arbeit, arabeit
Band I, Spalte 313
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arbeit, arabeit f. i-St. Var.: are-, ari-; -beid-,
-beith, -peit, -peid, -pait; daneben ar(a)beiti n.
ja-St., nur in Gl. Var.: -peiti, -paiti; außerdem
arbeitî f. īn-St. (nur zweimal in Notker, W.Ps.)
Mühsal, Plage, Mühe, Leid, tribulatio, labor
(selten =
Werk opus). Mhd. heißt es
ar(e)beit, auch är(e)beit f. mit Sekundärumlaut
verursacht durch -ei- der schwächer betonten
Silbe (s. Paul, Mhd. Gr.²⁰ § 116, 1b 1; vgl. E. Sie-
vers, PBB 19 [1894], 551 f.; O. Behaghel, PBB
20 [1895], 344; kritisch dazu E. Schröder, AfdA.
24 [1898], 29). Nhd. Arbeit f. mit Bewahrung
des -ei- unter Nebenton, vielleicht auch, weil
das in seiner Bildung unklare Wort als Zss. be-
handelt wurde (s. u., dazu Wilmanns, Dt. Gr. I
§ 307); die Mdaa. haben meist das zu erwar-
tende -ǝ- in der Schwachtonsilbe.

Ahd. Wb. I, 621 ff.; Schützeichel³ 10; Starck-Wells
33; Graff I, 407 ff.; Schade 24 f.; Lexer I, 88 f.; Be-
necke I, 53 f.; Dt. Wb. I, 538 ff.; Kluge²¹ 28 f. Zum
Sproßvokal s. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 69 b.

Das ahd. Wort hat Entsprechungen in sämtli-
chen germ. Dialekten: as. ar(a)ed, arid f. i-St.,
daneben aredi, aridi, aruithi (Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 108, 12) n. ja-St. Mühsal, Be-
schwerde, Leid
dabei halten sich die Vokale
-e- und -i- der zweiten Silbe ungefähr die
Waage, von den Komp. haben drei -i- (arid-
līko, -lōn, -werk; im Falle von aretsam, ahd. ar-
beitsam, hat M -e-, C -i-; auch ist die Quantität
des -e- noch immer umstritten: J. Schmidt, Idg.
Vokalismus 479 [kurz]; Holthausen, As. El.-
buch² 298 [kurz]; Gallée, As. Gr.² § 322 [lang]);
für das Mndd. wird großenteils (ostfäl., west-
fäl., nndsächs.) arb-, arvēit verzeichnet (s.
Lasch, Mndd. Gr. 122 f.: germ. -ai-, -ei- im Ne-
benton). Andfrk. arbeid, -th, -t m. a-St., f. i-St.,
daneben arvithi n. ja-St. (Helten, Aostndfrk.
Psalmenfrg. 96 [Index]; Gr. § 62 Fn.), mndl. ar-
beit, auch aer-, are-, -beide, -bede m., auch f.,
nndl. arbeid m.; afries. arbēd n.; ae. earfoð(e),
auch earfeðe n., daneben earfoðu f. ō-St. (ursprl.
pl. ja-St.) Mühe, Arbeit, Beschwerde; Leid,
Qual, Plage
. Auch im Skand. gehen verschie-
dene Doppelformen nebeneinander her, so aisl.
erfiði (kaum < *ar-aiđ-ja) n. ja-St. Bemü-
hung, Mühe
, während anorw. außer erfiði auch
die Varianten ærfæði: ærfaði (< *ar-aiđ-ja)
mit und ohne Umlaut gelten und außerdem
ærfuð (< *-đ < *-āđu < *-aiđu, s. Noreen,
Aisl. Gr.⁴ § 151, 5), mit u-Umlaut der Neben-
tonsilbe und analogischem Palatalumlaut der
Stammsilbe; auch aschwed. konkurrieren ær-
viþi und arvoþe; adän. heißt es ærvede: von all
dem erhielten sich bis in die Gegenwart nur isl.
erfiði und aschwed. arfoþe als arvode mit der
Sonderbed. Bezahlung für geleistete Arbeit (s.
A. Noreen, Vårt Språk III, 113); überall sonst
wurden die einheimischen skand. Formen
durch Entlehnungen aus dem Mndd. verdrängt,
daher nnorw. arbeid(e), ndän. arbejde, nschwed.
arbete. Für das Gotische ist arbaiþs f. i-St. (mit
-đ-, allerdings gegen Thurneysens Regel zum
Wechsel von stimmhaften und stimmlosen Spi-
ranten) = g. κόπος Arbeit, Drangsal mehrfach
bezeugt.

