bellan¹
Band I, Spalte 533
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bellan¹AWB, pellan st.v. III bellen, latrare, perso-
nare, mut(t)ire
(Gl., Notker; nur Präs.formen
belegt, aber vgl. ingaganbulli s. v. ingagan-bel-
lan); mhd. bellen st.v. (Prät. bal); nhd. bellen
sw.v. (früher auch st.v.: noch bei Goethe prät.
boll).

Ahd. Wb. I, 872; Schützeichel³ 13; Starck-Wells 45;
Graff III, 91; Schade 49; Sehrt, Notker-Gl. 13; Lexer
I, 174; Benecke I, 125; Dt. Wb. I, 1451 f.; Kluge²¹ 64.

Genaue Entsprechungen sind nur ae. bellan
st.v. bellen, brüllen, schreien, runzen, me. bel-
len brüllen, ne. bell röhren (vom Hirsch in
der Brunft); mndd. bellen sw.v. bellen; mndl.
bellen (aber auch belen, s. u.) dss.; mit einfa-
chem l mndl. belen (s. o.), aisl. belja sw.v. brül-
len
, nisl. nnorw. belja, aschwed. bälia; ablau-
tend ahd. bullôn brüllen (s. d.). Verwandt sind
wohl auch mndd. (selten) belle f. Schelle; ae.
belle f., me. belle, ne. bell Glocke, Schelle; aisl.
nisl. bjalla f. dss. (aus dem Ae. entlehnt?: Fi-
scher, Lehnw. d. Awestnord. 24; s. auch L.
Bloomfield, Sievers-Festschrift [1925], 103),
nnorw. bjølla, bjella, nschwed. bjälla, ndän.
bjelde.

Meistens werden all diese Wörter auf eine idg.
Schallwurzel *bhel- schallen, reden, brüllen,
bellen
zurückgeführt, die bes. im Germ. mit
verschiedenen Erweiterungen vorkommt:

germ. *-đ-: spätmhd./frühnhd. buldern, boldern,
nhd. poltern; mndd. mndl. bulderen, bolderen
lärmen, poltern, brüllen, nndl. bulderen dss.;
aschwed. buldra, nschwed. bullra, dän. buldre
poltern; vgl. afries. bulder-slēk lauter Schlag;
ablautend mndd. balderen, ballern lärmen (vgl.
norddt. mdartl. ballern); nndl. (veraltet) balde-
ren dss.; ndän. baldre, nnorw. (mdartl.) baldra,
nschwed. (mdartl.) ballra dss.. (Diese Wörter
können z. T. zu -bellan² gehören, s. d.)

germ. *-k-: mndd. bölken, belken brüllen;
mndl. balken, belken, nndl. balken dss.; ae.
bealcan, bealcettan äußern, hervorstoßen, rülp-
sen
(vgl. ne. belch rülpsen).

germ. *--: ae. bylgan brüllen (vgl. ne. bellow
dss.).

Die Vielfalt der Erweiterungen ist viell. da-
durch zu erklären, daß sich solche lautmalen-
den Wörter leicht um- oder neubilden lassen.

Fick III (Germ.)⁴ 266; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 137. 201. 311. 368; Verdam, Mndl.
handwb. 71. 72. 108; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 46.
99; Vries, Ndls. et. wb. 42. 95; Holthausen, Afries.
Wb. 13; Richthofen, Afries. Wb. 673; Holthausen, Ae.
et. Wb. 17. 19. 40; Bosworth-Toller, AS Dict. 71. 82;
Suppl. 65. 77; ME Dict. AB, 701 ff. 704; OED I, 784.
785 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 32. 38; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 629; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 14.
17; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 76. 115; Torp, Ny-
norsk et. ordb. 21. 26; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 111;
Seebold, Germ. st. Verben 101 f.

