dinkil
Volume II, Column 657
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dinkil m. a-St., nur Tatian, Gl. seit dem
9. Jh.: Dinkel, Getreide, spelta, siligo, far
Var.: th-, -ch-, -el. Mhd. dinkel, nhd. Din-
kel, dial. schweiz. dinkel, dinckel, tünckel,
bad., vorarlberg., bair., rhein. dinkel neben
steir. tunkel, dunkel Dinkel mit -u- (s. u.).
Auch in dem ON Dinkelsbühl in Mittelfranken
wurde die Pflanzenbezeichnung gesehen: 1188
Tinkelsphel, 1251 Dinkelspuhel, 1319 Din-
kelsbühl (mit -s- als Gleitlaut in der Komposi-
tionsfuge). Weiterhin wurde das Vorderglied
mit dem PN Dingolt, Dingolf verbunden
(Reitzenstein, Lex. bayer. ON 101 f.), was aber
wegen des k-Lauts in dem ON wenig plausibel
ist. Der Dinkel ist eine sehr alte Kulturpflan-
ze, die schon während der Bronzezeit im
schwäb.-schweiz. Bergland nachweisbar ist.
Vom Mittelalter bis zum 19. Jh. war er das
Hauptgetreide in Schwaben. Heute ist der An-
bau des Dinkels stark zurückgegangen. Das
Wort ist als Appellativ auf das Hd. beschränkt.

Splett, Ahd. Wb. I, 138; Schützeichel⁴ 90; Starck-
Wells 101. 800; Graff V, 196; Schade 103; G. Baur,
Der Wortschatz der Landwirtschaft im Bereich der ahd.
Glossen (Diss. München, 1960), 140; Lexer I, 438; Be-
necke I, 360; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 225 (far); Dt.
Wb. II, 1178; Dt. Wb.² VI, 1102 f.; Kluge²¹ 134; Klu-
ge²² 145. Schweiz. Id. XIII, 685 ff.; Ochs, Bad. Wb.
I, 484; Fischer, Schwäb. Wb. II, 218; Jutz, Vorarlberg.
Wb. I, 569 f.; Müller, Rhein. Wb. I, 1368; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 525; E. Björkman, Zfdt. Wortf. 3
(1902), 266 f.; Marzell, Wb. d. dt. Pflanzennamen IV,
815 f.; Bach, Dt. Namenkunde II, 1 § 170. 322. 380;
R. Gradmann, Der Dinkel und die Alamannen, in
Württemberg. Jahrb. für Statistik und Landeskunde
(1902), 103 ff.; ders., Deutsche Erde 2 (1912), 175 f.;
Hoops Reallex.² V, 466 ff. E. Schröder, ZfOrtsna-
menf. 4 (1928), 110 ff. lehnt den Zusammenhang mit
dinkil in dem ON Dinkelsbühl und anderen mit Din-
kel- gebildeten ON (s. u.) ab, weil nur Dinkel- oder
adjektivisches Dinkelen < mhd. dinkelîn stehen
könne. Vielmehr sei Dinkelsbühl als Gerichtshügel
mit einer zu urgerm. *þinga- Gericht ( ding) gehö-
renden Vorform thinkil- für Gerichtsstätten niederen
Ranges im Vorderglied zu deuten (abzulehnen nach
E. Schwarz, Deutsche Namenforschung II [Göttingen
1950], 242), wobei er für den Wechsel von *χ in der
verwandten Form got. þeihs Zeit und *k in Dinkels-
auf das Nebeneinander von ahd. durh und mhd. dür-
kel durchbohrt verweist ( duruh, durhil). Die sich in
unbetonter Silbe vollziehende Lautentwicklung von χ
> k erscheint jedoch nur hinter r; vgl. mhd. varch
värkel (Paul, Mhd. Gr.²³ § 140 Anm. 4).

Ahd. dinkil entspricht as. thinkil- in ON; vgl.
10. Jh. Thinkilburg > Dinkelburg (Kreis War-
burg), Hof Dinkelberg (Kreis Melsungen). Aus
dem Dt. sind nschwed. dinkel, ndän. dinkel
(dynkelkorn) entlehnt.

Holthausen, As. Wb. 78; Svenska akad. ordb. D-1455;
Lange, Ordbog o. Danmarks plantenavne II, 736.

Die Genese der Pflanzenbezeichnung gilt als
dunkel. Möglicherweise ist jedoch bei Dinkel
die Form der Ähre das Benennungsmotiv. Da
das Wort Ähre wie ahd. agana Granne, Ähren-
spitze, Ähre
, lat. acus, -eris Granne, Spreu, gr.
ἀκοστή Gerste von der Wz. *a- scharf, spit-
zig
(**He-) herstammt ( agana, ah), käme
als Ausgangspunkt auch für ahd. dinkil eine
Wz. der Bedeutung scharf, spitzig in Frage.
Eine solche liegt vor in urgerm. *stenk- ste-
chen, stoßen
(got. stigqan zusammenstoßen),
eine Kontamination aus urgerm. *stek- stechen
und *steng- stechen (Lühr, Expressivität
162 f.). Daneben könnte eine s-lose Variante ur-
germ. *þenk- stechen bestanden haben, die
sich als Kreuzung mit der Fortsetzung der s-lo-
sen Variante *teg- von uridg. *steg- stechen
und *steng- ergibt; zur s-losen Variante *teg-
vgl. arm. tՙakn, gen. tՙakan Knüttel, Schlägel,
Keule
(< *teg- mit n aus dem Akk. wie in zahl-
reichen anderen Fällen); lat. tīgnum Bauholz,
Balken
(< *tegno-). Wie im Falle von distil
(s. d.) wären von der Wz. *tenk- stechen Ablei-
tungen mit l-Suffix vorgenommen worden:
*þinkila-, *þunkila- Stechendes.

Walde-Pokorny II, 622; Pokorny 1014; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. II, 681; E. Lidén, IF 18 (190506),
498 ff. Lidéns unmittelbare Gleichsetzung von lat. tīg-
num und arm. gen. tՙakan ist unzutreffend, da *-gn-
im Arm. nicht zu *-kan- wird.

Eine andere etymologische Deutung des Wortes Din-
kel findet sich Dt. Wb.², a. a. O.: Da einerseits schweiz.
deuchel- in deuchel-acher (Schweiz. Id. XIII, 687)
Dinkel und andererseits schweiz. teuchel (töuchel),
tünkel Wasserleitungsröhre bedeuten (Schweiz. Id.
XII, 220 ff.), bestehe ein Zusammenhang von ahd.
dinkil, steir. tunkel, dunkel mit diesen Wörtern. Die
Grundbedeutung sei Ausgehöhltes, Gewölbtes, wo-
bei eine Wurzelvariante oder Parallelwurzel (*dhe-g-)
von uridg. *dhe-b-, *dhe-p- tief, hohl vorliege.
Namengebendes Merkmal seien wie bei dem synony-
men Fesen die die Dinkelfrucht auch nach dem Dre-
schen noch fest umschließenden Spelzen. Gegen diese
Deutung spricht jedoch der auf urgerm. *þ weisende
Anlaut von ahd. dinkil, das Fehlen von Parallelen zu
einer Wz. *dhe-g- tief und der Umstand, daß die
Nasalierung bei einem solchen Wurzelansatz ohne Er-
klärung bleibt.

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