*arah m. a- (oder f. i-?)St.: zweimal in den
Gl. bezeugt, arche nom.pl. 3, 217, 45 (12.—14.
Jh., allem. fränk.?), archo nom.pl. 3, 165, 46 (5
Hss. 12./13. Jh., obd. fränk.) ‚die (beiden)
Stricke, zwischen denen ein großes Netz zum
Fisch- oder Wildfang befestigt und ausge-
spannt wird, plagae‘. Darüber hinaus ist das
Simplex in den (meist literarisch orientierten)
mhd. Wbb. nicht belegt, ungleich häufiger das
Part. Prät. der Verbalableit. arahôn ‚kunstvoll
weben‘ sowie arahri ‚Kunstweber‘ und das
Komp. arahlachan ‚kunstvoll gewebte Decke‘
(s.d.d.). In der dt. Hochsprache der Gegenwart
findet sich von alledem keine Spur.
Ahd. Wb. I, 616; Starck-Wells 32; Graff I, 460. 467.
Auch die anderen germ. Sprachen haben nichts
Verwandtes aufzuweisen. Um so eindrucksvol-
ler ist das Zeugnis der obd. Dialekte: für das
Alem. s. Schweiz. Id. I, 338 f. äre m., äri f. (1)
‚das obere und untere Ende eines Fischernetzes,
wo das Garn an den Stricken befestigt wird‘;
(2) ‚die zwei Seile, zwischen welchen ein großes
Netz befestigt wird‘; ähnlich Ochs, Bad. Wb. I,
69 f. s. v. Ar², Äre f., Arche⁴, dazu Ober- und
Unterähre, -arch etc.; Martin-Lienhart, Wb. d.
els. Mdaa. I, 60 (das Är); Fischer, Schwäb. Wb.
I, 306 f. (Arche f.); Jutz, Vorarlb. Wb. I, 127
(Äre f.); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 138 (s. v.
Arch: die Archen; plaga = ‚ein ärch am nöcz‘;
nodose plage pl. ‚khnöpffige ärch‘); Kranz-
mayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 325
(Arhe etc.); Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 28; Un-
ger-Khull, Steir. Wortschatz 27. 203 (Ercken
‚Flechtwerk zum Fischfang‘); vor allem M. Hö-
fer, Et. Wb. d. in Österr. üblichen Mda. (Linz,
1815), 40 f. (Ār n., Arche f.) sowie Oberösterr.
Weistümer, II. Teil (Wien, 1870 ff.) 365: die Är-
chen (a. 1588).
Die mdartl. Varianten zeigen, daß es sich um
ein Wort mit germ. -h- handelt, das zwischen
Vokalen oder nach Liquida entweder wie im
Nhd. verstummt (vgl. mhd. merhe > nhd.
Mähre) oder, wie bes. im Obd., als velarer Rei-
belaut fortbesteht und so mit dem aus germ. -k-
verschobenen [χ] zusammenfällt, daher Ār,
Ähre (mit analogischem Umlaut) neben Arch,
Arche (s. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 154 Anm. 3 und
Wilmanns, Dt. Gr. I § 90); in jedem Fall resul-
tieren Homonyme, so daß sich Ähre, Ār und
Arch(e) (auch ‚Vorrichtung zum Fischfang‘) im
Sinne von ‚Besatz eines Fischnetzes‘ nur im
engsten Fachwortschatz behaupten konnten.
An außergerm. Verwandten bietet sich für
germ. *arh- (< idg. *ark- oder *arǝk- [**H₂erk-
oder **H₂erHk-]) — das zweite -a- in arah ist
Sekundärvokal — in erster Linie gr. ἀράχνη
‚Spinne, Spinnengewebe‘ (< idg. *arǝk-snā);
dem stellt man lat. arāneus ‚Spinne‘, arānea
‚Spinngewebe‘ zur Seite, beides ursprl. Adj.ab-
leit. aus *arǝk-snei̯-os (s. E. Fraenkel, Glotta 4
[1913], 46) und auf eine idg. Wz. *ar-, *arǝ-
(**H₂er[H]-) mit k-Erweiterung im Sinne von
‚flechten, spinnen, weben‘ zurückzuführen.
(Wenn die lat. Formen aus dem Griech. ent-
lehnt wären, wie R. Thurneysen wollte, Gött.
Gel. Anz. 1907, 802, so würde man lat. *arac/
gneus, -a erwarten, Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 61: Leumann, Lat. Laut- u. Formenlehre
§ 165.)
Walde-Pokorny
Zfvgl.Spr. 13 (1864), 398; Frisk, Gr. et. Wb. I, 129 f.;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 79; Chantraine, Dict. ét. gr. 102;
s. auch Benveniste, Origines 101; A. Walde, Zfvgl.Spr.
34 (1897), 478.
Es liegt nahe, an eine Basis *ar+k- auch gr. ἄρ-
κυς ‚Netz‘ (sowie ἄρκυον, ἄρκυλον ‚dss.‘), au-
ßerdem ἀρκάνη ‚Holz, woran die Fäden des
Aufzugs beim Weben befestigt sind‘, anzu-
schließen und, mit E. Lidén, IF 18 (1905/6),
507 f., darüber hinaus die nach ihrer Flechtbar-
keit benannten Gewächse wie gr. ἄρκευϑος
‚Wacholder‘, urslav. *orkyta und davon mit Li-
quidametathese tschech. rokyta ‚Palmweide‘,
russ. rakíta ‚Bruchweide‘, weiterhin lett. ẽrcis
‚Wacholder‘ u. a. Skeptisch dazu Frisk, Gr. et.
Wb. I, 142.
Vasmer, Russ. et. Wb. II, 488; Miklosich, Et. Wb. d.
slav. Spr. 226; Mikkola, Urslav. Gr. III, 32; Mühlen-
bach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 574.
Dagegen erscheint zweifelhaft, nach Form und Bed.,
ob auch lat. arcus ‚Bogen‘ (dazu arqui-tenēns u. a.)
sich hier einreihen läßt, solange das Wort auf idg.
*arku̯- mit Labiovelar zurückgeführt und mit germ.
*arhwō- (vgl. got. arƕazna ‚Pfeil‘, anord. ǫr[r], Gen.
ǫrvar ‚dss.‘) zusammengestellt wird. Skeptisch dazu
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 64, so schon Walde-
Pokorny I, 81. — Ganz abzulehnen ist sicher der zu-
weilen versuchte Anschluß an den aind. Pflanzenna-
men arkáḥ ‚Calotropis gigantea‘, für den wegen seiner
nicht-idg. Verwandten drawid. Entlehnung wahr-
scheinlich gemacht worden ist (s. T. Burrow, TAPA
1946, 16 und Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 50). —
Ebensowenig gehört auch das immer noch dunkle a-
nord. arsalr, -sali (auch ár-) ‚Bettumhang‘ hierher:
über seine nicht-nord. Herkunft scheint man sich ei-
nig, so wenig überzeugend die vorgeschlagenen aus-
ländischen Möglichkeiten sind: < *adrevats-sagulum
‚Stoff aus Arras (Atrebates)‘, A. Bugge, Vesterlandenes
indflydelse paa nordboernes ydre kultur (Kristiania,
1905), 156; < *afrz. (d)orsal, dossal ‚Rückendecke‘,
Hj. Falk, Maal og Minne 1916, 22—31; vgl. auch Fi-
scher, Lehnw. d. Awestnord. 77; W. Mohr, ZfdA. 75
(1938), 238 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 15.