brâtan
Band II, Spalte 299
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brâtan red. v., fast nur in Gl., zweimal bei
Otfrid (5, 13, 32 und 14, 21): braten, dünsten,
schmoren, assare; backen, rösten, dörren, fri-
gere
Var.: pr-, auch -d-. Mhd. brâten, nhd.
braten.

Ahd. Wb. I, 1324 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 96; Schütz-
eichel⁴ 80; Starck-Wells 74. 795; Graff III, 284; Scha-
de 82; Lexer I, 342; Benecke I, 233; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 55 (assāre). 247 (frigere). 589 (torrēre); Dt.
Wb. II, 310 f.; Kluge²¹ 96; Kluge²² 102; Pfeifer, Et.
Wb. 208.

Das ahd. Wort hat lautgesetzliche und sinnver-
wandte Entsprechungen (vielfach sw. v.) in allen
germ. Sprachen: as. gebrādan = assum, gibrā-
tan = abustus (beides part. prät., s. Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 101, 10 f. bzw. 7, 25), mndd.
brāden braten, backen, sieden sw. v. mit st.
Part.Prät.; mndl. braden, braen, nndl. braden
sw. v.; afries. brēda, nfries. brāden; ae. brǣdan
sw. v., me. brēden (auch -æ-), ne. brēde (seit
1500 veraltet); aisl. nisl. bræða (-dd-) schmel-
zen
, auch teeren (spät bezeugt), nnorw., ndän.
bræda, nschwed. dial. bräda (aschwed. brādhin
geschmolzen).

Krimgot. ist breen = assare überliefert, das von
R. Loewe, Die Reste der Germanen am Schwarzen Mee-
re (Halle, 1896), 148 f. 173, zu hd. brāten, ndl. bra-
den, also mit Schwund des intervok. -d- zu einem er-
schlossenen bibelgot. *brēdan gestellt wurde. Aber wie
schon Th. von Grienberger, ZfdPh. 30 (1898), 133,
dem mit Recht entgegenhielt, müßte einem bibelgot.
-ē- krimgot. -ī- entsprechen, weshalb er zum Ansatz
eines got. *braian [brε:an] (wie saian) daraus krim-
got. breen [bre:en] seine Zuflucht nahm; als Stütze
zitiert er mhd. bræjen riechen, duften ( brâdam)
und ablautend ahd. (fir)bruoen (s. d.). Dieser Deutung
haben sich, als der lautlich plausibleren, nicht nur
Schwarz, Goten, Nordgermanen, Ags. 165, sondern
neuerdings auch Stearns, Crimean Gothic 132, ange-
schlossen.

Fick III (Germ.)⁴ 263 f.; Seebold, Germ. st. Verben
128 f.; Holthausen, As. Wb. 9; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 338; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. I, 412; Verdam, Mndl. handwb. 114; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 88 f.; Vries, Ndls. et. wb. 83; Holt-
hausen, Afries. Wb.² 12; Richthofen, Afries. Wb. 666;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 215 f.;
Holthausen, Ae. et. Wb. 32; Bosworth-Toller, AS
Dict. 119; Suppl. 103; Suppl. II, 12; ME Dict. AB,
1123; OED² II, 524; Vries, Anord. et. Wb.² 62; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 613 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 28; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 110.
96; Torp, Nynorsk et. ordb. 38; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 105; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 104 f.; Leh-
mann, Gothic Et. Dict. B-95; Stearns, Crimean Gothic
132.

Während sich aus dieser Übersicht ein Grund-
wort *rǣđan- ergibt, das im Germ. fast allge-
mein gilt, überrascht das Fehlen eines formal
und begrifflich entsprechenden Gegenstücks in
allen anderen idg. Sprachen, eine Tatsache, die
wohl letzten Endes in der so verschiedenen Art
vorgeschichtlicher Speise-, insbesondere Fleisch-
zubereitung begründet ist. Man beachte etwa,
wie selbst innerhalb des Germ. im Laufe der Zeit
zwischen dem im Nordgerm. durchdringenden
Ausdruck *staikjan- (alt- und neuisl. steikja,
nschwed. steka, ndän. stege), d. h. am Spieß
mürbe machen oder zubereiten
, und dem west-
germ. bevorzugten Terminus *rǣđan-, d. h.
zwischen erhitzten Steinen oder in bedecktem
Gefäß dünsten
, unterschieden wurde (vgl.
Heyne, Hausaltertümer II, 289 f.); auch an den
spezialisierten Wortreichtum im modernen
Englisch sei erinnert: bake, broil, fry, grill,
roast.