Aus dieser Übersicht erhellt, wie auch aus meh-
reren gründlichen Untersuchungen, daß in ahd.
Zeit, bestärkt durch die Geisteshaltung christli-
cher Schriften (man vgl. nur etwa Genesis 3, 17
oder Psalm 90, 10 Mühe und Arbeit), die Bed.
von ahd. arbeit vorwiegend (etwa ) passiv
war im Sinne von Mühsal, Leiden, Erdulden,
tribulatio
und synonym mit nôt oder pîn (bes.
bei Notker) und daß erst gegen Ende des Mit-
telalters und mit Luther die positive Bewertung
menschlicher Tätigkeit und Leistung dem
Worte seinen neuzeitlichen Sinn verlieh. Vgl.
dazu H. Geist, Arbeit: die Entscheidung eines
Wortwertes durch Luther
, Luther-Jb. 13
(1931), 83 ff.; G. Schneidewind, PBB 79 (Son-
derband, Halle, 1957), 443 ff.; PBB 81 (Halle,
1959), 174 ff.

Fick III (Germ.)⁴ 19; Holthausen, As. Wb. 4. 17;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 33 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 32 f.;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 117 f.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 122 f.; Verdam, Mndl. handwb.
43; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 20; Vries, Ndls. et. wb.
19; Holthausen, Afries. Wb. 4; Richthofen, Afries.
Wb. 607; Holthausen, Ae. et. Wb. 85; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 232 f.; Suppl. 171; Vries, Anord. et. Wb.²
103 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 90; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 51; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
31. 1432; Torp, Nynorsk et. ordb. 6; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 28. 34 f.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 55.

Die zu erschließende germ. Stammform *ar-
weist auf eine idg. Basis *orbh- (: *bh-) zurück,
die in fast allen idg. Sprachen vertreten ist:
aind. árbha- klein, jung, schwach (skeptisch
dazu A. Meillet, tudes sur l’ét. du v. slave 226 f.;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 220); arm.
orb, gen.sg. orboy Waise und arbaneak (mit a-
< o- im vortonigen Anlaut, Hübschmann, Arm.
Gr. I, 423) Diener, Gehilfe, Mitarbeiter; gr.
ὀρφο-βόται Hesych II, 780 Z. 61 = ἐπίτροποι
ὀρφανῶν Waisenvormünder, ὀρφανός ver-
waist
; lat. orbus adj. einer Sache oder Person
beraubt
, in der Bed. verwaist später durch or-
phanus ersetzt; im Slav. entspricht mit Liquida-
metathese (s. Torbjörnsson, Gemeinslav.
Liq.metathese I, 59) eine Stammform robo-,
rabo- (< *orbo-) in aksl. robъ, rabъ = δοῦλος
Knecht, russ. rab, tschech. rob, serbo-kroat.
rȍb sowie in den Ableit. aksl. rabota = δουλεία
Knechtschaft, russ. rabóta, poln. sloven., auch
tschech. robota Arbeit, früher Fronarbeit (das
als robât[e] mit gleicher Bed. ins Mhd., bes.
Bair. entlehnt wurde, s. Lexer, Mhd. Handwb.
II, 478; vgl. auch nhd. Robot[er]; zum selben
Stamm wohl auch russ. rebënok Kind (s. H.
Pedersen, Zfvgl. Spr. 38 [1902/03], 313; Mik-
kola, Ursl. Gr. I, 89 f.). Im Balt. ist am wahr-
scheinlichsten urverwandt lit. irbùs (< *bh-)
wirtschaftlich, haushälterisch, während die
von A. Bezzenberger (BB 27 [1902], 150) ver-
mutete Zugehörigkeit von preuß.-lit. apsirúobti
(-ruõbti?) die häuslichen Arbeiten verrichten
umstritten ist (s. Fraenkel, Lit. et. Wb. 186).
Unsicher bleibt auch Zus.hang mit heth. arp-zi
ab-, aussondern oder arpas Ungunst, Mißer-
folg
. Keltisch und Germ. bilden insofern einen
Sonderfall, als sie nicht nur die idg. adj. Basis
*orbho- aufgegeben und dafür die idg. subst.
Basis mit i-Erweiterung der idg. Basis *orbh-
gemeinsam haben, sondern auch die Eigenbe-
deutung Waisen-, Erbgut: air. orb(b)e, orpe m.
n. hereditas, gall. PN Orbius und ahd. erbi n.
das Erbe (< *arija-) sowie erbio der Erbe
(< *arijan-), was eine semantische Beein-
flussung des Germ. durch das Kelt. nicht un-
wahrscheinlich macht. Aber auch die urspr.
Bed. von germ. *ar- dürfte verwaist, verlas-
sen
gewesen sein, erbi, erbio, arm.

