diutisc
Volume II, Column 699
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diutisc adj., seit dem 10. Jh. (s. u.): deutsch,
teutonicus
, in diutiscûn auf deutsch Var.:
diutisg, dûtisg. Mhd. diutisch, diutsch (mit
Kontraktion), diusch (frühes 13. bis 16. Jh.),
diuz (überwiegend östl. obd., md. späteres 13.
bis 16., vereinzelt noch frühes 18. Jh.), tiutsch,
tiusch (mit t- durch Einfluß von teutonicus,
s. u., seit dem frühen 12. Jh. sehr häufig; vor al-
lem obd.), md. dûdesch, dûtsch, dûsch, nhd.
deutsch.

Splett, Ahd. Wb. I, 142; Schützeichel⁴ 91; Starck-
Wells 103; Graff V, 130; Schade 106; Schatz, Ahd.
Gr. § 193; N. Morciniec, in Smet-Festschrift 355 ff.;
Lexer I, 443 f.; Benecke I, 325; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 582 (teutonicus); U. Schulze, PBB 86 (Tübingen,
1964), 301 ff.; Dt. Wb.² VI, 811 ff.; Kluge²¹ 129 (je-
doch t- in mhd. tiutsch usw. durch Angleichung an das
zweite t); Kluge²² 138 f.; Pfeifer, Et. Wb. 276 f.;
O. Ehrismann, Zf. Lit.wiss. u. Ling. 24 (1994), 47 ff.

Das Wort deutsch erscheint zuerst in mlat. Laut-
gestalt mit dem Diphthong eo. Auf einer ags.
Synode a. 786 sollen die Beschlüsse tam latine
quam theodisc verlesen werden (MGH Epp IV
Nr. 4, 28).

Weiterhin findet sich das Wort deutsch im Ingelheimer
Todesurteil über Herzog Tassilo a. 788 quod theodisca
lingua harisliz dicitur (MGH SS in us. schol. [6.], 80);
im Capitulare Italicum Karls d. Großen a. 801 et quod
nos teudisca lingua dicimus herisliz (MGH Capit I, Nr.
98, 205); mit iu: im Donat-Kommentar des Freisinger
Magisters Erchanpert 9. Jh. viermal thiutisce; in der
Priscian-Glosse galeola thiutisce gellit einer Kasseler
Hs. aus dem 3. Viertel des 9. Jh.s; im Text zum Worm-
ser Capitulare (von a. 829) einer Corveyer Hs. aus
dem 3. Viertel des 9. Jh.s thiudisca lingua; in den in
Werden vor a. 863 und um a. 870 (von einem Friesen?)
abgefaßten Vitae sancti Liudgeri secunda et tertia: thiu-
disca lingua; im Essener Sakramentar D 1 bald nach a.
874 Apud thiudiscos; in einem Salzburger Glossar aus
der 2. Hälfte des 9. Jh.s diutisce; in St. Gallen a. 882
tiutiscae; bei Erchanbald von Eichstätt a. 893 (Kopie
aus dem 14. Jh.) diutisce; in den Miracula Wolfhards
von Herrieden a. 896/898 zweimal lingua diutisca.
Wie sich zeigt, haben alle bekannten und unbekannten
Autoren, die das Wort theodiscus verwendeten, in ei-
nem mehr oder weniger direkten oder indirekten Zu-
sammenhang mit dem Hof Karls des Großen und sei-
ner Nachfahren gestanden.

Einheimisches ahd. diutisc tritt erst in den Te-
gernseer Vergilglossen des 10. Jh.s, dann öfters
bei Notker auf; seit dem Annolied um 1080 ist
diutisc in der dt. literarischen Überlieferung fest
etabliert. Während mlat. theodiscus, thiudiscus
volkssprachlich, nichtlateinisch (s. u.) bedeu-
tet, hat diutisg bei Notker die Bedeutung
deutsch. Die heutige Lautform deutsch weist
auf eine Lautform mit dem Diphthong /iu/.

