dahtilboum
Volume II, Column 503
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dahtilboumAWB m. a-St.: Dattelpalme, dacty-
lus
(Phoenix dactylifera). Das Wort ist in älte-
rer Zeit nur bei Hildegard von Bingen als datil-
boum (nach a. 1150; Hs. 15. Jh.) und Gl.
3, 97, 32 als dahtilboū (Darmstadt 6, wohl
mfränk., 13. Jh.; s. Simmler, Westgerm. Kons.-
gemin. 38) belegt. Im Mhd. erscheinen dadel-
boum (nach a. 1391), tatelboum, dattelbaum,
tattelpaum neben tatler, Var. tätler, tattel,
tadel (a. 1486 Vintler) m., nach a. 1499 dattelen
boyme, frühnhd. dadilenbaum, nhd. dattel-
boum (Harsdörffer a. 1649), a. 1769 datteln-
bäume, Dattelbaum. Dem Kompositum ent-
sprechen mndd. dadel(en)bōm, dattel(en)bōm,
mndl. dade-, daey-, dayboom.

Über die Vermittlung des aus gr. δάκτυλος ent-
lehnten Wortes lat. dactylus, dessen ct im 3. Jh.
n. Chr. zu vulg.lat. ht geworden war, gelangte
das Wort Dattel in die rom. und germ. Spra-
chen. Im Germ. ergaben sich ahd. dahtilboum,
ferner mhd. tahtel Dattel, mndd. dachtelen
stê(i)n Dattelkern und im Rom. afrz. date,
12. Jh. dade, wohl aus älterem *datle, *dadle
(nfrz. datte seit dem 12. Jh.). Im Italien. war da-
gegen ct zu tt geworden: italien. dattilo (dane-
ben auch dattero), span. dátil (vgl. ferner Dia-
lekt der Dauphiné bis ins 16. Jh., aprov. datil,
woraus mfrz. datil, datele, prov. dat[ti], Mund-
art von Languedoc datus; span., katal. dátil,
port. dátile, valenc. atil), Lautformen, die in
ahd. datilboum und ferner in mhd. datel, tatel f.
(zuerst a. 1225/30 bei Rudolf von Ems [tateln];
Var.: dattel) vorliegen. Im Nhd. setzte sich bei
der Fortsetzung Dattel die Bedeutung Frucht
des Dattelbaums
durch (seltener Dattelpalme;
so mhd. 1486 Vintler tattel).

Ahd. Wb. II, 28; Splett, Ahd. Wb. I, 90. 123; Starck-
Wells 89; Schade 97; Lexer I, 419; II, 1408; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 165; Dt. Wb. II, 826; Dt. Wb.²
VI, 43. 382 f.; Kluge²¹ 122; Kluge²² 128; Pfeifer, Et.
Wb. 257; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 163; Diez, Et.
Wb. d. rom. Spr.⁵ 117; Gamillscheg, Et. Wb. d. frz.
Spr.² 297; Wartburg, Frz. et. Wb. III, 2. Die Annah-
me von Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ 229, daß nfrz.
datte aus italien. dattero hervorgegangen sei, ist wegen
des frühen Auftretens von afrz. date nicht überzeu-
gend.

Gegenüber ahd. dahtil- und datil- weisen
aschwed. daktil, anord. daktilr, ält. ndän. dak-
tyl, frühne. dactyl ebenso wie poln. daktyl un-
mittelbar auf lat. dactylus. In gleicher Weise er-
scheint bei den deutschen Humanisten im 16./
17. Jh. latinisiertes Dactel, dem mndd. dactele
entspricht.

Weitere Entlehnungen in den germ. Sprachen
finden sich in mndd. dadel(e) (Dadelen syn
vruchte van palmenbomen), datele, dattele;
mndl. dāde, daye (Diminutiv dadekijn, daye-
kijn, dayken); ne. date; nnorw. dadel; aschwed.
dattil, nschwed. dadel (a. 1818 daddel mit -dd-
wie in gadda sich zusammenrotten < mndd.
gaden passen, krydda Gewürz < mndd. krū-
de Kraut); ndän. dadel. Mndl. dāde, das häufi-
ger als mndl. dadele vorkommt, stammt wie ne.
date aus afrz. date, dade; demgegenüber sind
mndl. dadele (nndl. dadel), mndd. dadel(e)
(woraus nnorw., nschwed., ndän. dadel) aus dā-
de unter dem Einfluß von hd. dattel, mhd. ta-
tel(e) entstanden. Auf hd. Einfluß läßt auch
aschwed. dattil, mndd. datele, dattele schließen.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 389 f. 401 f.;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 473; Verdam, Mndl.
handwb. 126; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 164; Vries,
Ndls. et. wb. 103; Oxf. Dict. of Engl. Et. 241. 245.;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 133; Fritzner, Ordb.
o. d. g. norske sprog I, 234 f.; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 131; Marzell, Wb. d. dt. Pflanzennamen III,
692; E. Björkman, Zfdt. Wortf. 6 (190405), 179.

