-isc
Band V, Spalte 213
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-isc suff. Das Suffix dient im Ahd.
zur Bez. der Herkunft und Zugehörigkeit
allgemein, im Nhd. meist zur Bez. der Zu-
gehörigkeit zu Völkern, Personengruppen
oder Gebietsbez. im weiteren Sinne, wobei
oft eine pejorative Konnotation zum Aus-
druck kommt. Als Ableitungsbasis dienen
im Ahd. mit seltenen Ausnahmen Subst., die
sowohl proprialen wie nichtproprialen Cha-
rakters sein können, wobei es sich dabei
auch um Entlehnungen handeln kann. Ver-
einzelt sind Adj. auf -isc die Basis für
īn-stämmige Adj.abstrakta oder n-St.; vgl.
kindiskî, heidaniskî etc. bzw. (un-)mennisko
etc. (s. dd.). Mhd. -(i)sch, selten -esch, nhd.
-isch, -sch. Bereits in mhd. Zeit ist der Vo-
kal -i- in etwa einem Viertel der Belege syn-
kopiert.

In der rom. Gestalt -esk in der Art von
(s.u.) wurde das Suff. wieder ins Nhd. rück-
entlehnt, oft in synchron nicht segmentier-
baren Adj. wie pittoresk, aber auch in seg-
mentierbaren Adj. wie balladesk, zu denen
das Grundwort, hier Ballade, ebenfalls ent-
lehnt wurde. Des Weiteren konnten dann
auch rein innerdt. Neubildungen erfolgen
wie kafkaesk.

Splett, Ahd. Wb. 2, 296298; Kluge²⁵ s. vv. -esk, -isch.
Wilmanns [19061930] 1967: 2, §§ 355 ff.; Schatz
1927: § 111 [S. 78]; Henzen 1965: § 132; Dt. Wortb.
3, 2836. 5759. 257372 passim; Bürgisser 1983:
43. 79 f. 8183; Bergmann 1991: 182 f. 227. 335 ff.;
Th. Klein, FS Beck 1994: 381410; Hornbruch 1996:
62 f. 129227. 240263. 269278. 287311. 343 f.
347349; Braune-Reiffenstein 2004: §§ 63. 201. 249;
Klein-Solms-Wegera 2009: 303 ff.

Das Suff. ist in allen germ. Sprachen fortge-
setzt, wobei es jeweils einzelsprachlichen
Veränderungen unterlag. Ahd. -isc entspre-
chen: as. -isk, mndd. -(i)sc; andfrk. -isc, -isk,
mndl. -s, -sc, nndl. -s, -isch; afries. -isc,
nfries. -sk; ae. -isc, -sc, -esc, me. -(i)sh(e),
-(ei)sc etc., ne. -(i)sh; aisl. -iskr, nisl. -iskur,
norw., dän., schwed. -(i)sk; got. -isks;
langob. -isk-: < urgerm. *-iska-.

Das Suff. wurde erst einzelsprachlich pro-
duktiv, es gibt nur wenige bereits gemein-
oder urgerm. Bildungen wie etwa *mann-
iska- männlich (s. mennisk) oder *þeđ-
iska- zum Volk/Stamm gehörig (s. diutisc).
Die nndl. Form -isch ist eine Entlehnung aus
dem Hd., die erst ab dem 16. Jh. zusammen
mit der Bibelübersetzung Luthers stärkere
Verbreitung findet und v.a. in aus dem Frz.
und Lat. übernommenen Wörtern produktiv
wird. Es ersetzt frz. -ique resp. lat. -icus. Be-
lege mit -isch finden sich vor 1500 nur ver-
einzelt, so etwa mndl. nydisch neidisch. Im
18. Jh. kommt es zum Erliegen der Produkti-
vität des Suff., in der modernen Sprache des
19. und 20. Jh.s wird das Suff. erneut pro-
duktiv, etwa in Ableitungen von VN, ON,
PN. Die einheimische Entwicklung des
urgerm. Suff. findet sich noch in dem nndl.
Suff. -s.