Die Formen mit -ll- werden verschiedentlich
erklärt: 1. als Konsonantenverschärfung in der
Schallwurzel
(= gémination expressive
[Meillet]); so z. B. Pokorny 123; s. aber W. H.
Snyder, Zfvgl. Spr. 85 (1971), 78; 2. als germ.
Reflexe einer idg. Grundform *bhelǝ- aus einer
zweisilbigen Basis *bhelē-, mit -ll- < -lǝ-; See-
bold, a.a.O. 102; vgl. ders., Zfvgl.Spr. 80 (1965),
273 ff.; R. Lühr, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 35 (1976),
77 ( blâzen blöken < *bhlē-); 3. als Assimi-
lation aus -ls- (-lz-) oder -ln- (trotz der Selten-
heit eines Wandels ls (lz) > ll im Germ.; vgl.
Hirt, Handb. d. Urgerm. I, 121), aufgrund ähnli-
cher Ableitungen in anderen idg. Sprachen (s.
u.).

Außergerm. ist diese Wz. sehr schwach vertre-
ten, ja die einzigen irgendwie sicheren Ablei-
tungen kommen im Balt. vor und zwar manch-
mal mit ähnlichen Determinativen wie im
Germ.: apreuß. billīt sagen, sprechen; lit. bìl-
stu, bìlti zu sprechen beginnen; lett. bist sa-
gen, reden
; lit. basas Stimme, Klang, Ge-
räusch
; lett. bàlss dss.; auch lit. bildti hohlen
Schall von sich geben, klopfen, poltern
; lett.
bidêt sprechen, sagen, atbidêt antworten
(vgl. russ. boltat’ schwatzen aber auch schüt-
teln, klopfen
: Zusammenfall der Wurzeln in
bellan¹ und -bellan²? [s. u.]); viell. lett. biļ̃ļ̃ât
weinen (< --?).

Walde-Pokorny II, 182; Pokorny 123 f.; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 32; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I,
255. 295. 296. Vgl. auch Vasmer, Russ. et. Wb. I, 105;
Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 149;
Toporov, Prusskij jazyk I, 226 (der auch russ. baldít’
mehrmals wiederholen, baldkat’ schwatzen zum
Vergleich vorschlägt).

Zu dieser Wz. gehört viell. auch toch. AB päl-
loben, Windekens, Lex. ét. tokh. 89; ders., Le
tokharien 40; A. Meillet, Journal Asiatique 1911,
457; unsicher E. Lidén, Göteborgs Högskolas
Årsskrift 39, 2 (1933), 49 (viell. zu germ. *spel-
la-).

Besonders umstritten sind aind. Vergleiche.
Wenn man sich zu Fortunatovs Gesetz bekennt,
lassen sich sowohl aind. bháati bellt, bhaá-
bellend viell. auch bhate spricht, redet
(< idg. *bhels-) als auch bháati redet, spricht,
nennt
(< idg. *bheln-) hierher stellen; dazu
viell. toch. A t- appeler, crier(?) (< *pält-;
Windekens, Le tokharien 368). Zu einer neuen
Verteidigung von Fortunatovs Gesetz und die-
ser Et. von aind. bháati s. T. Burrow, Bull. of
School of Or. and Afr. Stud. 35 (1972), 531 ff.,
bes. 543 f.; E. Hamp, Suniti Kumar Chatterji
Commemoration Volume (ed. Bhakti Prasad
Mallik, West Bengal, India, 1981) 106 ff.; ders.,
Indo-Iranian Journal 25 (1983), 275 ff.; vgl.
auch J. Scheftelowitz, Zfvgl. Spr. 53 (1925),
248 ff. Für diejenigen, die das Fortunatovsche
Gesetz für ungültig halten (wie Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 464 f. 497 f.), müssen diese
Vergleiche gestrichen werden, wobei eine der
stärksten Stützen für die Herleitung der germ.
-ll-Formen aus -ln- oder -ls- verlorengeht.

Nach Seebold, a.a.O. 102 ist ein urspr. Zusam-
menhang zwischen bellan¹ und -bellan² treffen,
(auf)prallen, stoßen
möglich, denn ein Laut
wird oft durch Schlagen u. dgl. hervorgebracht
(vgl. z. B. ae. belle Glocke, dt. poltern und die
Beispiele s. v. -bellan²). Diese Sippe scheint
aber auf das Ahd. und Skand. beschränkt und
hat keine sichere Etymologie.

S. auch -bellan², bullôn.

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