anazen [-ts-] sw.v. I ‚anreizen, anspornen, zu
leidenschaftlichem Zorn oder Haß entflam-
men; excitare, inflammare, (ex)hortari, instigare‘
〈Var.: anazz- (nur kaanazze 3. sg. präs. konj.,
Murb. H. 4, 5, 2), anez-, aniz-, anz-; zur Schrei-
bung -z- für die Affrikata s. Braune, Ahd. Gr.¹³
§ 159〉. Das alte Wort wurde im 12. Jh. wohl
nicht mehr verstanden und unter dem Einfluß
von hazzôn zu anahazzote umgebildet (Gl. 1,
699, 69); vgl. auch anahetzari Gl. 1, 699, 73
(Clm. 4606, 12. Jh.), wo 8 Hss. anazari ‚incentor‘
haben (s. Ahd. Wb. I, 430, 459 f.). Das Wort ist
in der mhd. und nhd. Schriftsprache nicht be-
legt, ist aber wohl in österr. änzeln [antßln]
‚verspotten, necken, reizen, ärgern‘ und viel-
leicht änzen ‚mühsam arbeiten, der Geiß den
Schweif drehen, wenn sie nicht gehen will‘ noch
zu erkennen. Vgl. Kranzmayer, Wb. d. bair.
Mdaa. in Österr. I, 265; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 27.
Ahd. Wb. I, 459 f.; Schützeichel³ 7; Starck-Wells 27;
Graff I, 338 f.; Schade 17; Raven, Schw. Verben d.
Ahd. I, 2 f.
Ahd. anazen ist eine Intensivbildung mittels des
germ. Verbalsuffixes *-atjan (→ -azzen) zur
idg. Wz. *an(ǝ)- (**H₂enH₁-) ‚atmen, hauchen‘
in ahd. anado, anto ‚Nacheiferung, Neid, Erre-
gung‘ (s. d.). Zur Bed. vgl. ahd. anazunga = in-
spiratio, instinctus (Ahd. Wb. I, 461).
F. Specht, Voretzsch-Festschrift 36 f.; Seebold, Germ. st.
Verben 78.
Anders Vries, Anord. et. Wb.² 106; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 19 f.; M. Schnieders, Einheimische schw. V. im
Anord. (1938), 12: wie aisl. etia ‚hetzen, treiben‘, at
‚Kampf‘ eine Ableitung von der Präp. az, germ. *at
(→ azgêr). Die von Jóhannesson zum Vergleich her-
angezogenen dt. Mda.formen nassau. atzen, atzeln
‚raufen, streiten‘, schwäb. ätzen ‚verspotten‘ haben
keine sichere Etymologie, aber der Vergleich mit
rhein. atzeln ‚stehlen, zanken‘, pfälz. atzen, atzeln
‚stehlen‘ usw. macht es wahrscheinlich, daß diese
Wörter zu Atzel ‚Elster‘ gehören und nicht hierher.
Vgl. südhess. ‚die atzd wie e Elsder‘ (Maurer-Mulch,
Südhess. Wb. I, 365; vgl. auch Kehrein, Volksspr. u.
Wb. von Nassau 51; Fischer, Schwäb. Wb. I, 351;
Ochs, Bad. Wb. I, 76; Müller, Rhein. Wb. I, 293;
Christmann, Pfälz. Wb. I, 358). Verfehlt Bahder, Ver-
balabstrakta 115 und Anm. 1; Wilmanns, Dt. Gr. II,
§ 83 c (zweifelnd): zur Präp. ana; H. Paul, PBB 7
(1880), 121 Anm. 2: zu *ana-haz.
Vielleicht verwandt ist ae. nettan ‚eilen, zuvor-
kommen‘, denn die gewöhnliche Herleitung
dieses Wortes aus *an-haitjan ist semantisch
fragwürdig (vgl. got. ana-haitan ‚anrufen, schel-
ten‘) und die Form paßt sehr gut zu den ae.
Verben auf -ettan (< *-atjan).
Dagegen zu *an-haitjan: Holthausen, Ae. et. Wb.
241; Bosworth-Toller, AS Dict. Suppl. 668 (im
Hauptband S. 750 noch zu ahd. anazen); Campbell,
OE Gr. § 77 Fn. 2. 241, 2; 372; Sievers-Brunner, Ae.
Gr.³ § 43 Anm. 4. 218 Anm. 1. 229 Anm. 2.