aran
Band I, Spalte 304
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aranAWB m. i- (oder a-?)St. Ernte, messis, zwei-
mal als aren akk.sg., einmal als arin nom.sg. be-
legt, sämtliche 11. Jh., bair.; außerdem noch die
zwei wesentlich früher bezeugten Zss. aranman
Erntearbeiter (Anf. 9. Jh.) und aranskarti (8.
Jh.), s. d. d. Daneben begegnet aber auch ahd.
arn²AWB als f. i-St. (zweimal zi arni im Tatian, 9. Jh.)
mit derselben Bed. Da im Mhd. unbet. e nach
r synkopiert wird, fallen ahd. aran m. und arn²
f. in der Folgezeit zusammen, wobei neben dem
Fem. auch das Mask. und gelegentlich ein
Neutr. sich durchsetzen. Dazu kommt, daß in
Analogie zu dem meistgebrauchten dat.sg.f. (s.
o.) ein mhd. nom.sg. ärne, erne mit Sekundär-
umlaut gebildet wird (Paul, Mhd. Gr.²⁰ § 18
Anm. 2, 1); ja, selbst Formen mit zusätzlichem
Dental tauchen schon auf wie ernde, -garbe,
-huon (und ähnlich mndd. arnde). Im
Frühnhd. gelten nebeneinander ern, ernd (Da-
sypodius), ernde, erndte (Luther); die nhd.
Form Ernte (mit -t-) wird zum ersten Mal bei
Adelung (Ende des 18. Jh.s) registriert. So ist in
der tatsächlichen Überlieferungsgeschichte des
Wortes wenig Anhalt für die vielberufene
These, nhd. Ernte gehe auf einen ahd. pl. *ar-
nôti zurück: die noch lange durch Nebenton
geschützte Ableit.silbe -ôt- läßt sich lautlich
nicht mit mhd. ernd(e) vereinbaren, ganz abge-
sehen davon, daß in der gesamten mittelalterli-
chen Überlieferung des Wortes sich so gut wie
keine Pluralform nachweisen läßt. Demnach
wird man den zusätzlichen Dental (der in
mdartl. Entsprechungen meist heute noch fehlt,
s. u.) der nicht seltenen -d- oder -t-Epithese
nach ausl. -n (wie in niemand) oder nach ausl.
-rn (wie in mhd. zwir[e]nt, Ahd. Gl. 3, 411, 78,
oder mdartl. zwirnd für Zwirn) zugutehalten
müssen; einzig der Ersatz von ausl. -d durch -t
mag durch konkurrierende Varianten der
Volkssprache, wie schweiz. ernǝt (< ahd. arnôt,
s. d.) u. a. befördert worden sein.

Ahd. Wb. I, 618. 658; Schützeichel³ 10 f.; Starck-
Wells 34 (arn); Graff I, 479 f.; Schade 24. 32 (s. v.
asans); Lexer I, 96 (arn); 658 (ern[e]); Benecke I, 62;
Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 69; Dt. Wb. III, 928 f.; Kluge²¹
173.

Die ahd. Formen haben Verwandte in fast allen
germ. Dialekten: mndd. ārne, ērne, arnde, auch
ārn, ērn f. n. Ernte, -zeit, -ertrag; mndl. arn,
arne; afries. ern, auch erne, arne, arn; ae. hat
nur das sw.v. earnian verdienen (< *arnōjan,
s. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 411 Anm. 4), me.
ernen, auch ernien, earnen, arnen, ne. earn; got.
asans f. Ernte(zeit). Problematisch ist anord.
nn, da in dieser Wortform zwei ursprl. ver-
schiedene Bildungen zusammengefallen sind,
die eine < urg. *anþō Mühe, Arbeit, von der
Wz. *an(ǝ)- atmen, hauchen ( anado), die
andere < urg. *aznō (Feld)Arbeit im Herbst,
Ernte
, von der Wz. *es-en, *os-en Erntezeit;
es ist anzunehmen, daß sie sich semantisch ge-
genseitig beeinflußt haben (aber vgl. Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 19 s. v. and²). Umstritten bleibt
auch noch immer der Name des finn. Schatzdä-
mons Aarnio als eine mögliche Entlehnung von
germ. *aRni[đ]ō, s. T. E. Karsten, APS 5
(1930/31), 203 ff.

Fick III (Germ.)⁴ 22; Holthausen, As. Wb. 3; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 123. 600; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 128; Verdam, Mndl. handwb.
45; Holthausen, Afries. Wb. 21; Richthofen, Afries.
Wb. 608 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 86 (earnian);
Vries, Anord. et. Wb.² 687 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
79 (nn f.); Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 358;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 6; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 19 f.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 58 f.; vgl. auch
O. Schwabe, JEGP 17 (1918), 588.