Die früher häufiger geäußerte Ansicht, dass in einer
Reihe Schweizer ON das Suff. urgerm. *-iska- an
(gallo)rom. PN zur ON-Bildung angetreten sei, ist
überholt. Den ON liegen nach heutiger Ansicht oft
schon vorrom. Bildungen zugrunde (T. Fetzer, BNF
46 [2011], 321 ff.).

Berr, Et. Gl. to Hel. 215; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
Suppl. 76; Vries, Ndls. et. wb. 283; Et. wb. Ndl. F-Ka
550 f.; S-Z 49 (-s¹); Bosworth-Toller, AS Dict. 601;
Suppl. 597; ME Dict. s. v. -ish suff.; OED² s. v. -ish¹;
Nielsen, Dansk et. ordb. 368 (-sk); Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 920. Kluge 1926: §§ 210 f.; Jóhannesson
1927: § 40; Campbell [1959] 1997: § 518; Krahe-
Meid 1969: 3, § 148; Faltings, Et. Wb. d. fries. Adj. 5.
Guchman 196266: 3, 106; 4, 36. 4143. 48 f.; F.
Mezger, ZVSp 79 (1964), 40 f.; A. Bammesberger, HS
108 (1995), 93 ff.; Francovich Onesti 2000: 157; M.
G. Lebed’ko, in Jakovenko 2011: 105 ff.

Außerhalb des Germ. begegnet das Suff. in
derselben Funktion wie in den germ. Spra-
chen auch im Balt., Slaw. und Rom. In all
diesen Sprachen zeigt das Suff. eine gewisse
Produktivität. Das Balt. hat lit. -ikas, lett.
-isks, apreuß. -isk(a)s, im Slaw. ist das Suff.
in aksl. -ьskъ und allen anderen slaw. Spra-
chen fortgesetzt (teils erweitert wie in russ.
-i-eskij etc.); in den rom. Sprachen begeg-
nen etwa italien. -esco, frz. -esque. Während
die Entlehnung des germ. Suff. in die rom.
Sprachen als sicher gelten kann, aber relativ
spät anzusetzen ist (das klass. Lat. zeigt das
Suff. ebenso wenig wie das Mlat.), wäre hin-
sichtlich dieser Frage beim Balt. und Slaw.
eine deutlich frühere Übernahme anzusetzen,
da das Suff. im Lit. noch den Übergang *-s-
> -- nach -i- (Ruki-Regel) zeigt, der nach
allgemeiner Auffassung noch in der ersten
Hälfte des 1. Jt.s stattgefunden hat, wenn
nicht noch früher. Die balt. und slaw. For-
men können also auch ererbt sein.

Im Slaw. wird das Suff. in allen Sprachen
fortgesetzt: urslaw. *-iska- > aksl. -ьskъ,
russ. -(e)skij, -skój, tschech. -sk, poln. -ski,
-cki, serbo-kroat. -ki etc. Es leitet Zugehö-
rigkeitsbildungen ab (Vaillant 195077: 4,
448 ff.; Duridanov 1993: 218 f.; Birnbaum-
Schaeken 1997: 60).

Substantivierte Adj. mit diesem Suff. bzw. sekundäre
Ableitungen auf urslaw. *-iska/ā- werden in allen
slaw. Sprachen zur Bildung von ON im weiteren Sin-
ne (einschl. Gebietsbez.) verwendet (Ködderitzsch
1969; Rospond 1969). Gleiches gilt für das Balt., wo
das Suffix. -ikas (daneben seltener -ikis) bes. im Lit.
produktiv geworden ist (Ambrazas 1997: 207 f. 218)
und zur Bildung von ON und FlussN etc. häufig ver-
wendet wird (R. Endzelyt, ALL 50 [2004], 1 ff.), aber
auch im Lett. als -isks und Apreuß. als -isk- auftritt. In
alit. Texten des 16./17. Jh.s lässt sich zudem noch die
ältere, Zugehörigkeit bezeichnende Funktion greifen
(die aber z. T. auf slaw., bes. poln. Einfluss beruhen
könnte), während das moderne Lit. mit diesen Bil-
dungen nur noch eine Ähnlichkeit zum Grundwort
zum Ausdruck bringt (vgl. Ambrazas 2011: 82 f. 85).
Eine Entlehnung des Suff. aus dem Germ., wie sie
früher bisweilen erwogen wurde (so etwa Shevelov
1964: 437), ist angesichts dessen unwahrscheinlich.
Im Lit. können von den Adj. dann weiter Abstrakta
auf -ik f. (< urbalt. *-ikiā) abgeleitet werden.

