*debandorn, depandorn
Band II, Spalte 548
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*debandorn, depandorn m. a-St., nur in der
Samanunga-Hs R des bair. Cod. Wien 162 (Gl.
I, 237, 34, -p-), der aus den Jahren 820830
stammt (s. Splett, Samanunga-Studien 7; Simm-
ler, Westgerm. Kons.gemin. 25): Dornstrauch,
rhamnos
. Das Wort wird mit ae. ðefan-ðorn
(þefanþorn, thebanthorn, thyfethorn usw.) m.
Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus Cathartica L.),
me. þefeþorn(e) Dornbusch, ne. theve-thorn
gemeiner Wegdorn verglichen. Das Vorder-
glied erscheint im Me. als Simplex þēfe Busch,
Zweig
(die Bedeutung Dornbusch des Kom-
positums ist auf das Vorderglied übergegan-
gen). Die frühesten Belege des ae. Komposi-
tums lauten þebanthorn EpGl 745 (8. oder An-
fang des 9. Jh.s), ðeofeðorn CorpGl 1710 (spä-
tes 8./frühes 9.Jh.) und þebanthron ErfGl 1
880 (spätes 8./frühes 9.Jh.). Ebenso wie lat.
ramnus, das aus gr. ῥάμνος entlehnt ist, nicht
nur den Dornstrauch oder Kreuzdorn (spina
alba, spina cervalis, sentix ursina), sondern
auch die Stachelbeere (groselarium) bezeich-
net, ist me. þefeþorn(e) (im 12. und 13. Jh.) als
Bezeichnung der Stachelbeere belegt. In ae.
DurGl 285 thyfe-thorn (zwischen 1100 und
1135), AntGl 1 4 323 þyfethorn ramnus vel
sentix ursina
(spätes 11./frühes 12.Jh.) ist ae.
ðefan- durch eine Ableitung von ae. ðūf m.
Büschel, Busch ersetzt worden; vgl. auch ae.
ðfel m. Busch, Dickicht.

Splett, Ahd. Wb. I, 126. 146; Starck-Wells 94. 798.
840; Graff V, 227; Schade 99; Holthausen, Ae. et.
Wb. 362. 374; Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 634;
OED² XVII, 927; Bierbaumer, Bot. Wortsch. d. Ae. I,
134; II, 119 f.; III, 236; André, Termes de botanique en
latin 272; Laud Herbal Glossary, ed. J. R. Stracke (Am-
sterdam, 1974) § 1268; Hoops, Waldbäume und Kul-
turpflanzen 256. 613; E. Gutmacher, PBB 39 (1914),
244 f. (jedoch mit falscher Zuordnung von ahd. depan-
dorn zur Reichenauer Abrogans-Hs.).

Ahd. depandorn hat Grimm, Kleinere Schriften
II (Berlin, 1865), 246 (ebenso Koegel, Lit.gesch.
I, 1, 53 Anm. 1) als Brenndorn aufgefaßt und
mit andeba (D 7 antdeba) Brandstiftung (mit
Präfix anth-), deba Brand (s. d.) im Sinne von
Anzündung, Brandstiftung (Nom. eines ō-
Stammes) oder Brandstiftungsbuße (Akk. eines
ō-Stammes) der Malbergischen Glossen der
Lex Salica (20, § 1; 21, § 1) verglichen (dazu
J. Grimm, Vorrede zu Merkel, Lex Salica [1850]
XLVII; H. Kern, in Lex Salica [Hessels] § 95
103. 105. 107; W. L. v. Helten, PBB 25 [1900],
348 f.; Baesecke, Vor- und Frühgesch. des dt.
Schrifttums [1950], 55; W.Jungandreas, Leuv.
bijdr. 44 [1954], 127 ff.; R. Schmidt-Wiegand,
Rhein. Vj.blätter 32 [1968], 150). Helten
(a. a. O. 348) wies die Verbindung jedoch zu-
rück, weil *(-)defa der Malbergischen Glossen
zu gr. τέφρα Asche zu stellen sei. Seitdem gilt
die Etymologie von ahd. depandorn, ae. ðefan-
ðorn als ungeklärt (s. Splett, Samanunga-Stu-
dien 130), obwohl Helten deba zu Unrecht mit
gr. τέφρα verbunden hat ( deba).

