bira
Band II, Spalte 94
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

biraAWB f. n-St., nur in Gl.: Birne, pirum, vole-
ma; Birnbaum, pirus
(Pirus L.); Schmerbirne,
Arschitze, Frucht des Speierlings
(Sorbus do-
mestica L.); birnenförmige Olivenart, orchas
Var.: häufiger mit anl. p-, einmal mit Di-
phthongierung -ie-, Gl. 3, 386, 65 (vgl. Müller,
Rhein. Wb. I, 710). Im Mhd. wird daraus
lautgerecht bire oder bir, pl. birn. Durch
Verallgemeinerung des Nasals der mit Vorliebe
gebrauchten Pluralformen bir(e)n kommt es
schon frühnhd. zu der Singularform birn, seit
dem 17. Jh. mit zusätzlichem Fem. -e, Birne,
eine Form, die sich in der Hochsprache der
Gegenwart durchgesetzt hat (s. Wilmanns, Dt.
Gr. III, 2 § 191, 5; Paul, Dt. Gr. II, 87 § 50),
während mdartl. (s. u.) sowie in Eigennamen
(z. B. Bierbaum, s. Bach, Dt. Namenkunde I
§ 236, IA, 1b) die älteren Formen weiterleben.

Ahd. Wb. I, 1101 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 69; Starck-
Wells 58; Graff III, 345; Schade 66; Lexer I, 280 f.;
Benecke I, 137; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 437 (pi-
rum); Dt. Wb. II, 40; Kluge²¹ 79; Kluge²² 87; Pfeifer,
Et. Wb. 178. Vgl. auch Hoops, Waldbäume und Kul-
turpflanzen 541 ff.; Hoops Reallex. I, 288 f.; Schrader,
Reallex. d. idg. Alt.² I, 147.

Das Wort ist, wie viele andere Bezeichnungen
veredelter Früchte (Pflaume, Pfirsich, Kirsche),
eine Entlehnung aus dem Lat., und zwar geht es
auf die (auch im Lat. vorwiegend gebrauchte)
Pl.form pira (zum Neutr. pirum) zurück. Da
sich die Bez. des birnentragenden Baumes, lat.
pirus, nur durch die Endung und das gram. Ge-
schlecht von der Bezeichnung seiner Frucht un-
terscheidet, kann dt. pire, Gl. 3, 39, 28, im
14. Jh. auch einmal Birnbaum bedeuten, wo
sonst biraboum u. dgl. steht, ebenda 22 mal in
Parallelhss. Außerdem aber heben sich zwei
lautlich abgegrenzte, sicher aus verschiedenen
Zeiten adoptierte Lehntypen voneinander ab:
ein auf die Römerzeit zurückgehender und
demgemäß ein ae. ndl. ndrhein. ( fries.) Ge-
biet umfassender mit Formen wie ae. pere, peru,
me. pere, ne. pear; mndl. pēre, nndl. ndrhein.
pēr (fries. pēr[e]), dessen stammhaftes -e- den
Wandel von kurzem lat. i zu e seit dem 3. Jh.
widerspiegelt (s. Grandgent, Vulgar Latin
§ 201; Pogatscher, Gr., lat. u. rom. Lehnw. im
Ae. 61 ff.) und ein wesentlich späterer, vom Klo-
sterlatein zehrender Typ im übrigen Deutsch-
land mit bira, pira, die einen bereits lenisierten
Anlautslabial reflektieren. Anord. pera ist Lehn-
wort aus dem Aengl. (s. Fischer, Lehnw. d.
Awestnord. 49); daraus erklären sich alle übri-
gen skand. Formen mit ihrem konsequenten p-
wie nnorw. pæra, dän. pære, schwed. päron.
Aufs Ndd., im besonderen auf das Baltisch-Dt.
bumbēre Baumbeere, geht lett. bubieris
Birne zurück, nach J. Sehwers, Zfvgl.Spr. 54
(1926/27), 26 f. Im Got. war kein Anlaß zur
Verwendung des Wortes; deshalb sollte auch
got. baíra-bagms weder mit ahd. bira noch mit
got. baíran tragen zusammengebracht werden
( bero).

Holthausen, As. Wb. 7; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 215; Verdam, Mndl. handwb. 76 (bere
ostmndl.). 463; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 494;
Vries, Ndls. et. wb. 512; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. II, 714; Holthausen, Ae. et. Wb. 245;
Bosworth-Toller, AS Dict. 773; OED² XI, 397; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 660; Vries, Anord. et. Wb.² 424; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 1113; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 219; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 862;
Torp, Nynorsk et. ordb. 507; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 617 f. Vgl. auch Fischer-Benzon, Adt. Garten-
flora 164.

Für die Etym. von lat. pirum wird meist eine
Grundform *pisom angesetzt, die man auch
in gr. ἄπιον wiederzufinden glaubt; proble-
matisch bleibt nur das anl. ἀ-, das man dem
nicht weiter bekannten voridg.-mittelmeerländi-
schen Idiom, dem pirum/ ἄπιον entstammen
sollen, aufbürdet (s. Winter, Prothet. Vokal 13;
P. Kretschmer, Glotta 21 [1932], 89). Auch hilft
es wenig, wenn man allerlei Anschlüsse an idg.
Wurzeln versucht, etwa an *pī-, *pōi- zu opī-
mus fett, wohlgenährt, saftig (?), was sich von
der wilden Birne wohl schwerlich behaupten
läßt; skeptisch dazu Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1096;
Walde-Pokorny II, 75; noch weniger ein ad hoc
zurechtgemachtes *a-piso- swelling up,
F. A. Wood, AJPh. 52 (1931), 115. Für die nach-
trägliche Verbreitung des lat. Wortes in der Ro-
mania sprechen italien. pera, desgl. prov. katal.
span. port. pera, frz. poire etc. Auch im Kelt.
lebt es fort, z. B. bret. per.

Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 309 f.; Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 510; Frisk, Gr. et. Wb. I, 121; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 97. Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
7184; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 6524; Wart-
burg, Frz. et. Wb. VIII, 572 ff.

Für die Verteilung lautlicher Varianten in den
dt. Mdaa. der Gegenwart wohl noch immer ein-
drucksvoll ist die Isoglosse [pε:r] gegen [bi:ǝr],
s. Müller, Rhein. Wb. I, 710. Die süddt. Bir-
nenkultur ist eben jünger als die englisch-nie-
derrheinische, die schon zur Römerzeit aus Gal-
lien vorgetragen wurde.
(Frings, Germania Ro-
mana² I, 141).

Information

Band II, Spalte 94

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemma:
Referenziert in: