absita
Volume I, Column 30
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absita f. ō- (oder n-)St. offenes Halbrund,
exedra; Apsis, Chor, Altarraum, absida, absis;
Gewölbe, camera
Var.: apsit(h), absit 10. Jh.,
auch apsit, absid 11./12. Jh., dazu dreisilbig ab-
sita, -e, -side 12.14. Jh.. Mhd. sind noch die
Formen absîte, apsîte st. sw. f. im Gebrauch mit
der Bedeutung überwölbter Nebenraum in ei-
ner Kirche; Nebengebäude
. In der Lautgestalt
entspricht nhd. Abseite f. im Sinne von Seiten-
raum
, auch Anbau (eines Nutzgebäudes); die
früher vorwiegend kirchliche Bedeutung wurde
von nhd. Apsis (pl. -iden) übernommen.

Ahd. Wb. I, 19 f.; Starck-Wells 14; Graff I, 102;
Schade 3; Lexer I, 16 f.; Benecke I, 5; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 5 f.; Adelung, Gr.-krit. Wb. d. hd. Mda. I,
92; Dt. Wb. I, 116; Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 14; Kluge²¹
4.

Das mlat. Wort absda scheint seinen ersten
Eindeutschungsversuch in den bair. Hss. der
Monseer Gl. (die ältesten: 10. Jh.) erfahren zu
haben, und zwar in der zweisilbigen Form absit
u. ä. (s. o.) mit Apokope der Endung, wie sie in
drei- oder mehrsilbigen Lehnwörtern aus dem
Lat. analog den früher wirksamen westg. Aus-
lautgesetzen öfter zu beobachten ist (Kluge,
Urgerm.³ § 18 c; Franz, Lat.-rom. El. im Ahd.
35; Pogatscher, Gr., lat. u. rom. Lehnw. im Ae.
§ 276 ff.). So wurde mit Akzentverlegung und
Verschiebung des -d- zu -t mlat. absda zu ahd.
absit; man wird nicht schon diese lautliche Ein-
buße dem Gleichklang mit einer urspr. en-
dungslosen nom.sg.-Form von ahd. mhd. sît
Seite (so Ahd. Wb. I, 20) oder gar dem Einfluß
der selteneren und gelehrten lat. Variante apsis
(-dis) zur Last legen wollen (vgl. auch Schatz,
Abair. Gr. § 68). Vom 12. Jh. an ist dann
wohl infolge einer erneuten Entlehnung vor-
wiegend absîta, absîte und dies ohne Zweifel in
volksetym. Assoziation mit ahd. ab + sîta be-
legt; daneben läuft ein bodenständiges Hom-
onym mhd. ab-sîte abgelegene Gegend einher,
mdartl. nhd. Abseite f.

Mlat. absīda (auch absda), seinerseits mit so
mannigfachen Bedeutungen wie Planetenbahn;
Gewölbe, Rund-, Chorhaupt, Apside; Altarni-
sche; Seitenschiff
(s. die Mdaa.), ist aus gr.
ἁψίς (ostion. und spätgr. ἀ-) bzw. dessen acc.
sg. ἁψῖδα übernommen: so erklärt sich der
Übergang in die lat. ā-Deklination; die Schrei-
bung -b- beruht wohl auf Analogie zu Formen
wie absum; oft wurde auch volksetym. abscida
geschrieben. Der schon hom. Prototyp ἁψίς
Masche eines Netzes, Radfelge, Gefüge ist
eine Erweiterung auf -īd-, und zwar zu einem
unbekannten Verbalnomen, das mit gr. ἅπτω
anheften, verknüpfen, berühren zusammen-
hängt, aber im einzelnen unklar bleibt.

Mittellat. Wb. I, 49 f.; Du Cange I, 31 f.; Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 4; Lex. d. frühgr. Epos I, 1788 ff.;
Frisk, Gr. et. Wb. I, 204. 126 (ἅπτω); Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 109. 72 (ἅπτω); Chantraine, Dict. ét. gr. 99 f.;
ders., Formation des noms en gr. 347; Schwyzer, Gr.
Gram. I, 465 (Abs. 4); Meier, -ίδ-: Zur Gesch. eines gr.
Nom.suff. 65; Pokorny 50 f.; Walde-Pokorny I, 46.
Vgl. auch P. Kretschmer, Glotta 7 (1916), 352; 10
(1919/20), 233 f.; R. Meringer, Sitz.ber. d. Akad. d.
Wiss. in Wien 181, 5. Abh. (1916), 2157 und den Ar-
tikel Apsis von A. Mau in Pauly-Wissowa, Real-En-
cycl. d. klass. Alt. III, 283.

Die mlat. Wortform absda, die wohl auf dem
Weg über Gallien auch ins frühmittelalt.
Deutsch gelangt ist (so Wartburg), lebt als ab-
side Apsis im Nfrz. weiter und von dorther im
Ndl. Auch im Mndd. wurde das lat. Lehnwort
adoptiert volksetymologisch als was abseits
liegt
mißverstanden und zu afsīde umgeformt
so erscheint es auch im Dän., obwohl heute nur
noch mdartl. im Gebrauch, während nschwed.
absid sich direkt aus dem Frz. herleitet. Auch
italien., span. und port. gilt als heutige Wort-
form abside, nur im Port. hat sich eine lat.
Dim.form *absidula erbwörtlich über aport.
ausidua zum heutigen ausia Hauptkapelle ent-
wickelt (Wartburg).

Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 53; Meyer-Lübke, Rom.
et. Wb.³ Nr. 45 S. 4; Wartburg, Frz. et. Wb. (Neube-
arb.) XXIV, 53; Gamillscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 5.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 39; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 35; Kalkar, Ordb. til æ. danske
sprog I, 25 f.; Ordb. o. d. danske sprog I, 252; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 2; Svenska akad. ordb. A-17.

Die dt. Mundarten von heute sind im allg. be-
redtes Zeugnis dafür, daß das ahd. Wort in sei-
ner Einbürgerung als Abseite f. und mit der Be-
deutung von Seitenraum in Profanbauten sich
vielfach im Ober- und Mitteldt. bis heute erhal-
ten hat, daß es im Ndd. als afsīd u. ä. ganz all-
gemein heute die zu beiden Seiten der Längs-
diele des niedersächs. Bauernhauses liegenden
Räume (oder Teile derselben) bezeichnet.

Schweiz. Id. VII, 1454; Ochs, Bad. Wb. I, 17 (in der
absiten 1391; uff der linken abseyt 1473); Fischer,
Schwäb. Wb. I, 68; Schmeller, Bayer. Wb.² II, 336 f.
(die Abseiten: abgelegener Ort; Gang oder Neben-
schiff
); Christmann, Pfälz. Wb. I, 90; Vilmar, Id. von
Kurhessen 2; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 15 (afsīd
Schuppen für Streu); Jungandreas, Ndsächs. Wb. I,
220 f.; Dähnert, Platt-Dt. Wb. 6; Kosegarten, Wb. d.
ndd. Spr. I, 149; Bretschneider, Brandenb.-berl. Wb. I,
77 f. (Afsiede Verschlag); Kück, Lüneb. Wb. I, 30
(Afsīd); Scheel, Hamb. Wb. I, 75; Mensing, Schleswig-
holst. Wb. I, 85; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. I,
182 ff. (mit Abb.); Frischbier, Preuß. Wb. I, 12 (westpr.
awesīd Anbau an Scheune oder Gebäude).

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