blôdi
Band II, Spalte 194
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

blôdiAWB adj. ja-St., nur in Gl.: schwach, läs-
sig, träge, solutus, ignavus (Hs. ignarus); ver-
zagt, furchtsam, formidulosus
Var.: plod-,
plaod-. Mhd. blœde zer-, gebrechlich,
schwach, zaghaft
; nhd. blöde.

Ahd. Wb. I, 1224; Splett, Ahd. Wb. I, 82; Starck-
Wells 67; Graff III, 251; Schade 76; Lexer I, 311; Be-
necke I, 212; Dt. Wb. II, 138 ff.; Kluge²¹ 86; Kluge²²
93; Pfeifer, Et. Wb. 189 f.

Das Wort hat Entsprechungen in fast allen
germ. Sprachen: as. blōđ(i) furchtsam (nur
zweimal im Hel.; zum Schwund des -i s. Holt-
hausen, As. El.buch § 173. 359), mndd. blȫde
schwach, furchtsam; mndl. blōde, bloot dss.,
nndl. blood, bloo, bleu furchtsam (zum
Schwund des -d s. Meer, Hist. Gram. d. ndl.
Spr. § 166, 1; zu bleu mit mdartl. Umlaut ebd.
§ 46 Anm. 3); ae. blēaþ (a-St.) scheu, furcht-
sam; zart; träge, schlaff
, me. blēth(e); aisl.
blauðr (a-St.) schwach, zaghaft, nisl. blauður,
nnorw. blaud, ält. dän. blød, aschwed. blödher,
nschwed. blöd (in den neuskand. Sprachen ist
mit einer gegenseitigen Beeinflussung der Sippen
germ. *lauþ- und *laut- zu rechnen; blôz);
im Afries. und Got. nicht belegt, aber vgl. nost-
fries. blöje, blö(i) blöde, furchtsam, schüch-
tern
und das von einem Adj. *lauþa- oder
*lauþu- abgeleitete got. Verb blauþjan ab-
schaffen, ἀκυροῦν
(eigentl. schwach machen).

Fick III (Germ.)⁴ 287; Holthausen, As. Wb. 8; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 57; Berr, Et. Gl. to Hel. 57; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 296; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 361; Verdam, Mndl. handwb. 103;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 73 f.; Vries, Ndls. et. wb.
67; Holthausen, Ae. et. Wb. 26; Bosworth-Toller, AS
Dict. 108; Suppl. 96; ME Dict. AB, 971; OED² II,
283; Vries, Anord. et. Wb.² 43; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 641 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 19;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 88; Torp, Nynorsk et.
ordb. 27; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 51; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 189; Feist, Vgl. Wb.
d. got. Spr. 99; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-78.
Lühr, Expressivität 267 f.

Aufgrund dieser Formen läßt sich eine germ. Ba-
sis *lauþ- ansetzen (mit ahd. Monophthongie-
rung zu -ō- vor Dentalen; vgl. Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 45); daraus auch das afrz. Lehnwort es-
bloer, nfrz. éblouir blenden, überraschen (<
*ex-blaudāre, -īre; Wartburg, Frz. et. Wb. I,
404; XV, 1, 152 f.).

Alles Weitere ist unsicher. Meistens werden gr.
φλαῦρος schlecht, geringfügig, ärmlich usw.
und φαῦλος dss. herangezogen und diese bei-
den Wörter als Dissimilation aus *φλαῦ-λος er-
klärt (oder nach Chantraine, Dict. ét. gr. 1182 f.
aus *φλαῦ-λος und *φλαῦ-ρος); nach V. Ma-
chek, Zfslav. Ph. 29 (1961), 351, auch lit. biaũ-
rùs (mit ähnlicher Dissim.) garstig, widerwär-
tig, häßlich
, lett. baurs sehr böse, grimmig,
schrecklich, schlecht
(anders Fraenkel, Lit. et.
Wb. 42 f.). Diese Wörter haben aber auch keine
sichere Etymologie. Die frühere (lautlich un-
haltbare) Anknüpfung der gr. Wörter an die idg.
Wz. *bhle- aufblasen, schwellen, strotzen,
überwallen, fließen
in gr. φλέ(ϝ)ω überfließen,
strotzen
, φλύω sprudeln, überwallen, mit g-
Erweiterung lat. fluō (flūxī, flūctum) fließen,
strömen
(so z. B. Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1028,
Feist, a. a. O.), wurde schon von Walde-Po-
korny II, 209 in Frage gestellt und von Pokorny
aufgegeben (bei Frisk, Gr. et. Wb. 998. 1021 f.
und Chantraine, a. a. O. nicht einmal erwähnt; s.
aber unten).

