bra f. ō- (oder n-)St. ‚(kleiner) Rundschild
(zum Auffangen der Pfeile), parma‘, nur einmal
Gl. 2, 22, 18 (Clm. 19440, bair., 10./11. Jh.) be-
zeugt, und zwar in einem Zusammenhang, da
mehrere solcher Schilde beim Kampf zwischen
Tugenden und Lastern in übertragenem Sinne
ein ‚Schilddach‘ bilden: testudo parmarum: ahd.
parono ist Gl. zu Aldhelms De Virginitate, hrsg.
von J. A. Giles, v. 2466. — Das Wort ist mhd.
und nhd. nicht mehr zu belegen; vgl. Schultz,
Das höfische Leben² II, 88.
Ahd. Wb. I, 811; Starck-Wells 42; Graff III, 150;
Köbler, Lat.-germanist. Lex. 300 (parma).
Ahd. bara in der speziellen Bed. von ‚Rund-
schild‘ hat in allen anderen germ. Dialekten
kein Gegenstück; auch außergerm. ist ihm
nichts formal oder begrifflich Entsprechendes
an die Seite zu stellen.
Und doch verzeichnen die Handbücher, jedenfalls
seit Fick III (Germ.)⁴ 261 (1909) und Prellwitz, Et.
Wb. d. gr. Spr.² (1905), eine germ. Grundform *barō
f. oder auch ahd. para/bara mit den Bedeutungen
‚Balken, Schranken, eingehegtes Land‘; dazu gehörig
— nach Holthausen, Ae. et. Wb. 15 — ein sprachlich
wenig geklärtes ae. bær f. (einschließlich der Zss. ae.
den-, weald-, widubær); die erst mhd. häufiger beleg-
ten bar, barre (mit kurzem a), denen me. barre, ne.
bar zur Seite stehen, sind höchstwahrscheinlich ro-
man. und möglicherweise letzten Endes kelt. Ur-
sprungs, also nicht germ.; die nur in zusammenge-
setzten Eigennamen überlieferte Landstrichsbezeich-
nung ahd. -bâra, -pâra mit ihrem nach Ausweis heuti-
ger Mdaa. langen Stammvokal stellt sich zu ahd. be-
ran im Sinne von ‚einen Ertrag abwerfen‘ (→ berien,
berren).
Wesentlich zuverlässiger erweist sich als
sprachliche Verwandte von ahd. bara nur die
anord. Ableitung mit Diminutivsuffix, berlingr,
mit der Bed. ‚kleiner Balken‘ (in einem Fahr-
zeug), poet. auch Zwergenname, nschwed. bär-
ling ‚Handspeiche‘, sowie die Zss. aisl. berlings-
áss ‚dicker Stock‘, deren Grundwort sich auf
eine idg. Wz. *bher- ‚mit einem scharfen Werk-
zeug bearbeiten, (entzwei)schneiden, spalten‘
zurückführen lassen dürfte (Walde-Pokorny II,
159 f.).
Holthausen, Ae. et. Wb. 15; Bosworth-Toller, AS
Dict. Suppl. 61; ME Dict. A—B, 740; OED I, 660;
Vries, Anord. et. Wb.² 33 f. (berlingr); Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 614 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
15; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I, 132; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 122.
Zu dieser speziellen idg. Wz. gehören außer-
germ. Bildungen wie aind. (gramm.) bhṇāti
‚versehrt‘; av. tiži-bāra ‚mit scharfer Schneide‘;
arm. brem ‚grabe auf‘; alb. brimë (< *bh-mā)
‚Loch‘; gr. φάρω ‚spalte‘, φάρος ‚Pflug, das
Pflügen‘, φάρσος (ionisch) ‚abgerissenes Stück‘;
mir. bern(a) ‚Kluft, Öffnung‘, bernach ‚spaltig,
zerklüftet‘; lit. bãras ‚Stück Feld, das die Schnit-
ter mit einem Zuge schneiden‘ oder lett. bar(i)s
‚Schwade von abgemähtem Getreide‘; russ. za-
bor ‚(Planken)Zaun‘, zaborolo ‚hölzerne Stadt-
mauer, Gerüst‘ (obs.), tschech. zábrodlo ‚Gelän-
der, Brustwehr‘ u. a. Vor allem aber gehören
hierher die sprachlichen Verwandten aus dem
Italischen: lat. forus (< *bhor-o-) mit dem brei-
ten Spektrum handwerklich-technischer, oft
kollektiver Bedeutungen wie ‚Schiffsverdeck
(mit seinem Balkenwerk), Brett(er), Fächer,
Sitzreihe(n)‘, ja, auch ‚Spielbrett, Würfelbrett‘
und Ähnliches, sowie, mit neutr. Genus, forum
‚Marktplatz‘, eigentlich ‚umplankter Raum‘, so
daß man wohl als Grundbedeutung ‚zu Planken
oder Brettern geschnittenes Holz‘ ansetzen
darf (vgl. besonders A. Walde, IF 39 [1921],
81).
Walde-Pokorny II, 159 f.; Pokorny 133 ff.; Mayrho-
fer, K. et. Wb. d. Aind. II, 532 f.; Bartholomae, Airan.
Wb. 653; Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 35. 37. 48 f. (vgl.
auch Walde-Pokorny a.a.O. mit Lit.); Frisk, Gr. et.
Wb. II, 994; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1016 f.; Chantraine,
Dict. ét. gr. 1179; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B—41;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 34 f.; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. I, 264 f.; Berneker, Slav. et. Wb. I, 76 f.;
Vasmer, Russ. et. Wb. I, 331 f. — Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 481 f. (feriō). 537 f. (forum); Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 250 (forum).
Wenn demnach ahd. bara auf eine germ.
Grundform *barō (< *bhorā) ‚(Entzwei)-
Schneiden, Spaltung‘ mit der konkretisierten
Bedeutung ‚(mit scharfem Werkzeug bearbeite-
tes) Stück Holz‘ oder ‚abgespaltete Scheibe‘ zu-
rückgeht, so findet diese Bezeichnung eines
Schildes ihre schlagendste Parallele in ahd. skilt
(s. d.), das zu der Wz. *skel- ‚spalten‘ gehört
und zu dem so nahestehenden lit. skìltis ‚abge-
schnittene (Holz)Scheibe‘; auch die sinnver-
wandten, besonders dichterisch beliebten Be-
nennungen eines Schilds wie ahd. bort und
linta (s. d. d.; vgl. got. fotu-baurd ‚Fußbank‘ und
lit. lentà ‚Brett‘) haben wohl ähnlichen Bedeu-
tungswandel durchgemacht (vgl. R. Koegel, IF
4 [1894], 319). Seltenheit und frühes Absterben
des Wortes mag durch die Sache, d. h. durch die
weitere Entwicklung der Waffentechnik, verur-
sacht worden sein.