Das Suff. begegnet weiter im Gr. (erst nach-
hom., allerdings schon bei Alkman, Hippo-
nax, Herodot) als -ίσκο-, wo es zunächst
dimin. Subst. bildet (vgl. gr. παιδίσκος klei-
ner Junge
zu παῖς, παιδός Junge, Kind),
später dann auch solche, die eine Ähnlichkeit
oder Beziehung ausdrücken (vgl. gr. βα-
σιλίσκος eine Schlange, eine Pflanze, ein
Meeresfisch
zu βασιλεύς König), wozu
auch Pejorativa und Hypokoristika gehören.

Innerhalb des Gr. bestanden daneben noch Ableitun-
gen mit einem Suff. -σκο-, bei denen es sich aber am
ehesten um nominale Rückbildungen zu Verbalstäm-
men auf -σκο- handelt; vgl. gr. βοσκή Nahrung zu
βόσκω nähre etc. (Chantraine [1933] 1979: § 334 [S.
405]).

Das Suff. -ίσκο- steht im späteren Gr. in
Konkurrenz zum Suff. -ιο-. Dies macht nun
die bereits (spät)uridg. Existenz des Suff.
wahrscheinlich, weshalb auch die balt. und
slaw. Formen durchaus ererbt sein dürften
(s. o.). Das Gr. zeigt den älteren Zustand, in
dem das Suff. zur Bildung von denominalen
Subst. verwendet wird. Die anderen Sprach-
zweige, die das Suff. fortsetzen, zeigen dem-
gegenüber eine Weiterentwicklung zu Zu-
gehörigkeitsadj. im weiteren Sinne, wohl
ausgehend von den Bildungen, die eine Ähn-
lichkeit oder Beziehung ausdrücken.

Im It. begegnet im Lat. und Sabell. vereinzelt
ein Suff. *-(s)ko- zur Ableitung von Benen-
nungen von Ethnien; vgl. umbr. akk.sg.n.
turskum, tuscom etruskisch, lat. tuscus
dss.. Ein Zusammenhang mit dem produk-
tiven germ. Suff. *-iska- scheint indes nicht
zu bestehen (Heidermanns 1999: 397 f.).
Unklar bleibt, ob uridg. *-isko- auch direkt
im Lat. fortgesetzt ist. Fälle wie lat. mariscus
von der männlichen Art, Feigwarze zu mās,
maris m. Mann, männlich bleiben verein-
zelt und können auch anders erklärt werden.

