bîzan
Band II, Spalte 143
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bîzan st. v. I beißen, benagen, stechen (von
Insekten), schmerzen, quälen, peinigen, ansta-
cheln, mordere, attondere, rodere, comedere

präs. bîz(z)-, pîz(z)-; prät. beiz, peiz; -biz-
zum, pizzum; part. prät. gipizzan, -bizzan.
Mhd. bîzen, nhd. beißen.

Ahd. Wb. I, 1158 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 73; Schütz-
eichel⁴ 77; Starck-Wells 62; Graff III, 228 f.; Schade
72; Lexer I, 293; Benecke I, 192; Dt. Wb. I, 1399;
Kluge²¹ 63; Kluge²² 72; Pfeifer, Et. Wb. 146. Zur
Lautgeographie von nhd. beißen s. Dt. Sprachatlas
Karte 6. 31.

Das ahd. Wort hat lautgerechte Verwandte in
sämtlichen germ. Dialekten: as. bītan, mndd. bī-
ten; mndl. bīten, nndl. bijten; afries. bīta,
nfries. bīten; ae. bītan beißen, reißen, schnei-
den, verwunden
, me. bīten, ne. bite; aisl. bíta
beißen, schneiden, kreuzen (vom Schiff), ver-
derben
, nnorw. nschwed. bīta, ndän. bide; got.
beitan.

Seebold, Germ. st. Verben 96 ff.; Fick III (Germ.)⁴
270; Holthausen, As. Wb. 8; Sehrt, Wb. z. Hel.² 54;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 286; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 345 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 100; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 65 f.; Vries,
Ndls. et. wb. 58 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 9; Richt-
hofen, Afries. Wb. 648; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. 173 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 24; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 105; Suppl. 95; Suppl. II, 11;
ME Dict. AB, 917; OED² II, 228; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 97; Vries, Anord. et. Wb.² 38; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 602; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 17;
Torp, Nynorsk et. ordb. 25; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 44; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 87; Lehmann,
Gothic Et. Dict. B-41.

Die germ. Belege ergeben urgerm. Grundformen
wie *īt- : *ait- : *it-, die auf idg. *bhed- :
*bhod- : *bhd- spalten zurückzuführen und
vor allem im Aind., Airan., Griech., Lat. und
wohl auch Kelt. vertreten sind:

Aind. (mit Nasalinfix wie lat., aber athematisch)
bhinátti spaltet, zerschlägt, durchsticht, bricht
ein
, 1. sg. bhinádmi, 3. pl. bhindánti (vgl. lat.
findunt), perf. bibhéda, part. prät. bhinná- (mit
-nn- < -dn-, s. Thumb, Handb. d. Sanskrit
§ 120. 620; daneben mit t-Suffix *bhittó- und
Ableit. = lat. fissus gespalten); dazu das Mor-
phem -bhid- (in Zss.) zermalmend, zerbre-
chend
. Auch im Avest. erscheint -bid- in Zss.,
etwa in astōbid- wobei ein Knochen gebrochen
oder geschädigt wird
.

Im Griech. ist das mediale φείδομαι (mit redupl.
Aorist homer. πεφιδέσθαι) (ver)schonen, (sich
ab)sparen, (womit) sparsam umgehen, knau-
sern
zweifellos verwandt sowie eine ganze An-
zahl damit zs.hängender Bildungen, aber die
spezielle Bedeutung scheint doch noch immer
nicht befriedigend geklärt: entweder = sich
(für seinen Teil) ausschließen
(s. Prellwitz, Et.
Wb. d. gr. Spr.² 484 f.; Brugmann, Grdr.² II, 3,
118; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 235), oder
mit größerer Wahrscheinlichkeit, = sich (et-
was) abzwacken, verkneifen
, s. Walde-Pokorny
II, 138; Pokorny 116; P. Persson, IF 35 (1915),
214 f.: vergleichbar slov. edljìv adj. sparsam,
knauserig, abzwackend
zur Wz. *sk(h)ed- spal-
ten
(Walde-Pokorny II, 558 f.).

Oder aber, und wohl am wenigsten einleuchtend,
nimmt man seine Zuflucht zu einer anderen Wz.,
*bhā- : *bhǝ- sich fürchten, scheuen, so A. Fick,
Zfvgl.Spr. 41 (1907), 201; ähnlich F. A. Wood, Class.
Phil. 3 (1908), 79 (zur Wz. *bhe- shrink, fear, Wal-
de-Pokorny II, 124 f.). Feist a. a. O. schließt Ver-
wandtschaft von gr. φείδομαι zu Unrecht aus; auch
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1019 scheint verfehlt.

Klarer, auch unter semantischen Gesichtspunk-
ten, liegen die Zs.hänge mit dem Lat.: findit er
spaltet
(prät. fidī) mit präs. Nasalinfix und the-
matisch wie Pāli bhindati; die thematischen For-
men mögen schon ursprünglich sein (s. Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 500 f.; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 501), oder der Wandel vom
Athematischen zum Thematischen ging von den
Pluralformen aus (lat. findunt, aind. bhindánti),
s. Brugmann, Grdr.² II, 3, 277. 279.

Umstritten sind frühere Versuche, die Wz. *bhid-
auch im Kelt. wiederzufinden, und zwar verbaut in ei-
nem substant. part. prät. air. bibdu damnatus, reus,
Schuldiger
, akymr. bibid, mbret. beuez, für das eine
Grundform *bhibhidwōt- einer, der geschädigt hat
angesetzt zu werden pflegte (s. Pedersen, Vgl. Gr. d.
kelt. Spr. I § 334; Thurneysen, Gr. of OIr. § 203; Ven-
dryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B-49 (unsicher); ablehnend
Walde-Pokorny II, 139; Pokorny 112, die statt dessen
auf die Basis *bha-d- verweisen); agabûz.

Wie die Übersicht zeigt, hat die semantische
Einengung des Wortes in der Hauptsache auf
das Beißen mit den Zähnen nur im Germ.
stattgefunden, während in den übrigen idg.
Sprachen eher die Tendenz zur Verallgemeine-
rung sich bemerkbar macht. Kaum je mit Sicher-
heit zu beantworten bleibt wohl die Frage, ob
die hier zugrundegelegte Wz. *bhe-d- durch
Dentalerweiterung aus *bhe- schlagen (Po-
korny 117 *bhei[ǝ]-, bhī-) entstanden ist; Pers-
son, Stud. z. Wurzelerw. 178; Seebold a. a. O. 98
sowie H. Osthoff, Verhandlungen d. 41. Ver-
sammlung dt. Schulmänner 303 haben sich dafür
ausgesprochen, Walde-Pokorny II, 139, Po-
korny 117 und Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I,
501. 504 sprechen nur von einer Möglichkeit.

Walde-Pokorny II, 138; Pokorny 116; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 500 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar.
II, 273 f.; Uhlenbeck, K. et. Wb. d. aind. Spr. 201;
Bartholomae, Airan. Wb. 214; Frisk, Gr. et. Wb. II,
999 f.; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1019; Chantraine, Dict.
ét. gr. 1185; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 500 f.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 235.

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