisch oder aber direkt aus (m)lat. hibiscus entlehnt
sein. Ähnliches gilt für lit. bik (Akz.-Kl. 1), das am
ehesten aus dem Poln. übernommen ist. Die poln.
Form wiederum dürfte aus einer dt. Form. stammen.

Walde-Pokorny 1, 105 f.; Pokorny 297 f.; Frisk, Gr.
et. Wb. 1, 707; Chantraine, Dict. ét. gr. 454; Beekes,
Et. dict. of Gr. 1, 575 f; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
1, 670; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 292; Thes. ling.
lat. 6, 3, 2690 f.; 8, 208; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
4566; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4127. 5275;
Wartburg, Frz. et. Wb. 4, 422 f.; Snoj, Slov. etim.
slov.² 6. 202. Newerkla 2011: 418 f.

S. -isc.

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