Das seit dem 15. Jh. zuerst in der Bedeutung Mur-
mel
, dann in der Bedeutung Schlag mit der flachen
Hand auf den Kopf, Ohrfeige
bezeugte Dachtel (a.
1613 dachtel mit Reim auf wachtel), das dialektal über
nahezu das ganze Sprachgebiet verbreitet (z. B. kärnt.
tchtl, steir. dchtl, tchtl, schweiz. dachtl, nndd. orta-
gel) und nur in der Umgangssprache einigermaßen ge-
bräuchlich ist, wurde früher auf mhd. tahtel Dattel
zurückgeführt und von der Bedeutung her mit Ohrfei-
ge, Kopfnuß, Maulbirne verglichen. Da die Dattel je-
doch, obwohl sie in der Bibel erwähnt ist, dem Volke
fremd geblieben ist und für Ohrfeige zudem nur die
Form Dachtel und nicht Dattel verwendet wird, ver-
bindet G. Weitzenböck, ZMF 13 (1937), 26 Dachtel
im Sinne von Denkzettel mit mhd. dâht f. Denken
(Kluge²¹ 119). Dagegen stellt H.-G. Maak, ZfDial. u.
Ling. 42 (1975), 189 ff. das Wort für Ohrfeige in den
Zusammenhang von Bildungen wie schweiz. dachtlen
aufschlagen (von geschütteltem Obst), tüchtig es-
sen
, schwäb. dachtlen fest und schnell auftreten, bair.
dechteln (Wäsche) einweichen und betrachtet Dachtel
so als eine volkstümlich-umgangssprachliche Be-
zeichnung
für Schlag; vgl. Kluge²² 124: expressive
Sippe mit expressiven Abwandlungen
auf der Grund-
lage von *þak(k)- berühren, wozu ae. þaccian be-
rühren, streicheln, as. thakolon streicheln gehören.
Auch wenn im Falle expressiver Bildungen hinter
Kurzvokal eher eine Doppeltenuis als ein Reibelaut zu
erwarten ist (s. Lühr, Expressivität 308 f.), dürfte die
Deutung von Dachtel als lautsymbolische Bildung vor-
zuziehen sein.

Wegen der Form der Dattel hat man angenom-
men, daß eine lange, fingerartige Sorte mit dem
griech. Wort für Finger, δάκτυλος, bezeichnet
wurde (Isidor, Etym. 17, 7, 1: similitudini digiti).
Doch ist gr. δάκτυλος Dattel (zuerst bei Ari-
stoteles) kaum mit gr. δάκτυλος Finger iden-
tisch, sondern eher aus einem semitischen Lehn-
wort (arab. daqal, [hebr. deqel, aram. diqlā,
phön. diqlat]) wegen der Ähnlichkeit zwischen
dem Dattelpalmblatt und den ausgespreizten
Fingern volksetymologisch nach δάκτυλος Fin-
ger
umgebildet (zustimmend Pfeifer 257). Als
der Handel mit orientalischen Datteln Bedeu-
tung erlangte die Dattelpalme bringt im südli-
chen Europa ihre Früchte nicht zur Reife ,
wurde zunächst der Name des Baumes als Name
der Frucht verwendet: gr. φοῖνιξ, lat. palma.
Später kamen andere Bezeichnungen auf, wie
gr. καρυωτός, lat. dactylus.

Während gr. φοῖνιξ mit Φοῖνιξ Phönizier identisch
ist und auf die östliche Herkunft des Baumes hindeu-
tet, ist im Lat. das einheimische Wort palma verwendet
worden, das durch den Palmsonntag auch im Nor-
den bekannt wurde. Unter den germ. Sprachen hat nur
das Got. eine einheimische Bezeichnung für den Palm-
baum (peikabagms).

Frisk, Gr. et. Wb. II, 345. 1032; Chantraine, Dict. ét.
gr. 1219; Carnoy, Dict. ét. des noms gr. de plantes 105;
Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² 184 f. 186 f.; Hehn,
Kulturpflanzen u. Haustiere⁸ 270 f. 279; Lewy, Semit.
Fremdw. im Griech. 20 f.; Gesenius, Hebr. u. aram.
Handbuch¹⁶ 893; zur Dattel als Handelsware aus
Phönizien s. Strömberg, Griech. Pflanzennamen 123.

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