*baro
Band I, Spalte 483
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*baro m. wa-St. Heiligtum, Opferstätte,
ara
, nur Gl. 1, 36, 34 und 37, 34; die Hss. ha-
ben parauue dat. sg. (Pa, 8./9. Jh., bair. mit
alem. Einschlag), uuedhar (K, 8. Jh., alem. mit
rhfrk. Einschlag) < *dhar-uue < *paruue ver-
schrieben und umgestellt (s. Wesche, Heiden-
tum in d. ahd. Spr. 28 [mit ält. Lit.]; Baesecke,
Abrogans 35); daß es sich bei diesen einzigarti-
gen Belegen von ahd. baro um die Bezeichnung
einer heidnischen Opferstätte handelt, ergibt
sich klar aus dem Rest der Gl.stelle: parauuari
de za demo p. ploazzit = aruspes qui ad aras sa-
crificat
( barawri und bluozzan). Das Wort
ist, wie bei seinem Sachgehalt begreiflich, im
Mhd. nicht mehr zu belegen und fehlt auch
dem Nhd.

Ahd. Wb. I, 822 f.; Starck-Wells 42; Graff III, 344.

Im sonstigen germ. Sprachgebrauch begegnet
nur aengl. und anord. des öfteren ein Gegen-
stück: ae. bearu m. wa-St. (mit Brechungs-ea,
ausgehend von flektierten Formen wie bearwe
dat. sg.) Hain, Wald, Gebüsch, nach E. Sievers
in ags. Prosa ganz gewöhnlich (PBB 11
[1886], 356), jedoch meist ohne religiösen Ne-
benton besonders in Flurnamen urkundlich be-
zeugt, oft in dem Ausdruck æt Bearwe; zweimal
so von Beda als Stätte eines christlichen Kir-
chenbaus erwähnt (Hist. Eccl. IV, 3 und V, 2),
der noch häufigeren Wendung æt (hǣðenum)
hearge vergleichbar ( harug; vgl. R. Jente, Die
mythologischen Ausdrücke im ae. Wortschatz
8 f.); als me. berwe, auch berewe, barou,
bar(e)we u. a. noch bis zum Ende des 15. Jh.s le-
bendig geblieben. Im Anord. entspricht die
Form brr (mit w-Umlaut, s. Noreen, Aisl. Gr.
§ 82, 1) und zwar zur Bezeichnung eines Baums,
aber auch als poetisches Synonym (heiti) für
Mann und besonders häufig in Kombinatio-
nen als Kenning für Krieger u. ä. (etwa in brr
skjaldar Schildbaum, Atlamál 30).

Fick III (Germ.)⁴ 260; Holthausen, Ae. et. Wb. 18;
Bosworth-Toller, AS Dict. 73; Suppl. 66; ME Dict.
AB, 759; OED I, 814 (berwe ); Vries, Anord. et.
Wb.² 70; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 617; Heggstad, Ga-
malnorsk ordb. 90; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 33; Gering, Vollst. Wb. z. Edda 142; Egilsson-
Jónsson, Lexicon poeticum² 76.

Aus all dem ergibt sich ein urgerm. Ansatz
*barwa- mit einem breiten Spektrum der Be-
deutungen von Baum über Wald zu (heiliger)
Hain
, wobei die besondere Art des Baumes zu
wechseln scheint, wie so oft bei Baumbezeich-
nungen (vgl. ahd. forha: lat. quercus), oder
überhaupt nicht in Frage steht. Außergerm. lie-
gen die slav. Entsprechungen und zwar mit den
Bedd. Nadelbaum; Nadelwald; Wald (über-
haupt) am nächsten, so sehr, daß man sie an-
fangs als Lehnwörter aus dem Germ. betrachtet
hat (so H. Hirt, PBB 23 [1893], 33; entschieden
dagegen hat sich Kiparsky ausgesprochen, Ge-
meinsl. Lehnw. aus d. Germ. 61 ff., während Ber-
neker, Slav. et. Wb. I, 76 und Stender-Petersen,
Slav.-germ. Lehnw. 270 ff. geteilter Meinung
sind). Russ. ksl. heißt es borъ für Fichte und
Fichtenwald, neuruss. bor, npoln. bór für Na-
delwald
; als Bez. des einzelnen Nadelbaums
gilt dasselbe bor im Bulg., Sloven. sowie Serbo-
Kroat. (bôr). Demgemäß neigt man trotz A.
Brückners Bedenken, Arch. f. slav. Phil. 39
(1925), 4 f. dazu, in der idg. Grundform, die
für das Germ. als *bhorwo- oder *bharwo-, für
das Slav. als *bhoro/u- oder *bharo/u- anzuset-
zen sein dürfte, ursprünglich eine Bez. für Ko-
niferen zu vermuten, an deren Stelle oft andere
Baumarten oder gar Allgemeinbegriffe wie
Baum; Wald; Hain getreten sind (s. R.
Loewe, PBB 60 [1936], 162). Ein treffliches
Beispiel für diese Entwicklung ist wohl der bei
Thietmar von Merseburg (976[?]1018) über-
lieferte slav. ON Zutibure, d. i. svtyi borъ hei-
liger Hain
.

Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 26 f.; Berneker, Slav. et.
Wb. I, 76; Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 19; Sadnik-
Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 301; Vasmer,
Russ. et. Wb. I, 106.

Eben das wird innerhalb des Germ. durch nah-
verwandte Bildungen mit s-Suffix (*barza-) be-
stätigt: aisl. nschwed. barr n. Nadellaub (dazu
nschwed. barrskog Nadelwald und viele andere
Zss.), während das entsprechende bar im Dän.
jung und selten ist (dafür naal); norw. gilt bar
n. für evergreen (branches). Dabei sei nicht
verschwiegen, daß schon Snorri an einer Stelle,
die von der Weltesche handelt, das Wort barr
gleichbedeutend mit lauf Laub gebraucht
(Pros. Edda, hrsg. von E. Wilken II, 13). Hierher
(und nicht zu barr im Sinne von Getreide
[eigtl. Gerste], so M. Olsen, Maal og Minne 1
[1909], 20 ff.) gehört auch die anord. n-Ableit.
Barri m., der Name jenes mythischen Ortes,
allwo in den eddischen Skírnismál (39. 41)
Gerd und Freyr sich ein Stelldichein geben:
lundr lognfara = der Hag der Heimlichkeit
(Genzmer).

Fick III (Germ.)⁴ 262; Vries, Anord. et. Wb.² 27; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 605; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 12; Cleasby-Vigfusson, Icel.-Engl. Dict.
53; Fritzner, Ordb. over d. g. norske sprog I, 116;
Svenska akad. ordb. B438 ff.; Ordb. o. d. danske sprog
I, 1123.

Diese germ. Erweiterungen mit Sibilant legen
einen Zusammenhang nahe mit den besonders
im Lat. reich entwickelten -(e)s- Stämmen wie
fr (aus frr), frris n. Dinkel, Spelt und farīna
(aus *farrīna), die auch in osk. far (gen. umbr.
farer für *farser) und umbr. fasiu, farsio (= lat.
farrea) vertreten sind und sich dem got. bari-
zeins aus Gerste, ae. bere (< *bariz) Gerste
(eigtl. Grannenkorn) an die Seite stellen; vgl.
dazu auch die mannigfachen Entwicklungen im
Kelt.: ir. barr (< urkelt. *bars- < idg. *bhs-)
Spitze, der oberste Teil einer Sache, Laub,
Haar
, kymr. bar top, summit, nkorn. bar ver-
tex
, abrit. Cuno-barrus PN (s. Pedersen, Vgl.
Gr. d. kelt. Spr. I, 44). Sie alle führen letzten En-
des auf die (nordwest)idg. Wz. *bhar-: *bhor-:
*bh- hervorstehen, eine Spitze oder scharfe
Kante bilden
zurück.

Walde-Pokorny II, 162 ff. 131 ff.; Pokorny 109; Pers-
son, Beitr. z. idg. Wortf. 22 f.; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. I, 455 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 216;
Buck, Gr. of Oscan and Umbrian § 115. 117. 182;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B19 f. Vgl. auch
Hoops, Waldbäume u. Kulturpflanzen 362; Schrader,
Spr.vgl. u. Urgesch.³ II, 180 Anm. 1; ders., Reallex. d.
idg. Alt.² II, 520.

S. auch bar², barrênti, bars, bart(a), bergita.

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