ah¹
Band I, Spalte 95
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ah¹AWB n. a-St., einmal belegt, Gl. 3, 111, 41; 13.
Jh., also mhd.: spica vel ach. arista agena. Zu
dieser einsilbigen Form gehören mit gleicher
Bedeutung folgende zweisilbigen, meist auf -r
endigenden neutr. Wortbildungen (soweit be-
legt, jeweils zu einem Dekl.system zusammen-
gestellt): (ohne Umlaut) ahir, aher (13. Jh.), ar
(kontrahiert) nom.sg.; ahir akk.sg.; ahiro
gen.pl.; aherun dat.pl.; ahar, aher, ahir, hahir
(mit proth. h-), are (kontrahiert, 11. Jh.)
akk.pl.; (mit Umlaut) ehir, eher, ehar, æher (13.
Jh.), iher (12. Jh.), er (kontrahiert, 14. Jh.)
nom.sg.; ehire dat.sg.; ehir akk.sg.; eher
nom.pl.; eherun, hehiren (mit proth. h-) dat.pl.;
ehir akk.pl.: Ähre, spica, arista. Im Mhd. so-
wohl wie im Nhd. ist die einsilbige Form (ohne
-r) nicht weiter bezeugt; an ihre Stelle tritt
mhd. st.n. ähir, äher, eher, echer, auch ar (kon-
trahiert, im Reim mit dar), nhd. Ähre; beson-
ders mannigfaltig sind die mdartl. Varianten
(s. u.).

Ahd. Wb. I, 64 (ah); III, 88 f. (ehir); Schützeichel³ 38
(ehir); Starck-Wells 17 (ah). 118 (ehir); Graff I, 105
(ah). 134 (ahir); Schade 7 (ah). 125 (ehir); Lexer I, 28
(äher). 514 (eher); Benecke I, 411 (eher); Kluge²¹ 11
(Ähre).

Wie zu erwarten bei der grundlegenden Bedeu-
tung des Wortes im Rahmen mittelalterlicher
Wirtschaftsformen, finden sich Gegenstücke
von ahd. ah bzw. ahir (ehir) in allen anderen
germ. Dialekten: im As. ist die Adj.form *ahar-
īn (Prud.Gl. 11a: spiceum áárínón, Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 91 Z. 28; Ahd. Wb. I, 67)
überliefert, eine Form, von der man ein mehr-
fach zitiertes aber nirgendwo belegtes as. *ahar
abstrahiert hat statt des bezeugten ehir (Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 87, 5); dazu mndd.
ār(e); mndl. heißt es aer (auch are, aere), nndl.
aar; afries. wird ar bezeugt, nnordfries. aar,
nostfries. æir, saterländisch ī (< *eher); ae.
ēar n. führt mit seinem Vokalismus auf eine
Vorform *ahur, urg. *ahuz zurück, neben
northumbr. eher und æh(h)er (mit bewahrtem
und gelegentlich geminiertem -h- vor unmittel-
bar folgendem r; Sievers-Brunner, Ae. Gr.³
§ 222 Anm. 4. 228. 289; H. Weyhe, PBB 31
[1906], 89; zu dem vorauszusetzenden *-ur [<
*-uz] der ae. Formen vgl. W. von Unwerth,
PBB 36 [1910], bes. 1122); me. ergibt sich
ēr(e), auch eire, yere und ne. ear. Auf skand. Bo-
den gilt für aisl. und nisl. ax, das als [aks] aus
älterem *ahs zu analysieren ist; mit gleicher
Schreibung anorw., aschwed. und nschwed. ax,
ndän. nfäröisch und nnorw. aks (aus letzterem
finn. aksa). Auch im Got. ist einmal ahs n. be-
zeugt (dat. ahsa nach den a-St.) als Wiedergabe
von gr. στάχυς Ähre.

Fick III (Germ.)⁴ 7 f.; Gallée, As. Gr.² § 156; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 117; Verdam, Mndl.
handwb. 20; Vries, Ndls. et. wb. 4 f.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 5; Holthausen, Afries. Wb. 4; Outzen, Gl.d.
fries. Spr. 4; Siebs, Gesch. d. fries. Spr. 1347 § 157;
Holthausen, Ae. et. Wb. 85 (ēar³); Bosworth-Toller,
AS Dict. 231; Suppl. 170; ME Dict. EF, 218; OED
III, 2, 6; Vries, Anord. et. Wb.² 21; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 13; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 9; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 18; Torp, Nynorsk et. ordb.
2; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 44; Feist, Vgl. wb. d.
got. Spr. 17 f. Zu den -s-St.: Wilmanns, Dt. Gr. II
§ 215 ff.; W. v. Unwerth, PBB 36 (1910), 142; Kluge,
Nom. Stammbildung³ § 84; Kieckers, Handb. d. vgl.
got. Gr. 130.