Diese Übersicht spricht für eine germ. Grund-
form auf -ni (s. Kluge, Nom. Stammbildung³
§ 147 Anm.), *asani-, und mit Endbetonung,
nach Verners Gesetz, *azani-, woraus sich got.
asans bzw. westgerm. *arani- ergaben. Gerade
der Mittelvokal -a- von got. asans ist es, der be-
weist, daß es sich hier nicht um einen erst nach-
träglich entwickelten Sproßvokal, sondern um
den germ. Reflex einer idg. Vorstufe -o- han-
delt; auch die ahd. Abkömmlinge von west-
germ. *arani- haben ohne Ausnahme den Mit-
telvokal bewahrt, als a oder i, selbst Notker hat
das bei ihm entsprechende e (s. Schatz, Ahd.
Gr. § 119; Kluge, a.a.O. § 147 Anm.).

Andererseits fehlt es nicht an überlieferten For-
men, die einen Ansatz von idg. *osn-/*esn- po-
stulieren, wie etwa ahd. asni, asneri (s.d. und
vgl. got. asneis), oder, mit sth. -z- > -r-, das
ahd. fem. arn, stets ohne Zwischenvokal, Ver-
balableitungen wie ahd. arnên, -ôn (s. d.) (vgl.
ae. earnian, s. o.) und vor allem die nordgerm.
Entsprechungen, die sich aus älterem *aznō
entwickelt haben.

Außergerm. Anschluß bietet vor allem das Sla-
visch-Baltische mit serb.-ksl. jesenь (< *esen)
Herbst, serbo-kroat. jȅsēn, russ. osen’, ukr.
ósinь, poln. jesie sowie apreuß. assanis (mit der
ursprl. Bed. anstrengende Feldarbeit, Einern-
ten, Herbst
; heute nicht mehr als got. Lehn-
wort aufgefaßt, s. Stang, Lexik. Sonderübereinst.
zw. Slav., Balt. u. Germ. 25. 73 f.), wohl auch
das Griech., wenn W. Schulzes scharfsinnige
Analyse von gr. ὀπώρᾱ (lakonisch ὀπρᾱ) als
*ὀπ- spät + *-ο(σ)άρᾱ Erntezeit, also etwa
= Nachsommer mit dem Ansatz einer hetero-
klitischen idg. -r-/-n-Basis zu recht besteht
(Quaest. epicae 475; ähnlich schon G. F. Unger,
Philologus 44 [1885], 648 Fn. 22). Zusammen-
hang mit mir. ēorna Gerste (< *esor-n-ā)
wird von J. Pokorny, allerdings nicht ohne Be-
denken, erwogen (Zfcelt.Phil. 17 [1927], 306),
während das wiederholt herangezogene arm.
aun Herbst (< *asskiōn) (I. Scheftelowitz, Ja-
cobi-Festgabe 25) nach Hübschmann auszu-
scheiden hat (Arm. Gr. 433), desgleichen lat. an-
nōna (< *asno-nā oder *ann-osnā!) Jahreser-
trag, Getreidepreis
, s. Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 50. (Auch irgendwelche Verknüpfung
der erschlossenen zweisilbigen Basis mit einer
idg. Wz., etwa *s- heiß, trocken sein hat
große Bedenken; völlig abwegig W. Prellwitz,
Glotta 19 [1930], 92).

Walde-Pokorny I, 3. 161 f.; Pokorny 343; Benveniste,
Origines 19; Berneker, Slav. et. Wb. I, 265; Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 281; Meillet, tudes sur l’ét. du v.
slave 432; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 71; ders.,
Apreuß. Spr.denkm. 304; Frisk, Gr. et. Wb. II, 408;
Chantraine, Dict. ét. gr. 813.

Die dt. Mdaa. von heute, soweit nicht Syn-
onyma wie Schnitt im Südbair. oder Au(g)st (=
nndl. oogst) im Rheinland sich breitgemacht ha-
ben, schwanken vielfach zwischen Formen mit
und ohne Umlaut, mit und ohne ausl. Dental
(der aber unter hochsprl. Einfluß an Boden ge-
winnt); das gram. Geschlecht ist neben vorwie-
gendem Fem. doch auch oft Mask., ja Neutr.:
Schweiz. Id. I, 462 (ern m.); Ochs, Bad. Wb. I,
706 (rn f., wird verdrängt durch rnd); Kranz-
mayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 346
(Ärn[t] mit Sekundärumlaut f., auch m. n.);
Müller, Rhein. Wb. I, 255 (s. v. Arn: [rǝ, r, ān,
ār etc.]); Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 341
(Arn, Erne, bedroht durch hd. Ernte); Vilmar,
Id. von Kurhessen, 94 (der Ern ); Westf. Wb. I,
264 (Arne, Arnt mit ausführl. Erörterung der
Wortentwicklung).

S. auch asneri, asni.

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