aha¹
Band I, Spalte 99
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aha¹ f. ō-St. Wasser(lauf), Fluß, Strom (auch
übertr.), fluvius, flumen, amnis
(nie = aqua);
die überlieferten Formen des ahd. Appellati-
vums zeigen ausschließlich einfaches -h-. Mhd.
ahe st., auch sw.f. Nhd. nur noch als EN oder
als Komp.glied von EN; im appellativen Ge-
brauch heute auf vereinzelte Mdaa. beschränkt.
So lautet das Wort als Bezeichnung von Fluß-
läufen mittlerer Größe auf ndd. und md.
Sprachgebiet meist -a (-aa), Fulda (752 Ful-
daha, 813 Fuldaa, 8.9. Jh. Fulda, Förstemann,
Adt. Namenbuch23 II, 1, 968 f.), im Hessischen
-ohe, Westernohe (1059 Westernaha, ebd. II, 2,
1285), weiter südlich vorwiegend -ach, vor al-
lem im Bair., die Salzach bei Salzburg (940 Sal-
zaha, 1134 Salzahe, ebd. II, 2, 672), während auf
alem. Gebiet Formen auf -ach und -a(a) neben-
einanderherlaufen, so die Aach beim Bodensee
(1010 Ahe, ebd. II, 1, 37), aber die Schwarza im
südl. Schwarzwald (Svvarzaha 983, s. Springer,
Flußnamen 75) oder die Engelberger Aa in der
Schweiz (Bruckner, Schweiz. ON.kunde 143 f.
209). Als Appellativum wird die Form Ache
sw.f. noch für das österr. Gebiet verzeichnet.

Ahd. Wb. I, 65 f.; Schützeichel³ 3; Starck-Wells 17;
Graff I, 110 f.; Schade 1 und 6; Lexer I, 1 und 28; Be-
necke I, 13; Dt. Wb. I, 3 und 162; Kluge²¹ 1. Förste-
mann, Adt. Namenbuch23 II, 1, 3441; Bach, Dt. Na-
menkunde II § 18890; Schröder, Dt. Namenkunde²
185. 2258. Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in
Österr. I, 115 f. (südbair. mit [χ], mbair. meist
ohne
); Lexer, Kärnt. Wb. 2 (Appell. für jeden grö-
ßeren Fluß
); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 21 (noch im-
mer ein Appell.
); Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 47 (Ap-
pell.); Schweiz. Id. I, 63 f. (als Appell. nur zufällig);
Fischer, Schwäb. Wb. I, 88 (Aach, Aa als Appell. ver-
altet: ein Gesetz über die Formen mit und ohne ch
ist nicht zu finden
); Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I,
2 (Aach nasse Stelle des Ackers); Crecelius, Oberhess.
Wb. 2 (als Appellativ unbekannt); Jungandreas,
Ndsächs. Wb. I, 2 (Aa: Bach; wasserreiches Wiesen-
land
in EN); Mensing, Schleswig-holst. Wb. I, 1 (A:
untergegangen).

Aber nicht nur die geographische Verteilung
der verschiedenen Formen des Wortes, wie sie
die namenkundlichen Reflexe von heute sowie
die vereinzelten mdartl. Reste appellativen
Sprachgebrauchs widerspiegeln, ist noch weit-
hin unerforscht; auch die sprachliche Entste-
hung der ahd. Doppelformen aha und ahha
bleibt weiterhin problematisch. Während das
Appellativum (dem Ahd. Wb. zufolge) aus-
schließlich mit einfachem -h- erscheint, begeg-
net das Wort als EN oder als ein Teil von EN
(nach Förstemann, Adt. Namenbuch) urkund-
lich wiederholt als ahha oder acha, viel häufiger
noch als ach - allerdings überwiegen auch na-
menkundlich bei weitem die Schreibungen aha.

Legt man einen urgerm. Ansatz nom.sg. *ahwō zu-
grunde, wie er durch andere germ. sowohl wie außer-
germ. Verwandte gefordert wird (s. u.), so steht zu er-
warten, daß -h- vor dem unmittelbar folgenden w
gemäß der westgerm. Konsonantendehnung gedop-
pelt wurde, und es ergibt sich mit Elision des nach-
kons. w und in Analogie zum Akk.Sg. (Braune, Ahd.
Gr.¹³ § 207 Anm. 2) ahd. ahha. Diese Entwicklung hat
ihre Parallelen in Nebenformen wie ahd. nâhhitun
(meist nâhi-, got. [at]nēƕida), firlîche (got. leiƕan),
sehhan (got. saiƕan) u. a., Zeugnisse, die den Schluß
erlauben, daß zur Zeit der westgerm. Konsonanten-
dehnung der ursprüngliche Labiovelar bereits zur
Lautgruppe -hw- geworden war.

Andererseits ist man zur Erklärung der Varianten mit
einfachem -h-, ahd. aha, von jeher geneigt gewesen,
von Deklinationsformen auf -u auszugehen, die das
unmittelbar voraufgehende w noch vor Eintritt der
westgerm. Konsonantendehnung eingebüßt hätten
und über *ahwu zu ahu geworden wären (vgl. as.
ahu dat.sg. Heliand M 1166). Daß es sich bei den
Formen mit einfachem -h- wohl um Systemzwang
handelt, entspricht ihrem ausschließlich appellativen
Gebrauch im Gegensatz zu den viel mehr isolierten
Eigennamen auf -ahha, -acha oder -ach.

