*dienstac
Band II, Spalte 627
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*dienstac mhd. st. m. (Gl. 3, 396, 69 Berlin
Ms. lat. 4°674 [früher Cheltenham 9303] mu-
nizza feria ... dīstdac 13. Jh. rhein.-fränk.):
Dienstag, feria tertia. Das Wort, das im
13. Jh. auch im Mndl. und Mndd. (s. u.) auftritt
und von daher auf das Hd. übergegriffen hat
(dinxdag z. B. Wesel a. 1405. 1529; Ürdingen
a. 1454; Köln a. 1488; Hoya a. 1525; Lüneburg
a. 1475. 1535; Lübeck a. 1473), begegnet seit
dem 14. Jh. vereinzelt im Ostmd., dann zö-
gernd in obd. Quellen. Dem nd., md. dienstag
stehen als ältere Bildungen die Wochentagsna-
men alem. ziestag ( ziostag), bair.-österr.
erchtag (seit dem 13. Jh.; ergetac, ertag, erihtag,
erehtag, erichtag, erntag für Ἄρεως ἡμέρα Tag
des Ares = Mars = Tiu
), schwäb.-alem.,
oberrhein. zinstag (a. 1267; gemischt aus zītic
und dienstag unter Anlehnung an Zins oder
mit Wandel von schwäb. ins zu ãēs) und später
schwäb. aftermontag Nachmontag gegenüber,
die jedoch verdrängt werden und nur mdartl.
weiterbestehen (Luther Dinstag). Nhd.
Dienstag (seit etwa der 2. Hälfte des 17. Jh.s
schriftsprachl. allgemein). Die Vokaldehnung
findet sich seit etwa dem 14. Jh. und setzt sich
im 17. Jh. durch, wozu volksetymologische Be-
ziehung auf Dienst beiträgt. Im Rhein. kommt
noch deŋǝstiχ, deŋsdāχ (neben dindāχ usw.)
vor.

Starck-Wells 98; Lexer I, 428; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 180 (dies); Dt. Wb. II, 1120; Dt. Wb.² VI,
991 f.; Kluge²¹ 132; Kluge²² 143; Pfeifer, Et. Wb.
283; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 127; Schweiz. Id. XII,
1062 ff.; Fischer, Schwäb. Wb. II, 219; ders., Würt-
tembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte NF.
9 (1900), 171 ff.; F. Kluge, Beihefte d. Z. d. allg.
dt. Spr.vereins 8 (1895), 93; W. Gundel, Volkskund-
liche Ernte (Hepding-Festschrift [Gießen, 1938]) 6;
K. Bohnenberger, (P.)Kluckhohn-(H.)Schneider-Fest-
schrift (Tübingen, 1948) 468; Müller, Rhein. Wb. I,
1356; Th. Frings-J. Nießen, IF 45 (1927), 303 Anm. 1;
E. Kranzmayer, Die Namen der Wochentage in den
Mundarten von Bayern und Österreich (Wien-Mün-
chen, 1929), 36 ff. 91 ff.; F. Wrede, Dt. Sprachatlas 26,
44.

Mhd. dienstac entsprechen mndd. dingesdach,
dingse-, dinx(s)te-, dins-, dinnes-, dinse-, din-
sche- usw.; mndl. dinxdach, dinxen-, dinsen-,
dincen-, densen- usw., nndl. Dinstag (mit sekun-
därem g-Schwund), nostfries. dingsdag.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 430; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 520; Verdam, Mndl. handwb.
138; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 118; Vries, Ndls. et.
wb. 118; ders., Tijdschrift 48 (1929), 161 ff.; Wb. d.
ndl. taal III, 2640.

Für die Deutung von Dienstag sind drei Erklä-
rungsmöglichkeiten vorgeschlagen worden: Er-
stens: Der Dienstag als dritter Tag der Woche
wurde nach dem Thing benannt, weil das
Thing am dritten Wochentag abgehalten wurde
(Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
299). Zweitens: Das erste Glied beruht auf
Thingsus, dem Beinamen des Mars (z. B. Bach,
Gesch. d. dt. Spr.⁹ 91 f.; Eggers, Dt. Spr.gesch. I,
138; Kluge²² 143; Kranzmayer, a. a. O. 85).
Drittens: Im Mndl. ist *dīsdag < *tīwaz đaaz,
dessen Fortsetzung eine viel weitere Verbreitung
hat (afries. tīesdei, tiesdi, tisdei, nwestfries. Tiis-
dei; vgl. ferner dīsǝndaχ, dīstaχ, deistaχ in Zee-
land, Nord-Brabant, Limburg, West-, Ost-
Flandern, Antwerpen usw.; ae. tīwesdæg, me.
Tīwes dai, ne. Tuesday; selbständige Nachbil-
dung nach ae. tīwesdæg: aisl. tsdagr, nisl., fär.
tsdagur, nnorw. tystag, tisdag, aschwed. tis-
dagher [> finn. tiistai], nschwed. tisdag, ndän.
tirsdag [> lapp. norw. dīs-tahk, -dahk] zios-
tag
) mit Substitution von t durch d (vgl. degel
neben tegel Ziegel) nach sonnendach, manen-
dach zu dīsendag umgebildet worden, wobei n-
Einschub nach dem Vorbild von mndl. woens-
dag stattfand (J. de Vries, Tijdschrift 48 [1929],
180 f.; ders., Ndls. et. wb. a. a. O.; Pfeifer 283 f.;
sekundäre Nasalierung und Ursprung aus *tī-
waz đaaz neben volksetymologischer Umdeu-
tung nach dies census wird bereits Dt. Wb.
a. a. O. erwogen). Für die erste Deutung fehlen
sachliche Anhaltspunkte. Die dritte Deutung
scheitert daran, daß wäre t wirklich durch d
substituiert , dann auch t- neben d-Schreibun-
gen zu erwarten wären. Demgegenüber könnte
für die zweite Deutung sprechen, daß Mars
Thingsus nach Ausweis der Bedeutung Kampf
von ahd. ding usw. wohl auch der Gott des
Kampfgeschehens war und eine den Namen ei-
nes Kriegsgotts enthaltende Bezeichnung für den
Dienstag in den Wochentagsnamen ahd. ziostag
usw. und bair.-österr. erchtag, die lat. Martis dies
nachgebildet sind, eine Parallele hat. Allerdings
ist bei der Verbindung von Dienstag mit Mars
Thingsus zu bedenken, daß dieser Name nur
einmal vorkommt (Vries, Ndls. et. wb. a. a. O.).

Holthausen, Afries. Wb.² 113; Richthofen, Afries.
Wb. 1084; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr.
I, 299; Dijkstra, Friesch Wb. III, 283; Holthausen, Ae.
et. Wb. 350; Bosworth-Toller, AS Dict. 989; Strat-
mann-Bradley, ME Dict.³ 610; Oxf. Dict. of Engl. Et.
947; OED² XVIII, 652; Vries, Anord. et. Wb.² 603;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 1214; Holthausen, Vgl. Wb.
d. Awestnord. 310; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
1264; Torp, Nynorsk et. ordb. 828; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 490; Fischer, Lehnw. d. Awestnord. 7; Quig-
stad, Nord. Lehnw. im Lapp. 131; E. N. Setälä, Finn.-
Ugr. Forsch. 13 (1913), 459; O. Brenner, IF 3 (1894),
301; T. E. Karsten, Germ.-finn. Lehnw. 16.

Verfehlt ist die Rückführung von mndl. dīsǝndaχ auf
eine Vorform *þinχ- > *þi-nχ-, die wie die Vorform
von got. þeihs Zeit im grammatischen Wechsel zu ur-
germ. *þinga- steht (Franck, a. a. O.; R. Much, Der
germanische Himmelsgott 6), da sich die Bedeutung
Zeit nicht mit der von Dienstag vermitteln läßt.

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