Die Annahme, ahd. diutisc sei eine Lautung, die laut-
gesetzlich richtig im 9. Jh. auf der Grundlage von mlat.
theodiscus rekonstruiert wurde (W. Betz, in Maurer-
Rupp, Dt. Wortgesch. I, 133 ff.; H. Eggers, in Der Volks-
name Deutsch, hg. v. H. Eggers [Darmstadt, 1970], 385.
388 f.) ist unhaltbar, weil /eo/ und /iu/ damals bereits
selbständige Phoneme und nicht mehr Allophone des
Phonems /eu/ waren (I. Reiffenstein, in Peripherie u.
Zentrum. Studien österr. Lit., hg. v. G. Weiss-K. Zele-
witz [Salzburg-Stuttgart-Zürich, 1971], 254); vgl. ahd.
Isid. elidheodig mit eo vor i (Matzel, Unters. zur ahd.
Isidor-Sippe 325 Anm. 717). Auch für die Auffassung,
westfrk. *þeodisk (dazu s. u.) habe mit Vokalharmonie
ahd. diutisc usw. ergeben (Dt. Wb.² a. a. O.), fehlen An-
haltspunkte.

Zu ahd. diutisc stellen sich: as. thiudisk
deutsch; mndd. dǖdesch, deīdisch, dǖtsch
deutsch, niederdeutsch; mndl. duutsch, duytsch
deutsch, niederländisch, nndl. Duits deutsch,
Diets (groß)niederländisch; afries. tyoesch hol-
ländisch
, nostfries. dǖdsk, dǖtsk deutsch;
nwestfries. dúts(k) deutsch; ae. þēodisc genti-
lis
, n. Sprache, me. þeōdisc zu einer Nation,
einem Land gehörig
, ne. Dutch seit dem späten
16. Jh. (aus dem Ndl.) holländisch, niederlän-
disch
, (amerikan.) deutsch; aisl. þðverskr,
þðerskr, þverskr, þzkr deutsch; nnorw.,
ndän. tysk, run.-schwed. þuþiskr, nschwed. tysk
deutsch; got. adv. þiudiskō heidnisch.

Holthausen, As. Wb. 78; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
232; Gallée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 343; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 491; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 591; Verdam, Mndl. handwb. 156;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 141; Vries, Ndls. et. wb.
143; Holthausen, Afries. Wb.² 111; Richthofen, Afries.
Wb. 1075; Dornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
351; Dijkstra, Friesch Wb. I, 303; Bosworth-Toller,
AS Dict. 1099; Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 631;
Oxf. Dict. of Engl. Et. 295; OED² IV, 1139 f.; Vries,
Anord. et. Wb.² 629; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 430;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 324; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1307; Torp, Nynorsk et. ordb.
828; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog III, 1061;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1258; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 497; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-42.

Am einfachsten würde sich ein *þiuđiska- in der
Bedeutung volkssprachlich erklären, wenn das
Adj. von einem Wort der Bedeutung Volksspra-
che
abgeleitet wäre (so J. Grimm, in Volksname
Deutsch (s. o.) 11: þiuda [leite], unabhängig
von der ableitung -isk, auf den begrif der spra-
che
. Doch ist diese Auffassung unhaltbar: Zwar
hat die ae. Fortsetzung der Basis urgerm. *þeu-
đō Volk auch die Bedeutung Sprache, es han-
delt sich hier aber um eine nur im Ae. vollzogene
Bedeutungsentwicklung ( diot).