Kluge, Germ. Konjugation 426 (dazu H. Paul, Lit.
Centralblatt [1879], 654); H. Paul, PBB 7 (1880), 163;
R. Kögel, Lit.bl. f. germ. u. rom. Phil. 8 (1887), 109 f.;
Zupitza, Germ. Gutturale 602; Koegel, Gesch. d. dt.
Lit. I, 2, 531; Wilmanns, Dt. Gr. I § 140; Franck, Afrk.
Gr. § 112. 119 f.; Baesecke, Einf. in d. Ahd. § 51. 73,
2 b. 79, 2; Wood, Postcons. w in IE 123 f.; Luick, Hist.
Gr. d. engl. Spr. I § 618. 631, 2; G. S. Lane, JEGP 35
(1936), 1726; Braune, Ahd. Gr.¹³ § 96 Anm. 5. 109
Anm. 2. 145 Anm. 6. 154 Anm. 7.

Wortformen, die ahd. aha/ahha entsprechen,
sind in sämtlichen germ. Dialekten zu finden:
as. aha, dazu EN wie Markaa, Middila, mndd.
ā; andfrk. -aa, -a (in Komp.); afries. ā, ē (vgl.
Emutha 10. Jh. Mündung der E[e], jetzt Em-

den); ae. ēa (vermutlich über eah[u] und nach
Ausfall des -h- zu ēa; aber auch eah begegnet),
me. ǣ, ē; aisl. (á) < *ahu mit u-Umlaut und
Ersatzdehnung (dat.pl. óm mit [oft verallge-
meinertem] ó vor Nasal) (ein urnord. *ahu auf
dem Kamm von Setre 7. Jh., von L. Jacobsen
konjiziert [Aarbøger f. nord. Oldkynd. 1935,
58 ff.], statt der sonstigen Lesung alu [M. Ol-
sen, Bergens Museum Aarbok 1933, Nr. 2, 36 ff.]
ist aus paläographischen und besonders seman-
tischen Gründen nicht überzeugend, s. Krause,
Die Runeninschr. im ä. Futhark, Nr. 40, 89 und
ders., Spr. d. urnord. Runeninschr. Nr. 83, 162),
aschwed. adän. ā, nschwed. å, ndän. aa kleiner
Fluß
(vgl. Aarhus < *ār-ōss Flußmündung),
nnorw. dial. aa, ō; -a als Reflex von nordgerm,
-ā begegnet vielfach in engl. Toponymik, E. Ek-
wall, Namn och bygd 14 (1926), 14561; zu
-ava in finn. Flußnamen als nordgerm. Entleh-
nung, s. Karsten, Germ.-finn. Lehnw. 1335
(mit zweifelhaftem Ansatz germ. und idg. Ur-
formen). Das Got. hat dementsprechend aƕa
als Übersetzung von gr. ποταμός, während gr.
ὕδωρ konsequent mit wato wiedergegeben
wird. Zum Bed.übergang von Wasser als Ele-
ment
zu fließendem Wasser und umgekehrt,
vgl. A. Mayer, Glotta 32 (1953), 78 f.

Darüber hinaus ist im Germ. eine j-Ableit. weit
verbreitet: urg. *a()w-j- (mit Suffixbetonung,
daher -k- > -w-) von Wasser umgebenes
Gelände, Insel
, westgerm. *awwju, davon ahd.
auwia, ouwa (Braune, Ahd. Gr.¹³ § 102. 112),
ouwa.

Höchst zweifelhaft dagegen ist Anknüpfung
von anord. und ae. Formen mit verschiedenem
Vokalismus, idg. ē-, germ. ǣ-, in aisl. Ǽgir
Meer(gott) (< *ǣijaz < *ēkiós); desgl. ein
s-St. ae. ǣur, ēur Flut, Meer u. ä., s. K. R.
Brooks, OE éa and Related Words. Engl. and
Gmc. Stud. 5 (19523), 1566.

Ebenso unsicher ist, ob auch eine Ablautsform
mit langem ō- und n-Erweiterung (< *ōkn-´)
hier angeschlossen werden darf: aisl. ógn f.
Fluß, das zweimal in einer skaldischen Ken-
ning für Gold, ógnar liómi eigtl. Flutenglanz
begegnet, Egilsson-Jónsson, Lexicon poeticum²
444; vgl. R. Nordenstreng, Kock (E. A.)-Fest-
schrift 254 ff. und A. M. Sturtevant, Scand. Stud.
20 (1948), 135.

