denken
Band II, Spalte 579
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denkenAWB sw. I: denken, erwägen, aussinnen,
überlegen, cogitare, meditari, deliberare
Var.:
thenken, tenken, denchen, denchan; prät. dâh-
ta, part.prät. gidenkit, seltener gidâht. Mhd.
denken, prät. dâhte, part.prät. gedâht, nhd.
denken, prät. dachte, part.prät. gedacht (mit
Kürzung des Stammvokals vor Doppelkons.),
dial. überwiegend (ge)denkt.

Splett, Ahd. Wb. I, 128; Schützeichel⁴ 87 f.; Starck-
Wells 93; Graff V, 150 ff.; Schade 95 f.; Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 365 Anm. 4; Raven, Schw. Verben d. Ahd. I,
25 f.; Lexer I, 418; Benecke I, 341 ff.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 130 (cogitare); Dt. Wb. II, 927 ff.; Dt. Wb.²
VI, 649 ff.; Kluge²¹ 127; Kluge²² 134; Pfeifer, Et. Wb.
269 f.

Ahd. denken entsprechen as. thenkian, mndd.
denken; andfrk. thencon (die Flexion nach der
2. sw. Kl. ist sekundär; s. Helten, Aostndfrk.
Psalmenfrg. § 109); mndl. denken, dinken;
afries. thnka, thenza denken, nostfries. den-
ken, nwestfries. tinken, tinsen; ae. ðencan, me.
thenk, think denken, ne. think (in ne. think
[me thinks mir scheint] ist ae. ðyncan dünken,
scheinen
mit enthalten; dunken); mit variie-
render Bedeutung: anord. þekkja wahrnehmen,
erkennen, kennen, wissen
, nisl. þekja, nnorw.
dial. tekkja, aschwed. þækkia, adän. tække (da
die Assimilation von nk > kk in den Verben
nisl. þenkja, ndän. tænke, nnorw. tenke,
aschwed. þænkia, nschwed. tänka fehlt und de-
ren Bedeutung denken mit der von mndd. den-
ken denken, sich erinnern übereinstimmt, han-
delt es sich wohl um Entlehnungen aus dem
Ndd.); got. þagkjan, þaggkjan denken, sich
besinnen
< urgerm. *þank(i)jan-.

Eine bedeutungsverwandte Bildung begegnet in anord.
þekta sw. I wahrnehmen (< *þakitjan-); dagegen
gehört anord. þokka meinen, denken, beurteilen
(nisl. þokka, norw. dial. tokka, adän. tokke) als Ablei-
tung von anord. þokki m. Meinung, Urteil, Gefallen,
Verdruß; Aussehen
(vgl. ae. æf-ðunca Neid) zu der
in dunken (s. d.) vorliegenden Wz.-Form.

Fick III (Germ.)⁴ 179; Holthausen, As. Wb. 77; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 179; Berr, Et. Gl. to Hel. 405; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 414; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 503 f.; Kyes, Dict. of O. Low and
C. Franc. Ps. 102; Verdam, Mndl. handwb. 132;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 111; Holthausen, Afries.
Wb.² 110; Richthofen, Afries. Wb. 1067; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 291; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 287; Holthausen, Ae. et. Wb. 362; Bosworth-
Toller, AS Dict. 1046 f.; Suppl. 728; Suppl. II, 61;
Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 631; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 573. 917; OED² XVII, 945 ff.; Vries, Anord. et.
Wb.² 607 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 448; Holthau-
sen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 313; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 1312; Torp, Nynorsk et. ordb. 777. 780;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1265; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 487; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-2.

Außerhalb des Germ. ist mit dem Verb *þan-
k(i)jan- lat. tongēre (Ennius, Festus-Paulus)
wissen unmittelbar identisch. Zugehörige Sub-
stantive sind pränestin. tongitiō nōtiō; ablau-
tend osk. akk. tanginom sententiam, abl. tangi-
núd sententiā (mit an < * in inlautenden Sil-
ben; s. G. Meiser, Lautgesch. d. umbr. Spr. 69 f.;
anders A. Walde, Streitberg-Festschrift [1924]
194: *tong-; verfehlt: J. Whatmough, Harvard
Stud. in Class. Phil. 42 [1931], 143 f.: Entleh-
nung von messap. *tangere [mit Wandel von ur-
idg. *o > a] ins Osk.); alb. tāngë in i mbeti tān-
gë es tat ihm leid; toch. A. tuk-, B takw
Liebe (mit suffixalem w-Element). Weitere si-
chere Verwandte fehlen. Ist die Vorform uridg.
*tongee- des Verbs ein Intensiv zu einer sonst
nicht bezeugten Wz.-Form *teng-, so hat diese
Wz. etwa denken, meinen bedeutet. Die
Schwundstufe liegt in dunken vor (s. d.).

