*bergfrit, berfrit
Volume I, Column 556
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*bergfrit, berfrit mhd. st. m., nur in Gl. vom
12. Jh. an: Bergfried, hölzernes Turmgerüst,
das an die Mauern einer belagerten Festung ge-
schoben wird, vinea
. Mhd. auch in lit. Werken
häufig: bercvrit, bervrit st. m., auch bervride sw.
m. Der älteste Beleg im Vorauer Alexander (ca.
1130) hat immer noch die ältere Bed.; bald da-
nach trat die zweite Bed. fester Turm einer
Burg
hinzu, die in dem nhd. Wort Bergfried
wenigstens als historischer Begriff weiterlebt.

Ahd. Wb. I, 910 f.; Starck-Wells 47; Graff III, 213 f.;
Schade 52; Lexer I, 186 f.; Benecke I, 107; Dt. Wb. I,
1511; Trübners Dt. Wb. I, 283 f.; Kluge²¹ 67; Heyne,
Dt. Hausaltertümer I, 351 f.; Schultz, Das höfische Le-
ben II, 412 ff.

Aus dem Mhd. entlehnt sind wohl mndd.
berch-, borchvrēde, mndl. berchvrede; aus dem
Mndd. stammen ndän. nschwed. barfred,
nnorw. barfrø. Aus dem Germ. (Ndfrk.?) afrz.
berfrei, -froi und mit Dissimilation belfrei, -froi,
nfrz. (mit Assimilation) beffroi Belagerungs-,
Wacht-, Glockenturm
; aus dem afrz. me. ber-
frei, belfrei, ne. unter Anlehnung an bell
Glocke nur belfry Glockenturm. Italien. batti-
fredo (aus dem Frz. oder Mlat.?) zeigt den Ein-
fluß von battere schlagen.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 214. 318;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 240; Verdam, Mndl.
handwb. 76; ME Dict. AB, 699. 752; OED I, 781;
Oxf. Dict. of Engl. Et. 87; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 50; Torp, Nynorsk et. ordb. 16; Ordb. o. d. danske
Sprog I, 1143; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 53; Svenska
akad. ordb. B318 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
1332; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 1041; Wart-
burg, Frz. et. Wb. I, 332; Gamillscheg, Et. Wb. d. frz.
Spr.² 98; Tobler-Lommatzsch, Afrz. Wb. I, 925; Trésor
de la langue franç. IV, 353 f.

Die noch heute in fast allen engl. und roman.
Wörterbüchern zu findende Erklärung dieses
Wortes als eine germ. Bildung aus ahd. bergan
in Sicherheit bringen, schützen und fridu
Friede (s. d. d.) muß wohl als Volksetymologie
gelten. Der Bergfried war ursprl. gar kein frie-
denschützender
defensiver Turm, sondern eine
friedenstörende Angriffswaffe. Auch aus se-
mantischen Gründen ist die alte Etymologie bei
Falk-Torp, a.a.O. und anderswo: Verschan-
zung aus Holz auf einem Berge
(aus berg und
fridu) abzulehnen.

Schon M. Heyne hat in Dt. Hausaltertümer I,
351 f. den Gedanken geäußert, es handle sich
wahrsch. um ein Wort, das durch die Kreuz-
züge ins Abendland gebracht worden sei; dann
hat A. Götze, PBB 59 (1935), 316 f. Wort und
Sache auf die Byzantiner zurückgeführt, die
Meister der Belagerungskunst waren und deren
fahrbare Angriffstürme den von Elefanten ge-
tragenen der Antike nachgebildet waren. Der
griech. Name für solch einen Turm war πύργος
φορητός (lat. turris ambulatoria; vgl. Kro-
mayer-Veith, Heerwesen und Kriegführung der
Griechen und Römer [München, 1928], 444),
und es liegt nahe, in ber(g)frit eine Entlehnung
dieses griech. Ausdrucks zu sehen und zwar in
der spätgriech. Lautung /pír-, pérgos foritós/:
spätgriech. lautete υ wie [i], gelegentlich, bes.
vor ρ wie [ε]; η wurde auch zu [i] (vgl. Schwy-
zer, Gr. Gram. I, 233. 274 f.). Anl. nichtaspirier-
tes π wird dann durch ahd. b wiedergegeben
(wie bei lat. Lehnwörtern wie bâbes, s. d.), wäh-
rend das schwach betonte o leicht ausfallen
konnte. Diese Etymologie ist übrigens in die
heutigen dt. Wörterbücher fast ohne Ausnahme
aufgenommen worden.

Ob die mlat. Zeugnisse: berefridus, berfredus,
-um, bel-, bil-, balfredus usw. (Mittellat. Wb. I,
1451; Niermeyer, Med. Lat. Lexicon 97), die
z. T. älter sind als die mhd. Belege, unmittelbar
aus dem Griech. oder über das Dt. entlehnt
worden sind, läßt sich kaum feststellen. Auch
die ursprl. Form des dt. Wortes muß unsicher
bleiben: die ältesten Belege sind berfrit (ohne g,
c wie im Mittellat.), aber das kann auch Zufall
sein; eine Vereinfachung der Kons.gruppe
-rgfr- hätte zu irgendeiner Zeit stattfinden kön-
nen, und Formen mit und ohne g dürften wohl
anfangs nebeneinander existiert haben. Jeden-
falls ist die volksetym. Anlehnung an bergan
und fridu dafür verantwortlich, daß die Formen
mit g den endgültigen Sieg davongetragen ha-
ben.

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