bruoh²
Band II, Spalte 394
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bruoh² n. (m.?) a-St., nur in Gl.: Sumpf,
sumpfiger Boden, morastiges Gelände, palus

Var.: pr-, -ch. Mhd. bruoch st. n. m. Moor-
boden, Sumpf
. Nhd. Brūch m. (selten n.)
Sumpfland ist in manchen Gegenden hoch-
sprachlich nicht mehr als Appellativum ge-
braucht, nur noch mdartl. (s. u.) oder aber er-
starrt in Örtlichkeitsbezeichnungen wie Bru-
ch(e), Broich, Brau(c)k, viel häufiger als Be-
stimmungswort von Zss.: Bruchem, Brochem,
Brockum (< *Bruoh-heim), Bruch-, Brockhau-
sen, Bruchsal bei Karlsruhe (locus inter palu-
des Rheni
, nach 1200), Brüssel (Belgien) <
Brucsella a. 1134, s. Bach, Dt. Namenkunde II
§ 309; Förstemann, Adt. Namenbuch 2-3 II, 1,
578 ff.

Ahd. Wb. I, 1452; Splett, Ahd. Wb. I, 112; Starck-
Wells 81. 796; Graff III, 271; Schade 84; Lexer I, 368;
Benecke I, 270; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 408 (pa-
lus); Dt. Wb. II, 410; Kluge²¹ 103; Kluge²² 108; Pfei-
fer, Et. Wb. 219.

Das ahd. Wort hat fast in allen westgerm. Dia-
lekten lautliche, wenn auch z. T. bedeutungsmä-
ßig abweichende Entsprechungen: as. brōk (nur
in Ortsnamen), mndd. brōk, brūk, brōke
Bruch, Sumpf-, Moorland; niedriges nasses
Uferland
; mndl. broec, broic, brouc, bruec,
nndl. broek; nfries. brōk; ae. brōc m. Bach, me.
brōk, auch brocke, brouk(e), broyc, bruk(e), ne.
brook dss.; im Nordgerm. und Got. nicht zu
belegen.

Fick III (Germ.)⁴ 278; Holthausen, As. Wb. 10;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 351; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 427 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 118; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 94; Vries,
Ndls. et. wb. 89; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries.
Spr. I, 233; Holthausen, Ae. et. Wb. 35; Bosworth-
Toller, AS Dict. 126 f.; Suppl. 106; Suppl. II, 12; ME
Dict. AB, 1193 f.; OED² II, 584.

Germ. *rōka- hat trotz mehrerer Erklärungs-
versuche keine sichere Etymologie.

1) Man hat es mit gr. βράγος ἕλος (Hesych I,
343) feuchte Wiese, sumpfige Niederung ver-
knüpft (vgl. Fick, a. a. O.), aber dieses nur ein-
mal belegte Wort ist auch etymologisch dunkel
(vgl. Frisk, Gr. et. Wb. I, 262; Nachtr. 56;
Chantraine, Dict. ét. gr. 192). A. Fick, BB 29
(1905), 199 f. hielt es für eine makedon. Form,
die gr. βράχος, βράχεα feuchte Stellen ent-
spricht, dies schließt jedoch eine Verbindung
mit germ. *rōka- aus. Dagegen stellt E. Çabej,
Pisani-Festschrift I, 176 germ. *rōka- zu alban.
bërrakë sumpfiges Land und gall. *bracum
Morast in italien. braco, frz. brai usw., was
sehr fraglich ist, denn das alban. Wort ist wohl
eine serbo-kroat. Entlehnung (< serbo-kroat.
barak, zu slav. *bara Sumpf; vgl. P. Skok,
ZfOrtsnamenf. 4 [1928], 207; Sadnik-Aitzet-
müller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 142; Meyer,
Et. Wb. d. alb. Spr. 33), während gall. *bracu-
(*bragu-), das auch in roman. Ortsnamen vor-
kommt, meistens auf urkelt. *mraku-, idg.
*mrǝku- zurückgeführt und zur idg. Wz.
*mer(ǝ)k-, *mer(ǝ)- morsch sein, faulen, er-
weichen
gestellt wird (vgl. Wartburg, Frz. et.
Wb. I, 489; Pokorny 739). Versuche, auch
germ. *rōka- von *mer(ǝ)- herzuleiten (wie
z. B. Walde-Pokorny II, 234 f. 282; Pokorny
739 f.; Zupitza, Germ. Gutturale 196), beruhen
auf der besonders seit Osthoff, Morph. Unters.
V, 85 ff. immer wieder vorausgesetzten, aber
höchst unsicheren Annahme eines Lautwandels
von idg. *mr- zu germ. *br-.