Seebold (Kluge²² 134) verbindet das Verb denken mit
aruss. tjagnuti schwer sein auf der Waagschale, wie-
gen
, russ. tjanút’ wiegen und nimmt wegen der Be-
deutungen der slav. Verben für denken eine Grundbe-
deutung wägen an. Die slav. Verben gehören jedoch
zu der Wz. *teng(h)- ziehen, dehnen, spannen ( dîh-
sala
) und haben wohl eine sekundäre Bedeutungsent-
wicklung erfahren (nach unten ziehen > wiegen).

Umstritten ist die Erklärung der in neuerer Zeit wieder
von H. Wagner (Zfcelt. Ph. 31 [1970], 24 f.) mit ahd.
denken verbundenen Verben air. tongu schwöre,
nkymr. tynghaf (d’Arbois de Jubainville, MSLP 11
[1900], 330; J. Vendryes, Ernout-Festschrift 371: air.
tongu, nkymr. tynghaf eigentlich ich rufe einen Gott
an, ich spreche ein Gebet
[dazu C. Watkins, in
Hamp-Festschrift 47 ff.] und mit ē-Suffix lat. tongeō
wie lat. voveō gelobe), da das Perf. air. do-ru-the-
thaig auf eine nasallose Wz. *te-tog-e weist (Pokorny
1054 f.: zu gr. τεταγών fassend usw.; Fick II [Kelt.
121: zu lat. tangō berühre; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. T-106 ff.: zwei Stämme *tong- aus einem Kausa-
tiv(?) und *teg-; anders Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr.
I § 61, 4: zu anord. þing gerichtliche Zusammen-
kunft; ding). Sicher bleibt gr. τάσσω, att. τάττω
stelle fest, ordne, regele (Fick I [Idg.]⁴ 442) fern,
denn gr. τᾱγός Anführer, Gebieter (zu -ᾱ- s. Chan-
traine, Dict. ét. gr. 1087 und s. dîhsala) deutet auf ana-
logisches σσ bzw. ττ und damit auf eine Vorform
*τάζω für das Verb. Die Sippe von av. θang- (θajaiie-
ni ich lenke [den Wagen], part. θaχta-) ziehen, Bo-
gen spannen
und aruss. tgo ἱμάς, lorum und damit
eine Grundbedeutung seine Gedanken anspannen
von uridg. *tongee- (J. Scheftelowitz, Wiener ZfKde d.
Morgenl. 34 [1927], 228 bzw. O. Wiedemann, BB 21
[1902], 242) liegt semantisch zu weit ab, zumal sich
die Vorform von av. θang- nicht mit der von ahd. den-
ken vereinbaren läßt ( dîhsala). Semantisch möglich
wäre eine Grundbedeutung nehmen, fassen für uridg.
*tongee- (vgl. die Bedeutung von lat. comprehendere
anfassen, begreifen), doch scheitert die Verbindung
mit lat. tangō berühren (F. A. Wood, Class. Phil. 3
[1908], 85 f.) wie im Falle von air. tongid daran, daß
die zugrundeliegende Wz. von Haus aus nasallos ist
(Pokorny 1054).

Auf eine Wz.-Variante *tenk- deuten nkymr. tank f.
Friede (< *tkā) (vgl. brit.-lat. PN Tancorix, Tanco-
nus, Tancinus), tangnef Friede, Ruhe (J. Loth, Rev.
celt. 41 [1924], 225) und lett. teñcinât loben, danken,
ausforschen
, tiñcinât viel Worte machen mit Reden,
Fragen, Danken
; zum Nebeneinander der Wz. *teng-
und *tenk- vgl. lit. téigti (-giu, -giau) und téikti er-
zählen, sagen
.

Walde-Pokorny I, 744; Pokorny 1088; Frisk, Gr. et.
Wb. I, 845 f. 859 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II,
690; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 695; Vaniek, Et.
Wb. d. lat. Spr. 99; Leumann, Lat. Laut- u. Formenleh-
re § 45d. 410, 2b; Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 424;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1072; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. IV, 163. 192; A. J. v. Windekens, Gött.
Gel. Anz. 205 (1943), 29; ders., Lex. ét. tokh. 135 (je-
doch toch. A tuk-, B takw Liebe < uridg. *dhen-
ghu-, *dhanghu- zu gr. ταχύς schnell, geschwind; da-
zu s. Frisk, a. a. O. II, 862); ders., Le tokharien 518
(zu anord. þekkja angenehm machen, das zu Un-
recht mit anord. þekkja wahrnehmen, erkennen, ken-
nen, wissen
gleichgesetzt wird; *decki); Verfehltes
zum Toch. auch bei P. Poucha, Zddt. Morgenl. Ges. 93
(1939), 211 ff.

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