dahs
Band II, Spalte 496
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dahs m. a-St., nur in Gl. und ON (Tahssa-
narra Ort, wo sich Dachse aufhalten, a. 897;
Dahsluchirun, 11. Jh.): Dachs, melos, taxus
(Meles meles L.). Wegen des Nom. Sg. dahse
Gl. 3, 34, 56 (2 Hss., 13., 14. Jh.), des Pl. nhd.
dial. bair., schwäb., schweiz. dachsen und wohl
auch wegen des Lehnwortes spätlat. taxo, das
auf einen germ. n-Stamm weisen kann (s. u.),
ist neben dahs ein m. n-St. *dahso anzusetzen;
vgl. ferner westmd. dāsse, mndd. dasse (seit
dem 13./14. Jh., s. u.). Mhd. dahs st.m., nhd.
Dachs.

Ahd. Wb. II, 25 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 123; Starck-
Wells 89. 798; Graff V, 123; Schade 94; Lexer I, 407;
Benecke I, 299; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 355 (me-
los). 574 (taxus); Dt. Wb. II, 666; Kluge²¹ 119; Klu-
ge²² 125 (unklare Herkunft); Pfeifer, Et. Wb. 250; Pa-
lander, Ahd. Tiernamen 57; Bach, Dt. Namenkunde
II, 198. 320; Hoops Reallex. I, 384; Hoops Reallex.²
V, 134 ff.

Entsprechungen zu ahd. dahs sind: as. thahs in
ON (Thahshēm, -beki), mndd. das, dasse (alle
vorkommenden Belege stehen unter fremdem
[frk., ndl.] Einfluß); mndl. das, nndl. das (in äl-
teren Glossaren auch in der Bedeutung dam-
[m]a, Reh, Gemse
, s. Diefenbach, a. a. O. 165;
O. de Neve, Tijdschrift 55 [1936], 177 ff.;
L. C. Michels, Tijdschrift 56 [193637], 95 f.);
nfries. daks, das; aisl. þx- in ON, nnorw. dial.
svintoks (für hochsprl. grevling), ndän. svintoks
(nhd. schweiz. Schwîndachs, preuß. Schweine-
dachs für den Dachsrüden gegenüber Hunde-
dachs für die jüngeren und weiblichen Tiere
[vgl. frz. tais-porc, tais-chien, italien. tasso-por-
co, tasso-cane]).

Fick III (Germ.)⁴ 178; Holthausen, As. Wb. 76;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 400; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 488; Verdam, Mndl. handwb.
129; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 107; Vries, Ndls. et.
wb. 106; Dijkstra, Friesch Wb. I, 258; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 273 f.; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1218 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
756 f.

Als Entlehnung aus dem Germ. begegnet im
5. Jh. in einem in Südgallien verfaßten Kommen-
tar zum Hebräerbrief des Apostels Paulus ein
spätlat. taxus Dachs; daneben tritt taxo in dem
a. 448/9 wohl in Lyon entstandenen Laterculus
des Polemius Silvius auf. Eine Ableitung taxonī-
nus zum Dachs gehörig ist schon für Marcellus
Empiricus (um 400) gesichert (taxonina adeps
Dachsfett). Problematisch ist, daß Isidor,
Orig. XX, 2, 24 taxea Speck als gall. Wort be-
zeichnet und dazu eine Stelle des Komödien-
dichters Afranius (2. Jh. v. Ch.) anführt: Taxea
lardum est Gallice dictum: unde et Afranius in
Rosa: Gallum sagatum pingui pastum taxea?
(Hehn, Kulturpflanzen u. Haustiere⁸ 589). Da
im Kelt. kein taχus, von dem taxea abgeleitet
sein könnte, belegt ist, bleibt kein anderer Weg,
als anzunehmen, daß das Wort Dachs aus dem
Germ. ins Kelt. und noch im 2. Jh. v. Chr. weiter
ins Lat. übernommen worden ist (A. Thomas,
Romania 35 [1906], 193 f.; Hoops Reallex.² V,
135).