2) Auf demselben fraglichen Lautwandel beruht
auch die etym. Anknüpfung an kelt. *brog- (<
idg. *mrog-), das mit dem Diminutivsuffix -lo-
(*brogilo-) in dem mhd. Lehnwort brüel um-
zäuntes, meist feuchtes, zum Besitz des Dorf-
oberhauptes gehöriges Wald- oder Wiesenge-
lände
vorkommt und als Simplex in gall. brogae
ager, air. mruig, mir. bruig, kymr. korn. bret.
bro Bezirk, Gegend, (Grenz-)Land belegt ist
( brüel). Da idg. *mro-, *mor- (zur Wz.
*mere- Pokorny 738) ursprl. wohl Rand,
Grenze
bedeutete vgl. lat. margō Rand,
Grenze
, nhd. Mark , müßte man bei ahd.
bruoh mit einer Bed.entwicklung Grenzsumpf
> Sumpf und bei ae. brōc mit einer Bed.ent-
wicklung Grenzfluß, -bach > Bach rechnen
(vgl. H. Dittmaier, ZfdA. 84 [1952], 176 ff.;
Kluge²¹ 103).

3) Obgleich die Verwandtschaft mit kelt. *brog-
aus lautlichen Gründen zweifelhaft ist, wäre
eine Entlehnung aus dem Kelt. nicht ausge-
schlossen, denn schon gall. brogae bezeichnete
irgend eine Art Feld (s. o.), während das ver-
wandte mhd. Lehnwort brüel den Begriff der
Feuchtigkeit enthält; aber die weitere Entwick-
lung zu ae. brōc Bach ist weniger einleuchtend.
4) Früher hat man germ. *rōka- auch vom Verb
*rekan- brechen abgeleitet (so Noreen, Urg.
Lautlehre 43: wo das Wasser hervorbricht,
ähnlich Trübners Dt. Wb. I, 440 u. a.) und die
Motivation der Benennung in den strömenden,
die Erdoberfläche durchbrechenden Gewässern
gesehen. Zur Form vgl. ae. aisl. sōt Ruß (was
sich ansetzt
) zur idg. Wz. *sed- (vgl. Kluge, Ur-
germ.³ § 107; Vries, Anord. et. Wb.² 531 und
sizzen) wie auch ahd. bruoh¹ (s. d.). Was einen
möglichen Bed.wandel von brechen zu bruoh²
anbelangt, so sei an aind. giri-bhráj- erinnert,
mit einer möglichen Bed. aus den Bergen her-
vorbrechend
(?) in Bezug auf Gewässer ( bre-
chan
und vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
527; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 277: Steif-
heit wie Berge habend
; s. auch Darms, Schwä-
her und Schwager 298); vgl. auch bah Bach,
Wasserlauf
, wohl zur idg. Wz. *bheg- : *bhog-
brechen, schlagen (s. d.). Obgleich diese Lö-
sung auch als unsicher gelten muß, ist sie doch
wohl den anderen etym. Versuchen vorzuziehen
wenn es sich hier um ein germ. Wort und nicht
um eine kelt. Entlehnung handelt (s. o.).

Während die Nachkömmlinge des altdt. Wortes
nicht nur in der Hochsprache der Gegenwart,
sondern auch in den obd. Mdaa. des Südens
meist nicht mehr appellativisch gebraucht wer-
den, sind sie auf md. Boden noch weit mehr und
im Niederdt. mdartl. fast noch überall geläufig,
wie sich aus den Einzeleinträgen der dt.
Mda.wbb. ergibt:

im Schweiz. Id. nicht verzeichnet(!); Fischer, Schwäb.
Wb. I, 1456 (Bei uns stets f.; anderswo m. n. Nur
noch als Flurname
); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 342 f.;
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 1133
(veraltet); Crecelius, Oberhess. Wb. 211 (meist nur
als Eigenname
); Vilmar, Id. von Kurhessen 56 (Brōk
m.n.; Appellativ nur im westfäl. oder sächs. Hessen);
Christmann, Pfälz. Wb. I, 1265 f.; Müller, Rhein. Wb.
I, 1025 ff.; Mitzka, Schles. Wb. I, 163; Dähnert, Platt-
Dt. Wb. 57; Kück, Lüneb. Wb. I, 238; Richey, Id.
Hamburgense 24 f.; Bretschneider, Brandenb.-berlin.
Wb. I, 759; Ziesemer, Preuß. Wb. I, 808: Brok n. s.
Bruch 826 f.

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