Walde-Pokorny I, 183 f.; Pokorny 782; Mayrhofer,
K. et. Wb. d. Aind. I, 52; Hübschmann, Arm. Gr. I,
423 (arbaneak). 482 (orb); Frisk, Gr. et. Wb. II, 431;
III, 111; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 719; Chantraine, Dict.
ét. gr. 829; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 219 f.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 466 f.; Vasmer, Russ. et.
Wb. II, 479 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 12; Fraen-
kel, Lit. et. Wb. 186; Tischler, Heth. et. Gl. 179 f. 65;
Friedrich, Heth. Wb. 58 f. 32; Vendryes, Lex. ét. de
l’irl. anc. O27 f.; Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. II,
513 f.

Während so die Stammsilbe des ahd. Wortes
fast im gesamten Idg. seine formalen Entspre-
chungen findet, bleibt die aufs Germ. be-
schränkte Erweiterung ahd. -eit-, auch -it-(?),
germ. *-aiđ-/*iđ- weiterhin unerklärt. Ja, Joh.
Schmidt, Idg. Vokalismus II, 144. 478 f., lehnte
den Ansatz von germ. *-aiđ- ab, weil in der un-
betonten Silbe daraus ahd. *(arb-)êt hätte wer-
den müssen und schlug statt dessen frühe -i-
Epenthese, etwa *arbaithi- < *arbathi, vor,
eine für das Germ. sonst nicht bezeugte Laut-
entwicklung. Andererseits bestand E. Sievers
(PBB 19 [1894], 550 f.) in seiner Kontroverse
mit R. Koegel (AfdA. 19 [1893], 239) darauf,
daß die ahd. Form giarbitite nom.pl. part.prät.
Tatian 67,9 (vgl. Luthers mühselig [und bela-
den]
) ein Schreibfehler sei und daß, obwohl er
selbst die abstrakte Möglichkeit einer Suffix-
abstufung erwogen habe
, er diese für unwahr-
scheinlich halte, da sich bisher auf dt. Boden
ein sicherer Zeuge dafür nicht gefunden habe
.
Dabei machte er Koegel den Vorwurf, die ein-
zige vielleicht wirklich beweisende Form, näm-
lich anord. erfiði und Verwandte beiseite gelas-
sen zu haben
, indes, auch Sievers ging nicht
näher auf diese ein. Kein Wunder, daß sich
Brugmanns gewagte Konstruktion, durch t-Er-
weiterung eines (sonst nirgends belegten)
Präs.stammes *ar-ēi-ō bin Verwaister (oder
Knecht)
(IF 19 [1906], 384 f.) sei ein Verbalab-
straktum germ. *ar-ai-đi-z zustandegekom-
men, in vielen Handbüchern bis heute gehalten
hat (s. Brugmann, K. vgl. Gr. 259. 349; Grdr.²
II, 1, 290. 436).