Was den n-Stamm vulg.lat. taxo, -one (italien.
tasso, galiz. teiso; afrz. taisson, tasson, prov. tai-
só, katal. teixó, span. tejón) betrifft, so wird
dieser wegen span. tasugo, port. teixugo Dachs
zumeist als eine Erweiterung aus mlat. taxus
(prov. tais), einer Entlehnung aus westgerm.
*þahs (urgerm. *þaχsa-), betrachtet. Daß im
Span. und Port. das speziell bei Tiernamen be-
liebte Suffix -one durch das seltenere -ūcu er-
setzt worden sei, ist weniger wahrscheinlich, als
daß dieses an das einfache *taχu angefügt wor-
den sei (J. Brüch, Volkstum u. Kultur d. Roma-
nen 7 [1934], 253; Zfrom. Ph. 57 [1937], 69 ff.;
G. Rohlfs, Arch. f. d. St. d. neueren Spr. 167
[1935], 72 f. [gegen E. Gamillschegs, Zffrz.Spr.
59 (1938), 97 f. Ansatz eines westgot. *þahsuks
mit k-Suffix wie z. B. in got. ahaks Taube]). Da
aber im Germ. mit einem n-Stamm zu rechnen
ist (s. o.), kann vulg.lat. taxo unmittelbar aus
dem n-Stamm urgerm. *þaχsan- entlehnt sein.
Aisl. þx- weist auf einen weiteren Stamm,
nämlich auf einen u-Stamm *þaχsu-; im Germ.
liegen bei dem Wort Dachs also drei Stämme,
*þaχsa-, *þaχsan- und *þaχsu-, vor.

Gamillscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 835; ders., Romania
Germania I, 27; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr.
8606; Diez, Et. Wb. d. rom. Spr.⁵ 317 f.; Brüch, Einfl.
d. germ. Spr. 88. 146 A.; Du Cange VI, 520; G. Grö-
ber, Arch. f. lat. Lex. 6 (1899), 121 f.; Körting, Lat.-
rom. Wb.³ Nr. 9411; Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² I,
182 f.; Wartburg, Frz. et. Wb. XIII, 1, 146.

Für die germ. Wörter mit der Bedeutung Dachs
gibt es bislang drei miteinander konkurrierende
etymologische Deutungen. Als erster dachte
Grimm, Dt. Gr. II, 40 (zustimmend Pfeifer 250)
an einen Anschluß an die Wz. uridg. *teþ- be-
hauen
, von der sich gr. τέκτων Zimmermann,
aind. tak-, av. tas-, aksl. tesati behauen, lit.
(als ursprl. Iterativ) tati (-aũ, -iaũ) (Baum-
stämme usw.) behauen, zimmern, glätten
(vgl.
av. tasa- Axt, russ.-ksl. tesla Axt und dehs,
dehsal, dehsala Axt) herleiten. Danach wäre
die Benennung von dem charakteristischen
Dachsbau ausgegangen.

Fick, a. a. O. 178; Franck, a. a. O. 107; Vries, a. a. O.
106; Hoops, a. a. O. I, 385; Pokorny 1059; Boisacq,
Dict. ét. gr.⁴ 950 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II,
678 f; Vasmer, Russ. et. Wb. III, 99; G. Burchardi, IF
47 (1929), 103; dagegen Palander, Ahd. Tiernamen
57, aber ohne weitere Begründung.

Auch wenn diese Verknüpfung wegen der Be-
deutungsverwandtschaft möglich erscheint, so
muß dem entgegengehalten werden, daß die
Wz. *teþ- (zum Laut uridg. *þ hinter *k, *
s. Rix, Hist. Gr. d. Griech.² 81; doch s. Szeme-
rényi, Einf. in d. vgl. Sprachwiss.⁴ § 54) nur eine
spezielle Art des Bauens, das Behauen des Hol-
zes, auf den Bau angewendet, also das Zim-
mern, bezeichnet hat. Für die Annahme einer
Bedeutungserweiterung der Wurzel *teþ- feh-
len sichere Anhaltspunkte. Die Bedeutungen
von lat. texō usw. jedenfalls können kaum als
Stütze dienen, da dieses Verb auf einer anderen
Wz. *teks- beruht (s. u.). Weil auch innerhalb
des Germ. keine Bedeutungserweiterung zu
bauen im allgemeinen nachgewiesen werden
kann, stellt F. Sommer, IF 31 (191213), 359 f.
die Verbindung des Wortes Dachs mit aind.
tak- usw. in Frage. Sommer seinerseits geht von
der Wohlbeleibtheit des Dachses als Benen-
nungsmotiv aus (vgl. Redensarten wie fett wie
ein Dachs
) und zieht das Wort dick < uridg.
*tegu- (air. tiug, nkymr., nkorn. tew, nbret. teo
dick) zum Vergleich heran. Zur Erklärung der
Formenbildung des Wortes Dachs nimmt er eine
ältere Form vorurgerm. *tog-s-o- an, deren *s
aus den Wörtern Luchs und Fuchs analogisch
auf Dachs übertragen worden sei. Der o-stäm-
migen Ausgangsform *togo- stellt er dabei Bil-
dungen wie nhd. bar < uridg. *bhosó- (aksl.
bosъ, lit. bãsas barfuß, bar) zur Seite.