Zwar ist das von Grimm zum Vergleich heran-
gezogene Brenndorn nicht mit dem Wort bren-
nen zu verbinden, weil Brenndorn (belegt a.
1852) als Bezeichnung der Brombeere (Rubus
fruticosus) (mit Assimilation von -md- > -nd-)
zu ähnlich lautenden Wörtern wie westf.
Brummdoäen (-dorn) (a. 1944) gehört (Marzell,
Wb. d. dt. Pflanzennamen III, 1458). Doch ist
dennoch ein Anschluß von depandorn an die
dem Wort *(-)defa der Malbergischen Glossen
zugrundeliegende Wz. uridg. *tep- warm sein
möglich: Außer Benennungen, die von der Stel-
lung der Dornen, der schwärzlichen Rinde, der
Verwendbarkeit der Beeren usw. ausgehen, fin-
den sich unter den Ersatzbezeichnungen auf-
grund der Ungenießbarkeit der Beeren solche
wie stinkender Weichsel (Bertrich/Eifel); vgl.
ferner Bezeichnungen wie Hundsbeere, Hunds-
beerstaude, Schwarze Hundsbeer, Hundsbäüm,
Schweinsdorn, Pockpearleinschtaude, Scheißbee-
ren, Scheißkerschen (Marzell, a. a. O. III, 1308).
Bezieht sich *þeana- ebenfalls auf die Unge-
nießbarkeit der Beeren, so ist eine Verbindung
mit den Substantiven anord. þefr m. Geruch,
Duft
, nisl. þefur m., fär. tev n., nnorw. tev m.
Geruch, nschwed. dial täv Gestank, ndän.
dial. tøv Geruch, Geschmack (aisl. þefja rie-
chen, duften, wittern
, nnorw. tevja, mschwed.
thäfja) denkbar, für die man zu Recht eine
Grundvorstellung Wärmedunst, warmer Dampf
von Speisen
voraussetzt (Vries, Anord. et. Wb.²
607; Pokorny 1070). Daß die Kontinuante der
Wz. uridg. *tep- auch im Westgerm. vorhanden
war, zeigt nicht nur das Glossenwort *(-)defa
der Lex Salica, sondern auch ae. ofðefian über-
hitzen
(Bosworth-Toller, Suppl. 664; dagegen
ae. ðefian [z. B. K. D. Bouterwek, ZfdA. 9
(1853), Z. 406], nnorw. dial. teva keuchen <
vor Hitze und Anstrengung keuchen; Fick III
[Germ.]⁴ 180). Auch die aus Wärmedunst ent-
wickelte Bedeutung Gestank ist möglicherwei-
se im Westgerm. vorhanden, sofern das Glos-
senwort ae. ðefel Most (þefele defruto), das
von Holthausen, Ae. et. Wb. 362 mit Fragezei-
chen zu ae. ðefian, ofðefian gestellt wird, den
Most in der Gärungsphase bezeichnet hat. Die
Wortbildung und der stimmhafte Reibelaut ei-
nes zu der postulierten Wz. urgerm. *þef-
warm sein, stinken gehörigen *þeana- deuten
auf ein isoliertes Part.Prät. eines verschollenen
st. Verbs urgerm. *þefan- erwärmen, warm
sein
, dem außerhalb des Germ. genau aind. tá-
pati erwärmt, erhitzt, kasteit sich, quält (av.
tafsn es soll ihnen heiß werden; npers. tafsaδ
wird heiß; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I
477; III, 719 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I,
623 f.) entspricht; mit Part.Prät., die aus dem
Paradigma ausgegliedert sind und kein Präfix
gi- bzw. ge- enthalten, vgl. ahd. trunchan trun-
ken
(s. d.), ae. āgen, ahd. eigan eigen, eigen-
tümlich
(s. d.); ferner as. fagan, ae. fægen, a-
nord. feginn froh (zu ahd. gifehan [s. d.], ae.
fēon sich freuen; s. Krahe-Meid, Germ.
Sprachwiss. III § 94, 1). Als Bedeutung von ahd.
depandorn bzw. ae. ðefanðorn ergibt sich so
stinkender Dorn. Da die ursprl. Bedeutung
von ðefan- nicht mehr erkannt wurde, wurde es
im Ae. durch þfe- Busch ersetzt (R. Lühr,
Sprachwissenschaft 15 [1990], 166 ff.).

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