Fick III (Germ.)⁴ 9; Holthausen, As. Wb. 1; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 5 (aha, dat.sg. ahu, aho [C]); Berr, Et. Gl.
to Hel. 19; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 1;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 1; Holthausen, Afries.
Wb. 1; Richthofen, Afries. Wb. 585; Helten, Lex. d.
Awestfries. 5. 88; Bosworth-Toller, AS Dict. 223 (ēa).
12 (ǣgweard?). 244 (ēgor-, ēg-?); Holthausen, Ae. et.
Wb. 82 f.; ME Dict. AB, 111; EF, 1 f.; Vries, Anord.
et. Wb.² 1; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 14 f.; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 1; Torp, Nynorsk et. ordb. 10;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1. 1428; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 1415; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 18 f.
Streitberg, Urg. Gr. § 117 S. 110 (vgl. IF[Anz.] 3
[1894], 66); Prokosch, Comp. Gmc. Gr. § 23 c. 27 d.
30. 41 d; Noreen, Urg. Lautlehre 59 (ǝ: ē); Helten,
Aostfries. Gr. § 197 Anm. (vgl. auch PBB 14 [1889],
237 f.); Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 37, 2. 128, 2 und
Anm. 4; Campbell, OE Gr. § 228 Anm. 3 (Kons.deh-
nung vor -w-). 235, 2; Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 77, 2. 123.
132. 169 (Ǽgir?). 230, 1. 317, 3 a (Verners Gesetz).

An außergerm. Verwandten sind nur die itali-
schen einwandfrei: lat. aqua Wasser(leitung)
< idg. *akā (**HekeH₂); zur Form acua
und acqua vgl. Leumann, Lat. Laut- u. Formen-
lehre 133 (Absatz γ). 219 (Absatz α). Im
Griech. gibt es nichts Entsprechendes, aber
auch im Indo-Iranischen sind die Anklänge
höchst zweifelhaft. Aus dem Slav. bietet sich
nur der russ. Flußname Oká, während Zusam-
menhang von idg. *akā mit lett. aka Quelle,
Brunnen
, lit. aket, eket und dem Flußnamen
Akl heute meist abgelehnt wird (eher zur
Wurzel *ok- Auge? Walde-Pokorny I, 171).
Air. oiche Wasser scheint überhaupt nicht zu
existieren, nkymr. aig Meer ist von Pokorny
als Neubildung zu eigion (< lat. ōceanus) ge-
stellt worden (Pokorny 23), und das vielzitierte
gall. -apa, das lautgesetzlich idg. *akā entspre-
chen könnte (so S. Feist, ZfdGesch.d.ORh. N. F.
44 [1930/31], 407 Anm. 3), ist nur aus Ortsna-
men nachträglich abstrahiert (aber vgl. air. oub
[< *abō], kymr. afon, abrit. abona, anatolisch
ab-, C. Watkins, riu 24 [1973], 80 ff.; dazu
auch nhd. Flußnamen auf -affa, -aff, -eff sowie
auf -apa, -epe, -ep, vgl. J. Schnetz, ZfOrtsnamenf.
1 [1925], 1022 mit Lit.; J. Pokorny, Meillet-
Festschrift 541 ff. und Bach, Dt. Namenkunde II
§ 182 ff.). Darüber hinaus wird immer wieder
ein aus dem Altertum (von Dioskorides) über-
lieferter dakischer Pflanzenname κοαδάμα
ποταμογείτων Wassersiedler (mit Schwund-
stufe *kā-?) herangezogen, ohne bei Det-
schew, Thrak. Sprachreste 551, oder What-
mough, Dial. of Anc. Gaul 1328, Anklang zu fin-
den; auf EN wie das illyr. oder venet. Aquin-
cum (= Budapest), das ital. Aquilēia in Ober-
italien (vielleicht auch in Süddeutschland, heute
Aalen?) und die Flußnamen Aquilis und Aquilō
in Istrien bzw. Apulien sei noch mit Vorsicht
verwiesen (R. Much, Mitt. d. anthrop. Ges. in
Wien 47 [1917], 40; N. Jokl, Eberts Reallex. VI
[1926], 40; A. Mayer, Glotta 24 [19356], 194;
Krahe, Spr. d. Ill. I, 92. 99; W. Scherer, Ruperto-
Carola 5 [1953], 17483; I. Duridanov, Hydro-
nymie des Vardarsystems als Geschichtsquelle
[Wien, 1975], 73). Zu den früher oft herange-
zogenen heth. Anklängen, s. u. Bibliogr.

Walde-Pokorny I, 34 f.; Pokorny 23; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. I, 159; Frisk, Gr. et. Wb. II, 9579
(ὕδωρ); Chantraine, Dict. ét. gr. 1153 (ὕδωρ); Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 689 (οἴη); Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 60. 848; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 41 f.;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 4; Vasmer, Russ. et. Wb.
II, 258 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 5 (akìs); Holder,
Acelt. Spr. I, 164; Fick II (Kelt.)⁴ 5; Tischler, Heth. et.
Gl. 103 ff. (mit Lit. für und wider den Zusammen-
hang mit heth. eku-/aku- trinken); Kammenhuber,
Thesaurus Lief. 37; Puhvel, Hitt. Et. Dict. III, 268
(beide ablehnend). Brugmann, Grdr.² I, 1 § 675 (S.
608); Leumann, Lat. Laut- u. Formenlehre § 155 b.

S. auch ouwa.

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