Zustimmung hat Sommers Etymologie gefunden bei
Walde-Pokorny I, 718; dagegen ist z. B. Vries, a. a. O.
106; ohne Entscheidung Kluge²¹, a. a. O.; O. Paul,
WuS 20 (1938), 41; Schrader, a. a. O. I, 180.

Sommer bemerkt allerdings zu der Flexion als
n-Stamm im Germ., daß eine Fortsetzung der
ursprl. Adjektivfunktion als schwaches *þah-
san- neben dem starken a-Stamm *þahsa-

zweifelhaft sei. Doch ist die sw. Flexion im
Germ. belegt und möglicherweise schon von
dem erwähnten spätlat. taxo gefordert; dazu
kommt die Flexion als u-Stamm, die Sommer
gänzlich außer Betracht läßt (s. o.).

Die dritte etymologische Deutung stammt von
H. Palander, Mém. soc. néophil. à Helsingfors 2
(1901), 99, der *þahsu- als s-Erweiterung zu
lat. tegō decke stellt.

Von den etymologischen Deutungen des Wortes
Dachs ist die erste wohl abzulehnen; denn bei
dieser Etymologie muß eine auf das Germ. be-
schränkte Bedeutung einer idg. Wz. angenom-
men werden. Ebenso zweifelhaft erscheint die
Verbindung mit lat. tegō, da sich die zugrunde-
liegende Wz. in Anbetracht ihrer Bedeutung
nicht zur Bezeichnung der Erdbauten des Dach-
ses eignet; vgl. die von der Grabtätigkeit des
Dachses ausgehenden Bezeichnungen mndd.
grēvinc (daraus ält. ndän. græving, und unter
Einfluß von mndd. grēvel nnorw. grevling, ält.
nschwed. grävling), grēver, grēvel (auch ost-
mndl.) eigtl. Gräber. Was Sommers etymologi-
schen Anschluß betrifft, so ist die Deutung
*tog-s-o- der Dicke von der morphologischen
Seite her möglich; denn auch sonst begegnet ein
Tiernamensuffix auf *s (Weiteres s. u.). Von der
semantischen Seite her erscheint jedoch eine
Deutung, die wie in der folgenden Herleitung
von dem für den Dachs charakteristischen Bau
(Zusammenfüger) ausgeht, plausibler.

Neben der Wurzel *teþ- ist wegen apers. ham-
taχs- kooperieren, sich bemühen, das nur auf
eine Wz. mit velarem *k zurückgehen kann,
eine weitere Wz. *teks- anzunehmen. Auf eine
solche Wz. *teks-, und zwar mit der Grundbe-
deutung zusammenfügen, deuten auch heth.
tak-mi (ták-ki-e-, ták-o als graphische Va-
rianten teils mit Sproßvokal) unternehmen, ver-
einbaren
, med. sich vertragen, (Wohnungen)
bereiten
(einem *teþ- steht im Heth. ein
*tatk- und nicht *tak- gegenüber; vgl. heth.
artakka- Bär < **Hto- gegenüber aind.
ka-, gr. ἄρκτος < **Hþo-), ferner lat. texō
flechte, webe, gr. τεχνή Kunstfertigkeit,
Handwerk, Kunstgriff
< *teks-nā. Von dieser
Wz. ist ohne weiteres das Wort für Dachs ab-
leitbar; denn der Dachs wäre wie bei der ersten
etymologischen Deutung durch den Dachsbau
er lebt in einem mit Moos und Laub ausgepol-
sterten Kessel, zu dem mehrere Röhren führen
charakterisiert.