Jedoch, wie oben dargetan, zwingt gerade die skand.
Überlieferung zum Ansatz zweier durch Vokalabstu-
fung differenzierter Varianten, *ar-iđ- neben *ar-
aiđ-. Und selbst auf kontinentalgerm. Boden wird
man in Anbetracht der zahlreichen Belege mit kur-
zem -i- im Asächs. und Andfränk. (sowie Tatian?) ge-
neigt sein, das Nebeneinander von Formen mit -ei-
und -i- als Spuren von (vielleicht sekundärer) Ab-
lautsvariation zu akzeptieren. Auch ließen sich Joh.
Schmidts einstige Bedenken wegen des Diphthongs
-ei- (statt -ē-) in der zweiten Silbe von ahd. arbeit
wohl unter Hinweis auf einen starken Nebenton ent-
kräften, der ja selbst im Mndd. auf weite Strecken
den Diphthong der zweiten Silbe bewahrt hat (s. o.)
und ähnlich auch in vielen mit -heim zusammenge-
setzten alten und neuen Namensformen wie etwa
Bercheim (s. Franck, Afrk. Gr. § 31, 3). Das erbrächte
zugleich ein weiteres positives Moment für die hin
und wieder geäußerte Meinung, daß in dem zweiten
Wortteil von arbeit ein ursprl. selbständiges Substan-
tiv verbaut sein könnte (so R. Meringer, IF 17
[1904/05], 128 und Kluge, Et. Wb.⁷ und die folg.
Aufl.). Dabei wäre etwa an germ. *aiđ-/iđ- von der
Wz. *e gehen zu denken, die in zahlreichen germ.
und außergerm. Bildungen erscheint: anord. eið, auch
eiði n. (< *odh[i]o- oder *ot[i]ó-) (Strecke zum)
Gehen
, vielleicht auch got. aiþs, langob. aidos, ahd.
eid (s. d.) usw., wenngleich für diesen rechtlichen
Ausdruck mit dem Umweg eines idg. *ótos übers
Kelt. zu rechnen ist: eigtl. Eid- oder Rechts-Gang,
vgl. gr. οἶτος Gang (des Schicksals). Dazu mit
Schwundstufe und gelegentlichem Bed.wandel zu
(Ans-)Werk (-Gehen), Tätigkeit: anord. ið f., neu-
skand. id Verrichtung, Arbeit, ahd. freidi (s. d.)
Flüchtling (wenn < *fra-iþ-ja < *pro-it-o-) sowie
außergerm.: aind. ití- f., lat. itus Gang (ex-, initium)
und endlich mit -dh-Erweiterung in gr. ἰσϑμός (wohl
< *idh-dhmós) (schmaler) Zugang (vgl. Pokorny
293 ff.).

Darüber hinaus bringt das Anord. eine auch im Laut-
lichen schlagende Parallele für die hier nur angedeu-
tete Etymologie: anord. forað verderbenbringender
Ort
geht zurück auf *for-āđa- (< *-aiđan) gefährli-
che Passage
, pl. forð auf *for-āđu (< *-aiđu), s. A.
Kock, Ark. f. nord. fil. 14 (1898), 263 f.; Noreen, Aisl.
Gr.⁴ § 54, 3 b. 151, 1, 5.

Falls sich diese Analyse von ahd. arbeit trotz man-
cher hier nicht eigens erörterter Bedenken ernst-
lich vertreten läßt, so wäre für die germ. Grundform
*ar-aiđ/-iđ- etwa eine Bedeutung verwaistes (Er)Ge-
hen
anzusetzen und im Hinblick auf den Bed.wandel
von anord. ið (s. o.) ließe sich eine Entwicklung über
Waisentätigkeit, Waisenwerk zu Mühsal, Mühe,
Not
durchaus denken, vergleichbar dem semanti-
schen Verhältnis von gr. πένομαι arm sein zu πόνος
Mühsal (Walde-Pokorny II, 66).

Wie dem auch sei, jedenfalls gibt es keine Berechti-
gung, durch Anschluß an die Wz. *ar- pflügen auch
den ursprl. Sinn von ahd. arbeit in Pflüge- oder
Landarbeit
zu erblicken (so Grienberger, Unters. z.
got. Wortkunde 27; auch R. Meringer, IF 17
[1904/05], 128; kritisch C. C. Uhlenbeck, PBB 27
[1902], 115 f.). Abwegig sind auch alle Versuche,
mdartl. Verbalformen wie schweiz. arbǝn, nassauisch
erwǝn u. ä. zur Analyse der germ. Grundform heran-
zuziehen, da sie sich ohne Ausnahme als Neuschöp-
fungen entpuppen.

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