Auch sonst kann einheimischer Ursprung und
damit eine Vorform urgerm. *þiuđiska- weder
durch die außerahd. Entsprechungen des Wor-
tes deutsch noch durch ahd. diutisc erwiesen
werden: got. þiudiskō ἐθνικῶς ist eine Neu-
schöpfung nach dem im selben Satz vorhande-
nen iudaiwiskō, da Wulfila gr. οἱ ἐθνικοί Hei-
den
Math. VI, 7 mit þai þiudō wiedergibt
(A. Dove, Ausgewählte Schriftchen vornehmlich
hist. Inhalts [Leipzig, 1898], 319 f.; E. Schröder,
Gött. Gel. Anz. [1917], 376 ff.; W. Braune, in
Volksname Deutsch 20). Im Ae. findet sich þēo-
disc Sprache für lingua in der um 900 von Æl-
fred geschaffenen Prosaübersetzung des Boethi-
us, von wo es auch in die metrische Version
überging; vgl. ferner Aldhelms Prosaschrift De
virginitate aus dem 11. Jh. þeodisce gentiles;
und im Me. bei Layamon þeodisce men (Paral-
lelversion þe Romanisse) im Sinne von die frem-
den Männer
neben dreimaligem, seit dem Ende
des 11. Jh.s im Ae. und im Me. bei Layamon be-
legten elþēodisc (bzw. alþēodisc) fremd, einer
Kreuzung aus ae. elþēodig fremd und þēodisc.
Während ae. þēodisc mit der Bedeutung genti-
lis, Heide
(> fremd) eine Lehnübersetzung
von lat. gentilis ist, ist die Bedeutung Sprache
von þēodisc mit der Bedeutung volkssprachlich
von mlat. theodiscus, das Ælfred gekannt haben
dürfte, vermittelbar. Da mlat. theodiscus wohl
eine Kunstbildung darstellt (s. u.), spricht nichts
für eine urgerm. oder westgerm. Vorform von
ae. þēodisc, wozu die spärliche Bezeugung des
Wortes im Ae. stimmt. Ebensowenig ist as. thiu-
disk einheimischen Ursprungs, denn die ange-
führten Belege aus dem As. können trotz ihrer
th-Schreibung mlat. sein (vgl. I. Strasser, diu-
tisk-deutsch. Neue Überlegungen zur Entstehung
der Sprachbezeichnung, Sitz.ber. d. österr. Akad.
d. Wiss. 444 [1984], 29). Auch afries. tyoesch (in
der Verbindung Tyoesch Prester holländischer
Priester
um ca. 1400) ist wohl kein genuin
afries. Wort, da es ebenso wie as. thiudisk mit
anschließender fries. Lautentwicklung aus den
mlat. Lautformen hervorgegangen sein kann
(zum Afries. s. H. D. Meijering, Amsterdamer
Beitr. 20 [1983], 185 ff.).

Für die Beurteilung des ahd. Wortes ist Verbrei-
tung und Funktion des Suffix -isc (s. d.) von Be-
deutung: Weil das aus dem Uridg. ererbte Suffix
-isc im Ahd. vor allem bei Ableitungen von Völ-
kerbezeichnungen und bei lat. Lehnübersetzun-
gen aus dem kirchlichen Bereich produktiv ist,
frühahd. *þiudisk aber keine Volksbezeichnung
wie etwa im Falle von englisc (s. d.) zugrunde
liegt, handelt es sich bei *þiudisk wie bei got.
þiudiskō und ae. þēodisc wohl um eine Lehn-
übersetzung. Wahrscheinlich hat es wie ae. þēo-
disc lat. gentilis übersetzt.

Da ein *þiuđiska- aufgrund der Beleglage in
den germ. Sprachen für das Urgerm. somit nicht
erwiesen werden kann, dürfte das viel früher als
ahd. diutisc bezeugte mlat. theodiscus (s. o.)
ebensowenig aus dem Germ. ererbt sein. Zur Be-
zeichnung der Sprache der germ. Stämme war
ein Wort notwendig geworden, das die Volks-
sprache dem Lat. gegenüberstellte. Weder lat.
gentilis noch andere lat. Wörter wie barbarus
und francus kamen in Frage (H. Thomas, Histo-
rische Zeitschrift 247 [München, 1988], 317 ff.;
ders., in Beitr. zur Gesch. des regnum francorum.
Referate beim Wissenschaftl. Colloquium zum 75.
Geburtstag von E. Ewig am 28. Mai 1988, hrsg.
von R. Schieffer [Sigmaringen, 1990], 69 f.),
und lat. vulgaris und vernaculus wurden wahr-
scheinlich deswegen nicht als Bezeichnungen
der Volkssprache gewählt, weil dafür ein einhei-
misches Wort verwendet werden sollte. Ahd.
*þiudisk wurde so vermutlich lat. gentilis heid-
nisch
nachgebildet und auf theoda Volk als
ethnische Größe
(= gens) bezogen, wobei der
Diphthong eo von theoda übernommen wurde
(dagegen jüngeres mlat. thiudiscus mit iu unter
Einfluß von volkssprachlichem *þiudisk); zur
bewußten lautlichen Unterscheidung eines Wor-
tes, das sowohl im religiösen als auch im weltli-
chen Sinn verwendet wird, vgl. die sw. Flexion
von dheodun gentes (ἐθνικοί) im Isid. (s. diot).
Da jedoch die Bedeutung heidnisch bei ahd.
*þiudisk nicht nachweisbar ist, ist anzunehmen,
daß bei der Bedeutungsfestlegung der Bedeu-
tungsgehalt von ahd. gidiuti Volkssprache und
-cadiuti volkssprachlich ( gidiuti) eine Rolle
gespielt hat. Auf jeden Fall handelt es sich bei
ahd. *þiudisk um eine im dt. Sprachraum zu-
stande gekommene Kunstbildung (s. R. Lühr,
Zf. Lit.wiss. u. Ling. 24 [1994], 26 ff.).

