angar¹
Volume I, Column 246
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angar¹ m. a-St. Kornwurm, -käfer, curculio
(Calandra granaria L.) Var.: angur, -or, -er.
Das später offensichtlich nicht mehr verstan-
dene Wort steht fünfmal an der Stelle des (lat.)
Lemmas und wird durch engiring, -ling inter-
pretiert. Einmal, Gl. 2, 672, 62 (11./12. Jh.), be-
gegnet angar, wohl Dimin. auf (vgl. ingeri,
Schweiz. Id. I, 335). Im Mhd. wird anger, dane-
ben enger seit dem 11. Jh. weitgehend durch die
Ableit. engiring, -ling (s.d.d.) verdrängt. Die
heutige hochsprl. Form ist Engerling.

Ahd. Wb. I, 518; Starck-Wells 28; Graff I, 350;
Schade 19; Lexer I, 71. 557; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
163 (curculio); Dt. Wb. III, 480; Kluge²¹ 166.

Für ahd. angar¹ ist keine entsprechende Form
im Asächs. oder in irgend einem anderen germ.
Dialekt bezeugt, mit einer Ausnahme: schwed.
änger m. Made (im Fleisch), das auch schon im
älteren Schwed. (8251520) belegt ist, geschrie-
ben ænger und in seiner Vereinzelung doch
wohl als dt. Lehnwort zu erklären ist; auch die
spezielle Bedeutung teilt das schwed. Wort mit
den Vertretern von ahd. angar¹ in den dt.
Mdaa. von heute (s. u.). Vgl. Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 1440; Östergren, Nusvensk ordb. X
(1972), 423.

Außergerm. bieten sich zahlreiche Anknüpfun-
gen in Form und Sachgehalt. So russ. ugor’
Finne, Pickel, Mitesser, tschech. uher, slovak.
uhor, poln. wgr, wgry pl., bulg. vъgaréc
Made, Larve, sloven. grc Made, Dasselfliege,
Finne
, die alle auf urslav. *ogrъ- zurückführen
und denen im Balt. apreuß. angurgis m. Aal (s.
Toporov, Prusskij jazyk I, 88 f.), lit. ungurs
dss. (< *ang[h](e)ro-? s. E. Hamp, Balti-
stica 6 [1970], 22 ff.) entsprechen sowie Formen
mit -st-Erweiterung wie aksl. goristь, lit. inkstì-
ras m. Pickel, Mitesser; Finne, Trichine, lett.
anksteri pl. Maden, Larven, Engerlinge,
apreuß. anxdris m. Natter (meist in angstirs
emendiert, s. J. Endzelin, Zf.slav.Ph. 18
[1942/43], 114; A. Bezzenberger, BB 2 [1878],
154 f.). Während für die balt.-slav. Vertreter
eine Basis mit -g- sowohl wie mit -gh- ange-
setzt werden kann, beruht ahd. angar¹ auf idg.
*angh- (**Hengh-), das man meist auch für
die lat. Verwandten anguis m. Schlange u. a.
(so Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 48; Kent,
Sounds of Latin³ § 159 III), lit. angìs voraussetzt
sowie für gr. ἔγχελυς (wenn Kreuzung aus
*ang[h]i- und *eghi-, so Boisacq, Dict. ét. gr.
I, 213); noch komplizierter ist die Herleitung
des bei Hesych II, 363 glossierten gr. ἴμβηρις
(ἔγχελυς), das aber auf eine idg. Basis *eng-
zurückweist (s. Solmsen, Beitr. z. gr. Wortf. I,
215; F. de Saussure, MSLP 6 [1889], 78; Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ I, 375; Chantraine, Dict. ét.
gr. 464), wenn man nicht mit G. Bonfante und
H. Bari illyr. Herkunft (inl. -b- < idg. -gh-)
annehmen will (nicht ohne Bedenken referiert
von A. Mayer, Glotta 32 [1953], 67 f.; s. auch
Schwyzer, Gr. Gram. I, 275 f. 300). So hat man
sich vielfach zu der Annahme von zwei ursprl.
verschiedenen, aber schon früh kontaminierten
Wurzeln verstanden mit idg. -g- ( unk) bzw.
-gh- und einer Bedeutung Wurm, Schlange,
von denen die letztere, um ein -r-Formans er-
weitert, also idg. *angh-r-o- (> germ. *angra-),
dem ahd. angar¹ zugrundeliegt.

Vasmer, Russ. et. Wb. III, 172; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 8; Fraenkel, Lit. et. Wb. 185; Mühlenbach-End-
zelin, Lett.-dt. Wb. I, 71; Trautmann, Apreuß. Spr.-
denkm. 300 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 33; Mul-
ler, Aital. Wb. 29 ff.; s. auch Frisk, Gr. et. Wb. I, 439 f.
(ἔγχελυς). 725 (ἴμβηρις); Walde-Pokorny I, 63 ff.;
Pokorny 43 f.

Auch in den Mdaa. lebt das ahd. Wort meist nur in
seinen Ableit. auf -ling und -ing sowie deren mannig-
fachen volksetym. Entstellungen weiter, aber daneben
auch noch als Enger u. ä. besonders im Alem.-
Schwäb., s. Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 719; Martin-Lien-
hart, Wb. d. els. Mdaa. I, 54; Schweiz. Id. I, 335 f.
Doch hat es fast überall, genau wie schwed. änger (s.
o.), vom Schweizer Alpenland bis Schlesien und Ost-
preußen die zusätzliche Bedeutung von Viehzecke,
Larve der Dasselfliege, Wurm zwischen Fell und
Fleisch gewisser Tiere
, vgl. Fischer, Schwäb. Wb. II,
720; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 107; Schatz, Wb. d. ti-
rol. Mdaa. 147; Schöpf, Tirol. Id. 105 f.; Unger-Khull,
Steir. Wortschatz 202 (auch adj. engerig von Blasen
und Geschwüren zerrissen
); Mitzka, Schles. Wb. I,
246; Schambach, Wb. d. ndd. Mda. 56; Frischbier,
Preuß. Wb. I, 174 (Englingsloch).

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