Eng verwandt mit urgerm. *-iska- sind zwei
morphologische Elemente im Aarm.: einer-
seits die Endung des Gen.Dat.Abl.Pl. -cՙ und
andererseits das Adj.suff. aarm. -acՙ-i. Bei
der Kasusendung handelt es sich wahr-
scheinlich um die Fortsetzung uridg. Adj. auf
*-is()o-, die wie o.a. Zugehörigkeit im wei-
teren Sinn ausdrückten und folglich der pos-
sessivischen Bed. des Gen. nahe standen, so
dass das urspr. Adj.suff. zur Nominalendung
werden konnte. Nachdem die Fortsetzung
des uridg. Suff., aarm. -icՙ, den i-St. zuge-
ordnet worden war, wurden analogisch bei
den a- und o-St. die Endungen -acՙ und -ocՙ
ausgebildet (H. Seldeslahts, GS Windekens
1991: 261; Olsen 1999: 347). Es bildet in
erster Linie EinwohnerN als Ableitungen zu
ON und LänderN (vgl. aarm. galileacՙi Ein-
wohner von Galiläa
, atՙenacՙi Athener
etc.), selten auch Ableitungen zu Bez. von
Lebewesen (anacՙi Männer-), vereinzelt
zu weiteren Subst. oder Adj. (irawacՙi
rechtschaffen, wahrhaftig zu iraw ge-
recht
). Es zeigt einerseits die bereits im
Urarm. erfolgte Durchführung des Suff.vo-
kals *-a-, andererseits eine sekundäre Erwei-
terung um *-io-, also uridg./vorurarm.
*-Vsk/io- > urarm. *-acՙio-. Daneben exis-
tiert im Aarm. die lautliche Var. -ecՙi, die bei
Antritt der urarm. Vorform des Suff. -acՙi an
Grundwörter auf aarm. -ē, -i, -ia und -a(y)
entsteht: vgl. aarm. Kilikia : kilikiecՙi etc.

Eine vergleichbare Erweiterung liegt auch
dem Suff. toch. A -i, toch. B -e (< uridg.
*-skio-) zugrunde.

Der Charakter des Tektals im Suff. uridg.
*-is()o- kann nicht abschließend gesichert
werden: Da die balt. und slaw. Formen ent-
lehnt sein könnten, gestatten sie keine siche-
re Aussage darüber. Auch die aarm. Form
kann den Velar oder den Pal. fortsetzen. Le-
diglich das luw. Sekundärsuff. -iza-, mit dem
(selten) Dimin. bzw. Zugehörigkeitsbildun-
gen (hluw. nimuwiza- Kind, Sohn) und
häufiger Einwohnerbez. zu Städten abgelei-
tet werden können (hluw. Karkamisa- :
karkamisiza-), würde eindeutig für den Pal.
sprechen. Es ist aber nicht sicher, ob es
überhaupt uridg. *-is()o- fortsetzt (Olsen
1999: 346 Anm. 324).

Da auch sonst ein Sekundärsuff. uridg. *-ko-
bzw. *-o- begegnet, das etwa an n-Stämme
antritt (s. -ing/-ung, jung), liegt eine Seg-
mentierung *-is-()o- nahe. Beim vorderen
Element könnte es sich um das schwundstu-
fige Kompar.suff. handeln. Es müsste dann
mit einer semantischen Entwicklung gerech-
net werden, die, ausgehend von einer Bed.
in höherem Maße durch XY gekennzeich-
net
, einerseits zu reinen Zugehörigkeitsbil-
dungen, andererseits zu den o.a. Dimin. und
Pejorativen geführt hätte. Diese Analyse
muss vorerst als hypothetisch gelten.

Ein Zusammenhang mit dem verbalen Suff.
uridg. *-ise/o-, das zur Bildung von Iterati-
va bzw. Durativa dient, besteht nicht (B. Vi-
ne, HS 106 [1993], 49 ff. bes. 52 f.).

Leskien 1891: 522; Endzelin 1922: § 190; Chantraine
[1933] 1979: §§ 335342; Skardius 1943: 150159;
Vaillant 195077: 4, 448450; Otrbski 195665: 2,
291296; Kiparsky 196375: 3, 201. 213. 218. 224.
247. 267 f. 279286; Pakerys 1994: 93. 127 f. 323
326. 350; Ambrazas 1997: 207 f.; Olsen 1999: 344 ff.
420 f.; Ambrazas 2000: 47. 64 f. 181183; Halla-aho
2006: 100. 283289 (Aufstellung der aksl. Lexeme
mit diesem Suff.); Balles 2008: 224; Matzinger 2008:
410. 417 f.; Ambrazas 2011: 8286. 134. 142 f. 162 f.