Pokorny 159 reiht die gr. und germ. Wörter un-
ter eine Wz. *bhlē- : *bh- : *bhlū- schwach,
elend
ein, die er weiter mit einer Basis *bhele-
schlagen, durch Schlagen hilflos machen
verbindet ( bliuwan). Handelt es sich tat-
sächlich um eine laryngalhaltige Wurzel
[**bhleH-- : **bhH-- : (mit Laryngalmeta-
these) **bhleH- : **bhluH-], worauf ablauten-
des ahd. blûgo adv. schüchtern, wenn zugehö-
rig, weist (s. d.), ist germ. *lauþ- am ehesten
von einem o-stufigen Verbaladjektiv auf *-to-,
*bhǝ-to- [**bhH-to-], zurückzuführen;
dagegen könnte eine d-Erweiterung fortgesetzt
sein in mhd. blôz bloß, ae. blēat arm, elend,
aisl. blautr weich, schwach, furchtsam usw.
oder ein ursprl. n-stämmiges Paradigma *lau-
þa-n-, *laut(t)- der Schwache (?) (s. Lühr,
Expressivität 267 f.) zugrundeliegen ( blôz,
das aber superbus glossiert); und ein ko-Suffix
der Wurzelform *bhleǝ- [**bhleH-] in: aisl.
Blúgr PN, nisl. bljúgr (17. Jh.), bljúgur schüch-
tern, schamhaft
. Das kurze u in ae. ā-blycgan
erschrecken, erstaunen (< *bluggjan < germ.
*lugjan) wäre dann wie in anderen Fällen eine
sekundäre, erst im Germ. eingetretene Kürzung.
Andererseits spricht auch vieles für die Herlei-
tung der ganzen germ. Sippe von der idg. Wz.
*bhle- (s. o.): aisl. blautr ( blôz) bedeutet
nicht nur weich, schwach, furchtsam, sondern
auch durchnäßt (Egilssaga), ebenso nisl. blau-
tur; vgl. auch das aus dem Skand. entlehnte
lapp. (schwed.) Wort lāuhtas, lāktas feucht,
weich
, lapp. (norw.) lāvtas naß. Damit lassen
sich lautlich und bed.mäßig vergleichen gr. φλυ-
δάω fließe über, zerfließe, werde weich, φλυ-
δαρός matschig. Weiter können mit ahd. blûgo
usw. verwandt sein lett. bugu, bugt weich,
schleimig werden und sich lösen
(von Pilzen
und Kartoffeln), bugains schmutzig, kotig,
naß
; lit. bliùkti weich werden ( blûgo).

Diese an sich sehr ansprechende etymologische
Verknüpfung hat nur den Nachteil, daß gr.
φλαῦρος, φαῦλος wegen ihres au-Diphthongs
fern bleiben müssen (germ. *lauþ-, *laut-
können auf *o- zurückgehen) es sei denn,
es handelt sich um eine Mischung zweier
Basen: *bhle- : *bhlo- : *bhlu- und *bhla- :
*bhlo- : *bhlu-, was sich aber nicht beweisen
läßt.

Abzulehnen F. A. Wood, MLN 15 (1900), 326: zu
aind. mlyati welkt, erschlafft, wird schwach, gr.
βλξ slack, inactive, stupid, effeminate (idg. Wz.
*mel- crush, rub, grind); ähnlich Bartholomae, Ai-
ran. Wb. 1196 f.: zu av. mrutá- aufgerieben,
schwach
.

Information

Band II, Spalte 194

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemma:
Referenziert in: