deste, desdo, desdoh
Band II, Spalte 617
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deste, desdo, desdoh adv. bei komparativi-
schem Adj. und Adv., Gl. 1, 782, 20, Notker:
desto, um so Var.: teste, destoh, testo(h).
Mhd. deste, dest (mit geschlossenem /e/ vor st
und Wandel von sd > st), mhd., frühnhd. de-
ster (mit unorganischer Komparativendung;
Luther deste neben dester); nhd. desto. Die
Form dest(e) lebt bis zum 18. Jh. fort. Seit
Mitte des 15. Jh.s kommt die volle Form desto
neben anderen kanzleisprachlichen (lat. For-
meln nachahmenden) Bildungen wie dero, ih-
ro, ietzo, bishero, hinfüro zuerst in rheinfränk.
und schles. Kanzleien (im Schwäb. seit 1475,
in Mainz seit 1520, dann in den Staatspapieren
Karls V.) vor. Ein Zusammenhang von kanz-
leisprachlichem desto mit ahd. testo ist un-
wahrscheinlich.

Schützeichel⁴ 89; Sehrt-Legner, Notker-Wortschatz
102; Starck-Wells 98. 840; Graff V, 30; Lexer I, 421;
H. Sparmann, PBB 83 (Halle, 1961), 58 f.; Dt. Wb. II,
1034 f.; Dt. Wb.² VI, 779 ff.; Kluge²¹ 128; Kluge²²
137; Pfeifer, Et. Wb. 274; Wilmanns, Dt. Gr. I
§ 152, 3. 269, 3; Paul, Mhd. Gr.²³ § 41 Anm. 4. 59, 5. 64
Anm. 1. 105 Anm. 3. 121 Anm. 8. 218. 387. 396. Da de-
sto sich in den Zusammenhang der genannten kanzlei-
sprachlichen Bildungen auf -o stellt, ist O. Behaghels
(Ehrismann-Festschrift 193; ders., Gesch. d. dt. Spr.
330 f.) Auffassung, desto sei vom Mndd. ausgegangen
und eine nach dem Nebeneinander von mndd. te und
to zu zustande gekommene Umbildung von deste,
weniger überzeugend.

Zu ahd. deste usw. stellen sich: mndd. deste, de-
sto, dester, duste, des (< deste) vor Komparati-
ven desto, umso und als Einleitung von Bedin-
gungssätzen (aus dem Nd.: nschwed., ndän. de-
ste, desto); mndl., nndl. deste desto, afries. the-
ste (mit Lautentwicklung von sd > st wie im
Mhd.).

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 420 f.; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. I, 511; Verdam, Mndl.
handwb. 133; Lasch, Mndd. Gr. § 67. 307. 310
Anm. 1. 361; Behaghel, Dt. Syntax III, 153 f.

Ahd. deste gilt ebenso wie mndd., mndl. deste
als eine Zusammenrückung von des diu, be-
stehend aus dem Gen. und Instr. des Demon-
strativpron. zur stärkeren Betonung des Kom-
parativs, eigentlich in der Bedeutung aus die-
sem Grund um so
(mit kausaler Bedeutungs-
komponente) oder in dem Maße ... (mit moda-
ler Bedeutungskomponente); vgl. Otfrid thes
thiu baz desto besser, Notker des te baz; Otfrid
thes thiu mer desto mehr, Williram des de mer.
Doch erscheint bei Notker der Instr. des De-
monstrativpron. sonst in der Form diu, tiu; vgl.
die Verbindungen an diu, be diu, fone diu, inin
diu, mit diu, nah diu (Sehrt, Notker-Gl. 28 f.);
und auch im Mhd. begegnet des die baz mit die
< diu (Paul, a. a. O. § 218 Anm. 2; vgl. ferner
Lexer I, 412. 423; O. Behaghel, PBB 42 [1917],
288 ff.); hinzu kommen Verbindungen wie mhd.
after diu, von diu, ze diu, mit diu, die ebenfalls
den Lautstand von ahd. diu fortsetzen (Paul,
a. a. O. § 387). Möglicherweise hat so neben
ahd. des diu ein gleichbedeutendes des de mit
der Fortsetzung einer (vor dem Wandel von ur-
germ. *ē¹ zu westgerm. *ā) aus dem Instr. Sg. n.
urgerm. *þē gekürzten Lautung *þe bestanden;
diese hätte sich im Ahd., Mndd. und Mndl. in
der Verbindung mit des gehalten; zur Verwen-
dung von *þē/ þe in Verbindung mit Kompara-
tiven vgl. got. þe um so, desto in der Wendung
ni þe haldis nicht um so mehr, keineswegs;
ahd. Otfrid the baz, thi baz mit schwachtonigem
i (Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 287 d); as. Heliand
1395. 3438f. than mēr the (Sehrt, Wb. z. Hel.²
592); ae. ðe læs eo minus, ðe mā eo magis, ne.
the more (Bosworth-Toller, AS Dict. 1039;
Grimm, Dt. Gr.a III, 173). Der Instr. *þē/ þe
beim Komparativ diente wohl ebenso wie ahd.
diu usw. zunächst der kausalen oder konzessi-
ven Verknüpfung von Sätzen und hatte zurück-
oder vorwärtsweisende Funktion (zu ahd. diu in
dieser Funktion vgl. O. Behaghel, PBB 42
[1917], 289 ff.; ders., Dt. Syntax I, 247 f.).

G. Schmidt, Germ. Adv. 141 erwägt ebenfalls eine vor
der westgerm. Entwicklung *ē¹ > ā eingetretene Vo-
kalkürzung des Instr.Sg.n. urgerm. *þē (vgl. Paul,
a. a. O. § 218 als Alternative zu mhd. des de < des diu:
oder ist von germ. þê auszugehen?). Da es dafür je-
doch keine sicheren Parallelen gibt, zieht er die Deu-
tung von westgerm. *þe als Fortsetzung von uridg. *te
da (vgl. lat. iste der da) vor. Auch wenn diese Erklä-
rung für die Funktion von ahd. fränk. de, the, thi, as.
the, ae. ðe als Relativpartikel taugt (vgl. auch ae. ðon
ǣr ðe bis; mid ðon ðe während, als; dazu Schmidt,
a. a. O. 95. 104), bleibt unklar, wie aus der Bedeutung
da die Bedeutung um so beim Komparativ hervor-
gegangen sein soll. Auch Schmidts Alternativerklä-
rung, daß die instrumentalische Funktion von west-
germ. *þe durch die Einblendung eines *þī mit Dop-
pelfunktion gut begreiflich
wäre (vgl. got. þei Rela-
tivpartikel, wann, sofern; daß, damit
; ae. ð umso,
nach Komparativen
; ahd. Otfrid thi), überzeugt
nicht, weil der Lautstand der ahd. Fortsetzungen nicht
eindeutig ist. So kann ahd. thi schwachtoniges i auf-
weisen (s. o.; zu ae. ð < urgerm. *þī mit einer nach
ae. hw warum analogischen Labialisierung s. der).

Gegenüber ahd. desde ist ahd. desdoh + Kom-
par. eine Zusammenrückung aus ahd. des und
doh (Notker noch tes toh, des doh), eigtl. darin
dagegen mehr
; zur konzessiven Funktion eines
mit dem Kompar. verbundenen Elements vgl.
Otfrid III, 22, 19 Ir ni gilóubet thoh thiu hált thaz
ist iu ófto gizált (O. Behaghel, PBB 42 [1917],
294). Mit Schwund des auslautenden h, der
auch bei ahd. doh nachweisbar ist (Schütz-
eichel⁴ 91), ergab sich die Form desdo, testo.

Lautlich unbegründet ist die Auffassung (Kluge²¹
128), daß desdo aus desdiu mit Entwicklung von -iu
über (und -u) zu -o entstanden sei.

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