bîhal
Band II, Spalte 35
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bîhal n. a-St., nur in Gl.: Beil, Axt, bipen-
nis, bibellis; spez. Zimmeraxt; Streitaxt, ascia;
Wurfbeil, pilum
Var.: p-, -il, -el und öfters
ohne -h-, zweimal bîl in Gl. des 12. Jh.s. Ein-
mal, Gl. 3, 633, 24 (11. Jh.), ist bihala = bibellis
in unmittelbarer Nachbarschaft ähnlich gebil-
deter Gerätenamen (mistgabala, thehsala,
scuuala u. a.) überliefert im Anschluß an diese
oder ist es eine eigenständige Ableitung nach
den f. n-St.? Im Mhd. erscheint das Wort als
bîhel oder mit Verstummen des intervok. -h-
(s. Wilmanns, Dt. Gr. I § 88) bîel, biel; mit zu-
sätzlichem Schwund des unbetonten -e- als
bîl, gelegentlich bîle (also ähnlich ahd. fîhala
> mhd. fîle). Nhd. Beil n.

Ahd. Wb. I, 1019 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 60; Starck-
Wells 53. 792; Graff III, 43; Schade 62 f.; Lexer I,
271 f.; Benecke I, 124; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 72
(bibellis). 74 (bipennis); Dt. Wb. I, 1374 (Beihel).
1376 f. (Beil); Kluge²¹ 62; Kluge²² 71; Pfeifer, Et.
Wb. 145.

Bildungen, die ahd. bîhal lautgesetzlich entspre-
chen, sind nicht zu jeder Zeit gleichmäßig über
die ganze Germania verbreitet; da und dort
nimmt das Gegenstück von ahd. billi (s. d.) die
Stelle von bîhal ein. So im Asächs., erst im Mit-
tel- und Neundd. drängen sich Formen wie bīl
n. (oder bīle f.) in den Vordergrund; ähnlich im
Mittel- und Neundl. mit bīle bzw. bijl sowie
ostfries. bīl. Dagegen beherrschen im Engl.
Wortbildungen mit kurzem -i- und Doppel-l zu
allen Zeiten das Feld ( billi), während die
Herleitung der anord. und neuskand. Formen
sehr verwickelt und noch immer weithin unge-
klärt scheint. Anord. bíldr Aderlaßmesser ist
wohl mit ahd. bîhal verwandt (s. u.), obgleich
der Bed.unterschied nicht allzu leicht zu über-
brücken ist bíldr kam nie in der Bed. Beil
vor, s. bes. C. Karstien, Zfvgl.Spr. 65 (1938),
154 ff.; W. Mohr, ebda. 161 f. Karstien lehnt
z. T. aus diesem Grunde die Verwandtschaft mit
bîhal ab, ihm folgend auch Vries, Anord. et.
Wb.² 36, wie auch aus rein lautlichen Gründen
F. W. Blaisdell, Jr. und W. Z. Shetter, PBB 80
(Tübingen, 1958), 404 ff. (mit einer Übersicht
über die Forschung). Die neuskand. Formen zei-
gen ein unklares Gemisch aus ererbten *bíld-
und *bill-Wörtern, zusammen mit Lehnwörtern
aus dem Niederdt. Zu dieser letzten Gruppe ge-
hören wohl nnorw. bīle, ndän. bīl, nschwed. bī-
la Breitbeil (< mndd. bīl[e]) und ndän. bild
Steinhammer (< nndd. bille) und zu den er-
erbten *bill-Wörtern wahrscheinlich Formen
wie ält. dän. aarbille, nschwed. plogbill Pflugei-
sen
wie auch viell. aschwed. bilder Pflugeisen
am Hakenpflug
, falls aus *billr (s. Noreen,
Aschwed. Gr. § 326).

Fick III (Germ.)⁴ 296 f. (bīþla-); Sehrt, Wb. z. Hel.²
50; Berr, Et. Gl. to Hel. 51; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 274 f. 276; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. I, 334; Verdam, Mndl. handwb. 98; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 65; Vries, Ndls. et. wb. 58; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 164; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 23; Bosworth-Toller, AS Dict. 101;
Suppl. 91; Suppl. II, 10; ME Dict. AB, 848 f.; OED²
II, 190; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 601; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 16; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 73; Torp, Nynorsk et. ordb. 24; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 42; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 80. 87.

Für ahd. bîhal wie auch wohl für anord. bíldr
ergibt sich eine germ. Grundform *bī-þla-, mit
demselben Übergang von urg. *-þl- zu west-
germ. *-h(a)l- wie in got. maþl: ahd. mahal
(s. d.). Dieser vielerörtete und gelegentlich abge-
lehnte Wechsel wird unterschiedlich erklärt.
Wahrscheinlich ist die Kons.verbindung *-þl-
im Westgerm. zur stimmlosen Verbindung *-hl-
(wohl nur eine Schreibung für ein stimmloses
-l-, wie im walisischen PN Lloyd (auch Floyd,
Cloyd) geworden, während *þ vor einem silbi-
schen *l (oder Sproßvokal + *l) geblieben und
im Ahd. regelrecht zu đ, d geworden ist. So ent-
standen *đal, *bîhles usw. Der Ausgleich ging
in einigen Wörtern zugunsten des Nom./Akk.,
in anderen zugunsten der obliquen Kasus vor
sich. So erklären sich ahd. Wörter wie bîhal,
mahal gegenüber stadal, nad(a)la (ursprl. Nom.
*naþlu > *nađ(a)l, vgl. H. Osthoff, PBB 8
[1882], 147 f.) usw.