Th. Klein (Zf. Lit.wiss. u. Ling. 24 [1994], 12 ff.) wen-
det gegen die Auffassung von ahd. diutisc als Neubil-
dung ein, daß wegen des Eintritts der umlautbedingten
Spaltung von germ. *eu im Westgerm./Vorahd. späte-
stens um 500 die als denkbar älteste ahd. Lehnüber-
setzung ... rein lautgesetzlich unweigerlich *theodisk
[hätte] lauten müssen
(15). Auch könne bei einem
erst ahd. gebildeten diutisc der iu-Vokalismus nicht
durch Analogie oder Angleichung erklärt werden.
Wenn theodiscus / thiutisc erst im 7./8. Jh. entstanden
wäre sei es nun als Neuschöpfung oder als Lehnüber-
setzung , so müßten wir heute nicht Deutsche, son-
dern Dietsche heißen
(18). Nach Klein ist so an der
Existenz eines vorahd.-germ. *þiudisk nicht zu zwei-
feln (ebenso W. Haubrichs, ZfDial. u. Ling. 57
[1990], 207; ders., in Kultureller Wandel und die Ger-
manistik in der Bundesrepublik. Vorträge des Augsburger
Germanistentags 1991, I, hrsg. von J. Janota [Tübin-
gen, 1993], 24 Anm. 15 u. a., s. Klein, a. a. O. 12
Anm. 3), ja das zugrundeliegende germ. *þeudisk- ha-
be es, worin er I. Reiffenstein (in Gedenkschrift für
I. Dal, hrsg. v. J. O. Askedal u. a. [Tübingen, 1988],
8 f.) beipflichtet, auch in den westgerm. Sprachen
(Dialekten) und im Anord. gegeben, und zwar u. a. in
der Bedeutung in der allgemeinen Sprache (der eige-
nen Gruppe)
(22). Ebendies ist aber weder durch die
Entsprechungen von ahd. diutisc noch durch die Be-
deutungen der verwandten Bildungen (zu ae. ðēod
Sprache s. o.) abzusichern. Und dem Einwand, ahd.
diutisc könne wegen seines iu-Diphthongs keine Neu-
bildung sein, kann mit dem Verweis auf ahd. gidiuti
Volkssprache und -cadiuti volkssprachlich, also auf
Wörter, die einen iu-Diphthong enthalten, begegnet
werden. Da diese Wörter bei der Bildung des Wortes
deutsch offensichtlich beteiligt waren, spricht nichts
gegen die Annahme, daß nicht nur deren Bedeutungs-
gehalt, sondern auch deren Lautstand -iu- auf die
Kunstbildung ahd. *þiudisk überging. Jedenfalls
bleibt Klein bei seinem Ansatz eines vorahd.-germ.
*þiudisk
den Nachweis schuldig, wie dieses Wort auf
die Volkssprache bezogen werden konnte.

Die Annahme eines Bezugs von ahd. *þiudisk auf vul-
gus (E. Lerch, in Volksname Deutsch 274; G. Baesecke,
ebd. 327; Betz, a. a. O. 402) liegt ferner, da ahd. thiota
nie in der Bedeutung vulgus verwendet wird. Weiter-
hin ist die Auffassung, daß mlat. theodiscus lat. vulga-
ris übersetzt (Dt. Wb.² a. a. O.), unwahrscheinlich;
denn für ein nach dem Muster von vulgaris gebildetes
Adj. mit der Bedeutung vulgaris bestand im Lat.
keine Notwendigkeit (vgl. Reiffenstein, a. a. O. 261 f.
Anm. 15). O. Behaghel, in Volksname Deutsch, 28 ff.
hält mlat. theodiscus dagegen für eine unmittelbare
Lehnübersetzung nach lat. gentilis heidnisch. Doch
hatte in der Zeit, als mlat. theodiscus belegt ist, gentilis
fast ausschließlich die Bedeutung heidnisch (Braune,
a. a. O. 31). Dagegen ist nach H. Thomas, in Nord und
Süd in der dt. Gesch. des Mittelalters: Akten des Kollo-
quiums veranstaltet zu Ehren von Karl Jordan, hrsg.
von W. Paravicini [Sigmaringen, 1990], 24 theodisk
eine Ableitung des üblichen volkssprachlichen Äquiva-
lentes von gens, nämlich von theoda (= Volk im politi-
schen Sinn). Wie es aber zu der Bedeutung volks-
sprachlich
des Adjektivs gekommen ist, bleibt bei die-
ser Auffassung unklar.

Da mlat. theodiscus auch für die ags. Volkssprache ver-
wendet wurde, kann dieses Adj. nicht, wie L. Weisger-
ber, in Volksname Deutsch 148 (ders., in Deutsch als
Volksname [Stuttgart, 1953], 38 f.) meint, als ein an
der Ausgleichslinie zwischen Germanen und Romanen
entstandener Gegenbegriff zu dem Namen *walhisk
(zustimmend J. Weisweiler, in Maurer-Rupp, Deutsche
Wortgeschichte I, 103 f.; Kluge²¹, a. a. O.; F. Neumann,
Zfdt. Bildung 6 [Frankfurt, 1940], 210 ff.; Vries, Ndls.
et. Wb. 143; Eggers, a. a. O. 389 ff.; Dt. Wb.² a. a. O.)
aufgefaßt werden. Ferner ist die Schreibung eo des
von Weisgerber postulierten *þeodisk kein Argument
für eine Lokalisierung im Westfrk. (genauer Th.
Frings, in Volksname Deutsch 211 ff.: Dialekt zwischen
Maas und Schelde), da diese Schreibung auch in ande-
ren Dialektgebieten begegnet. Ebensowenig weist afrz.
tieis auf ein wfrk. *theodisk (vgl. Strasser, a. a. O. 9 ff.
[dazu A. L. Lloyd, Coll. Germ. 19 (1986), 329 f.]).

Daß mlat. theodiscus die latinisierte Form eines volks-
sprachlich bereits vorhandenen *þeudisk volks-
sprachlich
ist, das wegen got. þiudisko gemeingerm.
ist (J. Grimm, in Volksname Deutsch 7; W. Krogmann,
Deutsch. Eine wortgeschichtl. Unters. [Berlin, 1936],
80; Vries, Anord. et. Wb. 629; St. Sonderegger, in
Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter. Ergebnisse
der Marburger Rundgespräche 19721975, hrsg. von
H. Beumann-W. Schröder [Sigmaringen, 1978], 242),
westgerm. (Dove, a. a. O. 320; Specht, a. a. O. 257 ff.;
Braune, a. a. O. 22 f.; I. Reiffenstein, in Sprachge-
schichte. Ein Hb. zur Gesch. der dt. Spr u. ihrer Erfor-
schung II [Berlin-New York, 1984], 1720) oder
westfrk. Ursprungs (Weisgerber, in Volksname
Deutsch 125 ff., 134 ff.; Eggers, a. a. O. 377 ff. 389 ff.),
ist aufgrund der Beleglage nicht überzeugend (s. o.).
Mit einem bodenständigen volkssprachlichen Lexem
*diutisc rechnen in jüngerer Zeit auch F. Worstbrock,
PBB 100 (1978), 206 ff.; Strasser, a. a. O. 54; D. Hüp-
per, in Althochdeutsch II, 1081. Strassers Ostwort
diutiscus unterscheidet sich dabei in keinerlei Weise
von dem im Umkreis des Karolingerhofes geprägten
und verwendeten theodiscus (H. Thomas, Rhein.
Vj.blätter 51 [1987], 296; vgl. auch W. Haubrichs,
ZfDial. u. Ling. 57 [1990], 205 ff.).