So kann es sich nur noch darum handeln, den in
germ. *rǣđan- vorliegenden Stamm in lautlich
und begrifflich nahestehenden Wortbildungen
außerhalb des Germ. nachzuweisen. Von jeher
(s. L. Meyer, Zfvgl.Spr. 8 [1859], 72 f.) hat man
aind. bha- geröstet, gebraten, bhjjáti rö-
stet
herangezogen viell. mit einer Vorform
*bhj-yá- (an einer idg. Grundform *bh-g-
mit palatalem und velarem g bestehen zu Recht
Zweifel, s. Walde-Pokorny II, 165 unten) ;
und dazu wurden npers. bartan röstend, bra-
tend
gestellt sowie mpers. britan, npers. biri-
tan braten, biryān braten, gebraten, s.
Chr. Bartholomae, Sitz.ber. d. Heid. Akad. d.
Wiss. 1924/25, VI, 33 f. 56. Insofern als sich
daraus der Ansatz einer idg. Wz. *bher-- er-
gab, klärte sich auch die Etym. von lat. fertum,
alat. ferc-tum Opferkuchen (das ja sowohl
wie g enthalten kann, Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 486 f.); auch ein balt. Zeugnis, apreuß.
aubirgo = garbreter (Garkoch), mit velarem
-g- (vgl. jungav. parō.bǝrǝjiia- Adj. zu aoniia-
Bezeichnung einer Feuerungs- oder Heizvor-
richtung), ist viell. hierher zu stellen (anders To-
porov, Prusskij jazyk I, 143). Rechnet man dar-
über hinaus mit Wz.erweiterungen wie *bher-e-
oder *bher-e-, so finden sich solche in lat. frīgō
röste, dörre bzw. gr. φργω dss. sowie lat. dē-
fruō, dēfrutum koche ein, lasse gären wieder.
Aus dem Kelt. melden sich Bildungen wie mir.
berbaim siede, koche, kymr. berwi, bret. birvi
u. a., brod, brôt.

Dagegen fehlt es an idg. Bildungen mit Dental-
erweiterung, die man einer germ. Grundform
*rǣđ- an die Seite stellen könnte, außer lat.
fretale, -is Bratpfanne, vielleicht auch, wenn-
gleich mit ganz anderem Sachgehalt, lat. fretum,
daneben fretus, -ūs Wallung, Brandung (des
Meeres), Meerenge
(so etymologisierten schon
die Alten wie Servius in seinem Aeneis-Kom-
mentar: ab undarum fervore nominatum, I,
607; ähnlich Varro, De lingua latina [Berlin,
1826] 7, 22). Zu der Ablautvariante idg. *bhrō-,
mit und ohne Dental, bruoten, firbruoen.
(Fern bleibt dagegen gr. βράττω siede, brause
auf
, s. Frisk, Gr. et. Wb. I, 263; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 547).

Zugrunde liegt die idg. Wz. *bher(ǝ)-
[**bher(H)-] (heiß) aufwallen, -brausen;
brâdam.

Wohl abzulehnen Kluge²² 102: zu idg. *gher- bren-
nen
; brinnan.

Walde-Pokorny II, 158; Pokorny 133; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 520 f.; ders., Wb. d. Altindoar. II,
278; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 486 f. (fertum).
548 (frīgō); Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 253; Traut-
mann, Apreuß. Spr.denkm. 306 (Elb. Vok. Nr. 347);
Frisk, Gr. et. Wb. II, 1046 (φρύγω). 1054 (φύρω). 582
(πορφύρω); Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 36. 115;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 546 f. (fretum, fre-
tale); Thes. ling. lat. VI, 1, 1311 (fretale).

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