Die überlieferten germ. Varianten für das Wort
Ähre gehen allesamt auf -s-Erweiterungen der
idg. Wz. *a- (**He-) ( agana), wie *aes:
*aos: *as zurück, die durch Belege aus ande-
ren idg. Sprachen weitgehend bestätigt werden;
dabei war die -e-Abtönung ursprl. wohl in den
Kasus obliqui, die -o- Stufe im Nom. und
Akk.Sg. zu Hause: lat. acus, -eris (< *aos,
*-ezes) Granne, Spreu; gr. (kypr.) ἀκοστή
Gerste (so Hoffmann, Gr. Dial. I, 278 und
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 11; weniger
wahrscheinlich A. Bezzenberger, BB 27 [1902],
173 Anm. und Berneker, Slav. et. Wb. I, 268);
ferner gr. ἠκές ὀξύ Hesych II, 277 Z. 92 sowie
Komp. auf -ήκης -schneidig, -spitzig (wohl mit
dehnstufigem *ā-) und mit Weiterbildung zu
den u-St. und Wz.vokal o gr. ὀξύς (< *o-s-
u-) scharf, ὄξος Weinessig, ὀξίνη Egge. Eine
-s-Erweiterung wird auch in gr. ἄχνη Spreu,
Flaum
angenommen: < *a-s-nā mit gr. -χ- <
-ks- (s. Brugmann, Grdr.² I, 651; Meillet-Ven-
dryes, Gr. comp. des langues class.² 356; Walde-
Pokorny I, 30 und Anm. 3); außerdem in balt.
und slav. Bildungen wie lit. akstìs Bratenspieß,
russ. ostь Spitze (< *a-s-ti-, Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 5); ein -s-St. vielleicht auch in
toch. A āk, B āke Ende, Spitze, nach A. J. van
Windekens, Orbis 15 (1966), 256.

Walde-Pokorny I, 31; Pokorny 21 f.; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 37. 108 (ἄχνη); Frisk, Gr. et. Wb. I, 56; III
(Nachtr.) 24; Chantraine, Dict. ét. gr. 43. 806 f.;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 11; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 7; Fraenkel, Lit. et. Wb. 5 f.; Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 288.

Eine urg. Grundform *ahiz (< *aes: -es mit
-e-Stufe scheint germ. durch das ganze Para-
digma hindurch verallgemeinert, H. Paul, PBB
4 [1877], 412) n. ohne Flexionsendung mußte
im Nom. und Akk.Sg. lautgesetzlich ahd. ah er-
geben nur einmal belegt, s. o. dagegen im
pl.nom. und akk. ahir, mit Umlaut ehir
(< *ahizō < *-esā), dementsprechend im
gen.pl. ahd. ahiro, dat.pl. *ahirum > aherun
(s. o.), und von da aus drang, bei dem vorwie-
gend pluralischen Gebrauch der mittelalt. Be-
zeichnung für Ähre, die ursprl. Stammform
(*ahir-) auch in den Nom. und Akk. des Singu-
lars ein (Schatz, Ahd. Gr. § 321; Braune, Ahd.
Gr.¹³ § 197 Anm. 1 und die dort zitierte Lit.).
Was den Umlaut vor germ. -h- anbelangt, so
hat das Frk. schon im Ahd. -e- in ehir, während
das Obd. noch zwischen ahir und ehir
schwankt (Schatz, ebd. § 51). So kommt es, daß
im Mhd. noch vielfach (zur Bezeichnung des
Sekundärumlauts) äher geschrieben wird (Paul,
Mhd. Gr.²⁰ § 40 Anm. 1); auch im Frühnhd. gilt
noch meist äher, eher oder ähr n. und f. für den
Sg. Erst im Laufe des 17.18. Jh.s wechselt das
Wort zu der sw.f.-Deklination über, behält aber
zum Unterschied von Ehre die Ä-Schreibung
bei; nur mundartlich werden ältere Verhältnisse
noch teilweise bewahrt.

Adelung, Gr.-krit. Wb. d. hd. Mda. I, 165 f.; Götze,
Frühnhd. Gl.⁶ 7. 60; Trübners Dt. Wb. I, 59 f.; Paul-
Betz, Dt. Wb. 15; Dt. Wb. I, 191 (Äher). 198 (Ähre).
Zur mdartl. Verwendung vgl. Schweiz. Id. I, 69 f.
(Ächer, auch Äri, Äli; meist noch n.); Martin-Lien-
hart, Wb. d. els. Mdaa. I, 11 (Acher, Ar); Ochs, Bad.
Wb. I, 27 ([εχǝrǝ] gelegentl. noch n.); Fischer,
Schwäb. Wb. I, 119 f. (alliu Echer n.pl.); Lexer, Kärnt.
Wb. 4 (acher, echer f.); Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I,
172 (sg. [er] etc., pl. [erǝ(n)] etc.); Woeste, Wb. d.
westf. Mda. 11 (ære f.); Schambach, Wb. d. ndd. Mda.
13 (āre f., pl. āren und āre); ähnlich Dähnert, Platt-
Dt. Wb. 15; Mensing, Schleswig-holst. Wb. I, 97 (Ahr
f., pl. Ahrn); Ziesemer, Preuß. Wb. I, 102 (ār f., pl.
āre); dasselbe Frischbier, Preuß. Wb. I, 32.

S. auch aga, agana, ah², ahil, ahorn, ehir.

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