Italien. tedesco deutsch (altitalien., norditalien.
todesco, engad. tudais) ist ebenso wie frz. tudes-
que altdeutsch, plump aus andfrk. *theudisk
entlehnt. Auf die gleiche Vorform gehen zurück
afrz. tiedies, tieis, tiois (Wartburg, Frz. et. Wb.
XVII, 393 f.; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr.
8708a). Da der Diphthong eo in mlat. theodiscus
sprachwirklich ist (s. o.), ist eu des dem andfrk.
Wort zugrunde liegenden mlat. theudiscus eine
sekundäre Lautung.

Seit Ende des 9. Jh.s konkurriert das auf die Be-
deutung von theodiscus umgedeutete lat. teutoni-
cus, das um 1050 theodiscus vollständig ver-
drängt hat (zur Bildeweise von teutones s.
F. Kluge, Zfdt. Wortf. 7 [190506], 165 ff.;
H. Collitz, JEGP 6 [190607], 272 ff.).

Du Cange VI, 578; F. Vigener, Volk u. Land der Deut-
schen vom 10. bis zum 13. Jh. I (Heidelberg, 1901),
29 ff.; Dove, a. a. O. 324 ff.; H. Brinkmann, in Volks-
name Deutsch (s. o.) 183 ff.; Worstbrock, a. a. O. 205 ff.
209 ff.; Hüpper, a. a. O. 1077 u. Anm. 105 f.; J. Hof-
mann, PBB 85 (Halle, 1963), 130; Krogmann, a. a. O.
21. 28 f. 95 (dazu E. Schwentner, IF 54 [1936], 301 f.);
Betz, a. a. O. 133 Anm. 343; Reiffenstein, in Peripherie
u. Zentrum (s. o.) 255. 257 f. 261 f. Anm. 15; ders., in
Gedenkschrift für I. Dal (s. o.), 6 ff. 11 ff.; ders., in
Sprachgeschichte II (s. o.), 19 ff. 23. 29. 54; St. Sonder-
egger, in Archivalia et Historica. A. Largiadèr-Fest-
schrift (Zürich, 1958), 208 f.; L. Weisgerber, in Deutsch
als Volksname 28 f.; W. Breuer, Rhein. Vj.blätter 37
(1973), 238 ff.; H. Thomas, ZfdPh. 100 (1981), 126;
ders., Rhein. Vj.blätter 51 (1987), 291. 296; ders., Hi-
storische Zeitschrift 247 (1988), 307 ff. 310. 323 f.,
330 f. Anm. 92; R. Lühr, in Erlanger Gedenkfeier für Jo-
hann Kaspar Zeuß, hrsg. von B. Forssman (Erlangen,
1989), 75 ff.

Zusammenfassung: Mlat. theodiscus (jünger
thiudiscus) volkssprachlich, nichtlateinisch
(zuerst a. 786) ist eine Kunstbildung auf der
Grundlage von ahd. *þiudisk einheimisches
ahd. diutisc volkssprachlich erscheint in Gl.
des 10. Jh.s, erst bei Notker hat diutisc die Be-
deutung deutsch. Zur Zeit Karls des Großen
bedurfte man zur Bezeichnung der germ.
Stämme eines einheimischen Wortes, das die
Volkssprache dem Lat. gegenüberstellte. Ahd.
*þiudisk, das wie got. þiudisko und ae. þēodisc
mit dem häufig bei Lehnübersetzungen aus dem
kirchlichen Bereich auftretenden Suffix -isk
wohl lat. gentilis heidnisch nachgebildet ist,
wurde dabei wahrscheinlich auf theoda Volk
bezogen, indem der Diphthong eo von theoda
übernommen wurde. Für die Bedeutungsfestle-
gung dürften aber ahd. gidiuti Volkssprache,
-cadiuti volkssprachlich mit ausschlaggebend
gewesen sein. Jedenfalls sind Entsprechungen
von ahd. *þiudisk in den germ. Sprachen nur
scheinbar; sie erweisen keinen urgerm. oder
westgerm. Ursprung des Wortes deutsch.

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