bliuwan
Band II, Spalte 190
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bliuwan st. v. II schlagen, prügeln, geißeln,
(ex)tundere, cudere, percutere, verberare
präs.:
bliu(w)-, pliu(w)- (analog. Formen vom
12. Jh. an: blow-, pluw- u. a.); prät. sg. plau
(nur einmal in Gl., 9. Jh., AJPh. 55 [1934],
231); prät. pl. bluun (Otfrid); part. prät. ka-
pluan, geblúenez (Notker, Ps.).

Das u im Prät. und Part. Prät. dieses Verbs, wie auch
der anderen Verben auf -iuwan ([h]riuwan, kiuwan,
u. a.), war, anders als Seebold, Germ. st. Verben 121
angibt, im Ahd. urspr. lang, denn Otfrids Gebrauch
von bluun (4, 34, 21) auch ru(v)un in derselben Zeile
in der Kadenz schließt die Möglichkeit eines kurzen
Vokals aus (nur bl/ùn ist möglich, nicht bl/ùn).
Der einzige Beleg bei Notker (s. o.) zeigt die normale
Kürzung eines langen Vokals vor einem folgenden Vo-
kal in dreisilbigen Formen ([ge]blúenèz); s. A. L.
Lloyd, JEGP 60 (1961), 79 ff.; ähnlich schon R. Koe-
gel, PBB 9 (1884), 540 ff., der auch als erster die
urspr. Länge dieses Vokals zu beweisen versuchte. Die
Entstehung des langen Vokals (-ū[w]- < -uww-[?]; s.
Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 113 Anm. 2. 333 Anm. 4, und vgl.
ûwila Eule [s. d.] < *uwwilō-[?]) ist wie so vieles,
was mit der germ. Verschärfung zusammenhängt,
noch nicht vollständig geklärt; s. z. B. F. O. Lindeman,
Stud. Ling. 16 (1962), 1 ff. (bes. 18 f.); ders., Origines
i.-e. de la Verschärfung (Oslo, 1964), § 17, 4 ff. (Rez.
von R. Hiersche, PBB 90 [Tübingen, 1968], 118 ff.).

Mhd. bliuwen, md. blū(w)en (blou, blû[w]en [auch
bliuw-, blouw-], geblû[w]en [auch -bliuw-]); nhd.
bleuen, bläuen (volkset. zu blau gezogen).

Ahd. Wb. I, 1219 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 81; Schütz-
eichel⁴ 78; Starck-Wells 66 f.; Graff III, 257 f.; Schade
76; Lexer I, 310; Benecke I, 211; Dt. Wb. II, 111 ff.;
Kluge²¹ 84; Kluge²² 92; Pfeifer, Et. Wb. 184 f. (s. v.
blau).

Entsprechende Verben sind nur im Ndd., Ndl.
und Got. belegt: as. *ūt-bleuwan ausschlagen
(nur einmal utbliuuid excudit, Prud. Gl., s.
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 100, 39; Holthau-
sen, As. El.buch § 431 Anm. 1), mndd. blūwen;
mndl. blouwen, blūwen, nndl. blouwen; got.
bliggwan. Verwandt ist wohl auch aisl. *blegði
Keil < *blawwiđan-(?) (nur einmal belegt und
zwar als bleðgi, Króka-Refs Saga; aber vgl.
shetl. bleg[d], blig[d] kleiner Keil, nnorw.
bløyg, blei[g], nschwed. dial. bläjde, blägde
usw., ndän. dial. blejr).

Wahrscheinlich nicht hierher me. blou, blau, ne. blow
Schlag (die manchmal zitierte me. Form blēwe
kommt weder im ME Dict. noch bei Stratmann-Brad-
ley, ME Dict.³ vor) trotz Skeat, Et. Dict. of Engl. 64 f.,
Stratmann-Bradley 79; s. Oxf. Dict. of Engl. Et. 102;
ME Dict. AB, 995 (zu blouen blasen, wehen).

Fick III (Germ.)⁴ 287; Seebold, Germ. st. Verben
120 f.; Gallée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 361; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 302; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. VI, 73; Verdam, Mndl. handwb. 105;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 74; Vries, Ndls. et. wb.
67; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 100; Lehmann, Gothic
Et. Dict. B-80; Vries, Anord. et. Wb.² 43; Jóhannes-
son, Isl. et. Wb. 643; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 61;
Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I, 836; IV, 53;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 19; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 81 (blei); Torp, Nynorsk et. ordb.
32; Svenska akad. ordb. B-3595 f. (blägde); Jakobsen,
Shetl. et. ordb. 48. Zur Verschärfung vgl. auch Brug-
mann, Grdr.² II, 3, § 224 Anm.; Trautmann, Germ.
Lautgesetze 40 ff.; W. van Helten, PBB 30 (1905),
244 ff.; F. van Coetsem, Leuv. bijdr. 39 (1949), 41 ff.;
E. G. Polomé, Language 25 (1949), 182 ff.; N. E. Col-
linge, Laws of IE (Amsterdam, 1985), 93 ff.

Das germ. Verb *lewwan- hat keine außer-
germ. Verwandten und keine sichere Etymolo-
gie. Pokorny 125 setzt eine idg. Basis *bhele-
schlagen, durch Schlagen kraftlos machen usw.
an, wozu sowohl ahd. bliuwan als auch ahd. ba-
lo
Verderben (s. d.) gehören sollen; aber da
dieses Wort auch nur wenige z. T. unsichere au-
ßergerm. Vergleiche bietet und seine Beziehung
zu bliuwan nicht feststeht, bleibt der Ansatz
kaum mehr als eine theoretische Konstruktion.
(Abzulehnen ist jedenfalls die Annahme irgend-
eines Verhältnisses zu der Sippe von ahd. blôdi,
s. d.)

Die durch germ. *lewwan- vorausgesetzte Ba-
sis *bhleǝ- ließe sich viell. doch als Erweiterung
einer idg. Wz. *bhel(ǝ)- schlagen in eine größe-
re idg. Wortsippe einreihen. Zwar ist diese Wz.
spärlich bezeugt: wahrscheinlich in germ. *el-
lan- stoßen, treffen ( -bellan²), *lasti- stra-
ges
( blast), mit zusätzlicher d-Erweiterung in
der Sippe von ahd. bolz Bolzen (s. d.) und in
der Form *bh- in lat. flagrum Geißel usw.
S. bes. A. L. Lloyd, AJGLL I (1989), 53 ff.; Fow-
kes, Gothic Etym. Studies Nr. 5; Seebold,
a. a. O. 121.

Abzulehnen F. A. Wood, JEGP 1 (1897), 295 f.; MLN
15 (1900), 326: zur idg. Wz. *mel- crush, rub, grind;
O. Hoffmann, BB 26 (1901), 131: zu lat. flīgō schla-
ge
(vgl. Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 517).

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