barug m. a-St., nur in Gl., ‚verschnittener
Eber, maialis, porcus, verres; (verschnittenes)
männliches Ferkel, porcaster‘ 〈Var.: p-, -ch, -ik;
parch(k), barc(h), barg; die Versuche, in der
Schreibung bouz Gl. 3, 445, 44; 13. Jh., eine hy-
pokoristische Variante mit Sibilant zu sehen,
den skand. Varianten mit -ss- vergleichbar (s.
u.), überzeugen kaum, s. Steinmeyer zur Stelle
und Palander, Ahd. Tiernamen 159 f.〉. — Mhd.
lautet das Wort meist barc, gen. sg. barges (nie
mit -ch-) st. m.; frühnhd. barg m. — In der
Hochsprache der Gegenwart hat sich die ndd.
Form Borg (Borch, gelegentlich Barg) durchge-
setzt, während in den Mdaa. gewisse lautliche
Varianten kursieren (s. u.)
Ahd. Wb. I, 829 f.; Starck-Wells 43; Graff III, 207;
Schade 42; Lexer I, 127; Benecke I, 88; Diefenbach,
Gl. lat.-germ. 343 (magalis). 448 (porcus). 613 (verres);
Dt. Wb. I, 1125. 1133; Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 21;
Kluge²¹ 52.
Das ahd. Wort hat seine Entsprechungen in
sämtlichen altgerm. Dialekten außer Gotisch,
wo die überkommenen Texte keinen Anlaß zu
seiner Verwendung boten: as. barug (= ‚maia-
lis‘, s. Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 111, 7),
mndd. borch; andfrk. barcho, auch bracho, barag
in Hss. (= majalis, MGH: Leges IV, Pars I, 2
§ 16 und 17), könnte hierher gehören, s. H.
Kern, Glossen in der Lex Salica (Haag, 1869),
46 ff.; mndl. borch, auch bar(e)ch, berch, nndl.
barg, dial. auch berg (mit e < a vor -rg), borg,
borcht; nostfries. barg; ae. bearg, bearh, auch
bearug, me. barow, auch bareg, barch, gen. bar-
wes, ne. barrow (veraltet, nur noch dial.); aisl.
bǫrgr (poet.) < *barguz, während im Neu-
skand. nur hypokoristische Umbildungen zu
belegen sind wie nnorw. dial. bassi ‚großes, fet-
tes Tier‘ (auch barre), ndän. nschwed. basse
‚dss.‘ (< *barh-s-an) u. a., vgl. anord. valbassi
‚wilder Eber‘; aber oft ist unsicher, ob nicht zu
germ. *baira- ‚Zuchteber‘ (→ bêr) oder anord.
bjǫrn ‚Bär‘, s. E. Björkman, IF 30 (1912), 275;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 53; E. Hellquist,
Ark. f. nord. Fil. 7 (1891), 155; ders., Svensk et.
ordb.³ 33.
Fick III (Germ.)⁴ 264; Holthausen, As. Wb. 5; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 318; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. I, 387; Verdam, Mndl. handwb. 110;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 34; Vries, Ndls. et. wb. 31;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 105; Holt-
hausen, Ae. et. Wb. 17. 30; Bosworth-Toller, AS Dict.
72; Suppl. 65; ME Dict. A—B, 655 f.; OED I, 683;
Vries, Anord. et. Wb.² 70; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
615; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 33; Egils-
son-Jónsson, Lexicon poeticum² 76; Ordb. o. d. danske
sprog II, 5 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 17; Svenska
akad. ordb. B—478.
Diese Übersicht der altgerm. Formen zeigt ein
Schwanken zwischen -g und -ch, das nach Ver-
ners Gesetz auf idg. -k- ohne bzw. mit Beto-
nung des unmittelbar voraufgehenden Vokals
zurückzuführen ist: germ. *barua-: *-ha-. (Ge-
gen die Deutung des ausl. -ch als Schreibung
für *-g [s. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 148 Anm. 1. 149
Anm. 4. 5] sprechen die zahlreichen obd. — bes.
alem. — Gl.belege mit -ch). Höchstwahrschein-
lich handelt es sich hier um einen durch -ko-
Suffix erweiterten u-St., wie er gerade bei Tier-
und Pflanzennamen nicht selten ist, vgl. av.
pasu-ka m. ‚Haustier‘ (zu pasu- ‚Vieh‘, Brug-
mann, Grdr.² II, 1 § 377. 385), oder auch ahd.
harug: haruh ‚heiliger Hain, Opferstätte‘ (s. d.).
Und wie dem letzteren ein anord. hǫrgr (mit u-
Umlaut) entspricht, so wird das Alter des ablei-
tenden -u- in ahd. barug durch das verwandte
anord. bǫrgr bestätigt. Mit Recht hat sich
darum Campbell, OE Gr. § 361 Fn. 2, dafür ent-
schieden, in ae. bearug (Epin. Gl. 652, 8./9. Jh.)
eine alte zweisilbige Form zu sehen, während
bei Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 164 noch von
-u- als einem Sekundärvokal die Rede ist. Viel-
leicht darf man noch einen Schritt weiter gehen
und der im Germ. relativ seltenen -k-Erweite-
rung eine individualisierende Funktion zuer-
kennen (vgl. Brugmann, K. vgl. Gr. § 399; Wil-
manns, Dt. Gr. II § 275): so wie airan. pasuka
m. ein ‚einzelnes Haustier‘ bezeichnet gegen-
über dem Kollektivum pasu m. ‚Vieh‘, so wäre
vielleicht in einem ursprl. *bhoru-k- ein be-
stimmtes ‚verschnittenes Tier‘ zu sehen gegen-
über dem Allgemeinbegriff idg. *bhoru- (s. u.),
ohne daß diese Unterscheidung zu allen Zeiten
streng beibehalten wäre (s. Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 108 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 27 f.;
Walde-Pokorny II, 160).
Außergerm. Verknüpfungen scheinen auf das
Alb. und Slav. beschränkt: so alb. bravë (ohne
-k-, kollektiv) ‚Herde‘; serbo-kroat. brãv
‚Schafvieh‘, dial. ‚verschnittenes Schwein‘, slo-
ven. brávec ‚Hammel‘, tschech. brav ‚(Klein)-
Vieh‘, poln. dial. browek ‚gemästeter Eber‘,
russ. bórov ‚zahmer Eber‘; wohl mit Recht
wurde slav. Entlehnung aus dem Germ. bezwei-
felt von Vasmer, Russ. et. Wb. I, 108 f.; Berne-
ker, Slav. et. Wb. I, 75; Trautmann, a.a.O. 27 f.;
Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr.
307; anders H. Hirt, PBB 23 (1898), 331, und
noch immer Kiparsky, Gemeinslav. Lehnw. aus
d. Germ. 61. — Die genannten Belege führen auf
einen älteren u-St. *bhor-u- und eine idg. Basis
*bher-: *bhor-: *bh- ‚schneiden, schaben, boh-
ren; mit einem scharfen Werkzeug bearbeiten‘,
dazu lat. feriō ‚stoße, haue, schlage‘ (→ berien;
vgl. Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² II, 360).
Wenn im Westgerm. auf weite Strecken ein
Stammvokal -o- (statt oder neben -a-) er-
scheint, nicht nur im Mndd. und Mndl. (s. o.),
sondern auch in einer aengl. Zss. wie gealtborg
‚verschnittenes Schwein‘ (s. Holthausen, Ae. et.
Wb. 125), so wird man darin (wie im oben er-
wähnten gram. Wechsel) einen Reflex der
Schwundstufe (urg. *burχ/-) zu sehen haben,
nicht, wie zuweilen vermutet, die Folge einer re-
lativ jungen und sporadischen Labialisierung
(vgl. etwa Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 34).
Walde-Pokorny II, 160 f.; Pokorny 133 ff.; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 482 (feriō); Meyer, Et. Wb.
d. alb. Spr. 45; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 27 f.; Mik-
losich, Et. Wb. d. slav. Spr. 19.
Ahd. barug lebt in sämtlichen Mdaa. des dt.
Sprachraums bis heute fort: in der Form mit
Stammvokal -a- (also Barg, Barch u. ä.) im
Alem.-Bair. und obd. Fränk., mit dem Stamm-
vokal (vorwiegend) -o- meist auf md. und ndd.
Gebiet.
Schweiz. Id. IV, 1548 f.; Ochs, Bad. Wb. I, 119; Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 644; Jutz, Vorarlb. Wb. I, 241 f.;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 268; Kranzmayer, Wb. d.
bair. Mdaa. in Österr. II, 330 f.; Lexer, Kärnt. Wb. 16;
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 47; Unger-Khull, Steir.
Wortschatz 50; Christmann, Pfälz. Wb. I, 578; Crece-
lius, Oberhess. Wb. I, 94; Hertel, Thür. Sprachschatz 64
usw.
Müller, Rhein. Wb. I, 464 (südl. bāriχ, nördl. bǫrǝχ);
Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 586 (barg, auch bǫrg);
Vilmar, Id. von Kurhessen 26 (bark, bōrk); Mitzka,
Schles. Wb. I, 92 (barg). 145 (borg).
Woeste, Wb. d. westf. Mda. 37 (borg); Schambach,
Wb. d. ndd. Mda. 30; Dähnert, Platt-Dt. Wb. 51;
Kück, Lüneb. Wb. I, 192; Richey, Id. Hamburgense
22; Scheel, Hamb. Wb. I, 405; Bretschneider, Bran-
denb.-berlin. Wb. I, 682; Mensing, Schleswig-holst.
Wb. I, 443; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. I, 1029 f.;
Ziesemer, Preuß. Wb. I, 728 usw.