Für die Trennung der Wurzeln *teþ- einerseits und
*teks- andererseits treten ein: K. Hoffmann, Aufsätze
zur Indoiranistik II, 595 A. 6; Pedersen, Tocharisch
141 Anm. 1; Oettinger, Stammbildung d. heth. Ver-
bums 218 f.; anders Walde-Pokorny I, 717; Pokorny
1058; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 468 (doch vgl.
ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 613 f.; dort auch zu
toch. B taktsāntsa einer, der etwas kann); Frisk, Gr.
et. Wb. II, 867 f.; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 950; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 1100; Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. II, 678 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 690;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 320; Vasmer, Russ. et.
Wb. III, 99; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1065; Mühlen-
bach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV, 175 f.; Fick II
(Kelt.)⁴ 121; Kronasser, Et. d. heth. Spr. I, 397 f.; Pe-
dersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 85; W. Foy, IF 6
(1896), 330; F. Hartmann, Glotta 4 (1913), 159 f.;
Seebold, Germ. st. Verben 511; Hoops Reallex.²
a. a. O.; Kluge²² 130.

Im Falle der Herleitung von der Wz. uridg.
*teks- zusammenfügen läge ein o-stufiges No-
men agentis *toks-on- zugrunde; vgl. anord.
rakki m. Hund, eigtl. wohl Verfolger (Lühr,
Expressivität 220 f. 313 f.). Von einem alten n-
Stamm aus ergäbe sich ferner eine Erklärung für
die Flexion des Wortes Dachs als u-Stamm im
Nordgerm. Aufgrund des auch anderweitig be-
zeugten Nebeneinanders von n- und u-Stäm-
men im Germ. (vgl. z. B. das Nebeneinander des
ererbten n-Stammes ahd., as. ohso, aisl. oxi, ae.
oxa Ochse und der u-stämmigen Form got.
auhsau [für den dat. pl. auhsum, handschriftlich
auhsunns, liest man heute akk.pl. auhsnuns =
aind. uká; s. J. Mansion, BSLP 31 [1931],
58 f.) besteht Anlaß zu der Vermutung, daß aus
dem Dat. Pl. vorurgerm. *-u(n)miz > *-umiz
von n-Stämmen im Germ. u-Stämme hervorge-
gangen sind, die vornehmlich im Anord. auftre-
ten. Was den a-Stamm *þaχsa- angeht, so ist
dieser wahrscheinlich nach dem Vorbild gleich-
bedeutender a- und n-Stämme von dem n-
Stamm rückgebildet worden; vgl. den a-Stamm
ahd. swehur, ae. swēor neben dem n-Stamm
got. swaíhra Schwiegervater (Krahe-Meid,
Germ. Sprachwiss. III § 92; Lühr, a. a. O. 212).
Weiterhin besteht die Möglichkeit, daß der u-
Stamm zum a-Stamm wurde; vgl. ahd. dorn ne-
ben got. þaúrnus Dorn (Braune, Ahd. Gr.¹⁴
§ 220b Anm. 1).

Dagegen erwähnen Krahe-Meid, a. a. O. § 135 den u-
Stamm urgerm. *þaχsu- im Zusammenhang mit ahd.
fuhs Fuchs (got. fauho, ahd. vôha f.) und luhs Luchs
(aschwed. loæ f.) < *fuh-su-, *luh-su- (gegenüber ae.
fox und lox), weshalb man auf ein altes u-stämmiges
Tiernamensuffix *-su- schließen könnte (mit einem s-
Suffix bei dahs rechnet auch W. Unwerth, PBB 36
[1910], 22; dagegen zweifelnd Kluge, Nom. Stamm-
bildung³ § 28). Doch liegt bei dem auf das Nordgerm.
beschränkten u-Stamm anord. þx- eine nordgerm.
Sonderentwicklung vor, da nur noch im Nordgerm. u-
Stämme in größerer Anzahl vertreten sind und so auch
noch neugebildete u-Stämme aufkommen konnten. Im
Gegensatz dazu ist der u-Stamm im Falle von Luchs
und Fuchs allein im Westgerm. nachweisbar (ält.
nschwed. fux Fuchs, nschwed. fux, ndän. fuks rotes
Pferd
stammen aus dem Westgerm.; s. Palander, A-
nord. Tiernamen 44). Für u in ahd. fuhs und luhs ist so
eher mit einer Lautentwicklung wie in ahd. fugal (ne-
ben fogal), Wulf- (neben Wolf-) zu rechnen (Braune,
Ahd. Gr.¹⁴ § 32 A. 3), Fälle, in denen sich die u-haltige
Lautform vor einem u der Folgesilbe (z. B. instr. -u <
urgerm. *ō) erhalten hat (s. Lühr, Stud. z. Hildebrand-
lied 477). Die Stammbildung von ahd. fuhs und luhs
dürfte so unabhängig von der in urgerm. *þaχsu- zu
beurteilen sein.

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