Ähnliches ist wohl fürs Nordgerm. anzuneh-
men, obgleich es keinen direkten Beweis für die
Zwischenstufe *-hl- gibt, doch schon E. Sievers
hat bemerkt, daß der anord. Verlust von þ vor l
mit Ersatzdehnung des vorhergehenden Vokals
auf einer Entwicklung von *-aþla- > *-ahla- >
*-āla- beruht (PBB 5 [1878], 528. 534). Weiter-
hin scheint þ vor ausl. l oder lR stimmhaft ge-
worden zu sein. Vgl. Heusler, Aisl. El.buch
§ 155 Anm. In diesem Fall wäre ðl lautgesetzlich
zu -ld geworden (Noreen § 313, 2; Sievers,
a. a. O. 529). Vgl. Lühr, Stud. z. Hildebrandlied
666 f.; Osthoff, a. a. O. 146 ff.; Gallée, As. Gr.²
§ 281.

Die gemeinsame idg. Vorstufe muß *bhe-tlo-
gewesen sein, eine -tlo-Ableitung, wie sie beson-
ders für die Bezeichnung von Werkzeugen oder
den Ort einer Handlung häufig ist (s. Wilmanns,
Dt. Gr. II § 214; Kluge, Nom. Stammbildung³
§ 97. 142; Brugmann, Grdr.² I, 636).

Die idg. Wz. *bhe(ǝ)-: *bhī- [**bhei(H)-]
schlagen ist in den idg. Einzelsprachen reich-
lich vertreten, so in gr. φιτρός Baumstamm,
Pflock, Klotz, Holzscheit
(< *bhi-trós); arm.
bir großer Stock, Knüppel, Keule (< *bhi-
ro-, s. S. Bugge, IF 1 [1892], 452); lat. perfinēs
perfringās (Festus-Paulus 205); air. benim
schneide, schlage, robī schlug, schnitt, mir.
fid(h)b(h)a Sichel = gallo-lat. bidubium =
falcastrum (< *vidu-biom) Holzhaue, air.
biail (< *bhīali) Beil (s. R. Thurneysen,
Rhein. Museum 43 [1888], 351 und Zfvgl.Spr.
31 [1892], 84 ff.); aksl. bij, biti schlagen,
russ. bьju, bitь schlagen, bílo Schlägel, Läu-
tebrett
.

Walde-Pokorny II, 137 f.; Pokorny 117 f.; Frisk, Gr.
et. Wb. II, 1021; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1027 f.; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 1207; Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 503 f. (fīnis); Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 235
(findo); Hübschmann, Arm. Gr. 429 f.; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 33; Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb. d.
slav. Spr. Nr. 252; Berneker, Slav. et. Wb. I, 117; Mi-
klosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 12; Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 88; Fraenkel, Lit. et. Wb. I, 563 f.; Fick II
(Kelt.)⁴ 164; Holder, Acelt. Spr. III, 290; Vendryes,
Lex. ét. de l’irl. anc. B-32 ff. 48; Dict. of Irish B-93 f.;
Dict. of Welsh 357 f.

Nach Karstien, a. a. O., ist ahd. bîhal, wie auch gr. πέ-
λεκυς und aind. paraú- Beil, Axt, aus akkad. pilakku
entlehnt. Zwar hat dieses Wort ungefähr die richtigen
Konsonanten, aber in einer anderen Reihenfolge; auch
bedeutet das akkad. Wort wohl nicht Beil, wie Kar-
stien glaubte, sondern etwa Spindel (vgl. Frisk, Gr.
et. Wb. II, 497; Mayrhofer, Et. Wb. d. Altindoar. II,
87; s. auch V. Pisani, Zfvgl.Spr. 67 [1942], 226 f., je-
doch mit lautlich unwahrscheinlicher Herleitung von
germ. *bīhla- aus *bhei[d]-klo-).

Mdartlich lebt ahd. bîhal meist in seiner einsil-
bigen Kurzform, ahd. mhd. bîl, nhd. Beil ent-
sprechend, fort, doch begegnen daneben auch
noch zweisilbige Varianten, so besonders im
Bair., in denen -h- als velarer Reibelaut gespro-
chen wird (also nicht etwa nur hiatustilgender
orthograph. Einschub): s. Kranzmayer, Wb. d.
bair. Mdaa. in Österr. II, 854 ff. (Peil I, Peihel
mit erhaltenem kons. Inlaut nur im westl. Ti-
rol
); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 218 (Beihel);
Schweiz. Id. IV, 912 (Bī-el n., daneben Bei-el
m., dessen Pl. auf -er ausgeht); vgl. auch Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 796 ff.

S. auch billa, billi.

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