drâsen
Band II, Spalte 756
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drâsen sw. v. I, nur Gl. 2, 702, 45 Paris Lat.
9344 (thrasindi mfrk. 11. Jh.): schnauben,
wiehern, fremere
; drâsôn sw. v. II, nur Gl.
2, 636, 68 Clm 18059 (bair. 11. Jh.) (drâsot);
674, 35 Clm 305 (alem. 11. Jh.), Clm 21562
(alem. 12. Jh.); 3, 407, 74 Codex olim Argento-
ratensis (alem. 12. Jh.): schnauben, wiehern,
duften, fremere, redolere
; zur Bedeutung vgl.
auch ahd. drâsamo Duften (s. d.). Mhd. drâ-
sen, drasen, dræsen, dräsen, trâsen sw. v. duf-
ten, schnauben
(drâs[t] m. Duft, Geruch).
Als PN kommt ahd. Thraso vor; vgl. westfrk.
Thrasarius, westgot., gepid. Trasaricus, wan-
dal. Thrasamund, frk. Thrasemundus und die
anord. Personennamen (s. u.).

Splett, Ahd. Wb. I, 148; Starck-Wells 106; Graff V,
252; Schade 109; Raven, Schw. Verben d. Ahd. II,
29 f.; Lexer I, 459; Benecke I, 386; Förstemann, Adt.
Namenbuch2-3 I, 1462 ff.; Schönfeld, Wb. d. agerm.
PN 237; H. Reichert, Lexikon d. altgerm. Namen I,
699. 714.

Ahd. drâsen entspricht as. thrāsian schnauben
(Gl. 2, 718, 59 Oxford Auct. F. 1. 16 thrasida) <
urgerm. *þrēs(i)jan-. Eine Lautform mit -a- be-
gegnet in aisl. þrasa drohend stürmen (nur Lo-
casenna 2. sg. ind. präs. akt. þrasir), nisl. þrasa
streiten, kämpfen, nschwed. dial. trasa pras-
seln, schnauben
< urgerm. *þrasē(ja)n-
(nnorw. trasla[st] sich zanken), in aisl. þrs f.
Pfeil, eigtl. die Vorwärtsstürmende, als meist
mythischer PN z. B. in þrasi, Hlífþrasa f., Dolg-
þrasir Zwergenname, þrasir Riesen-, Zwergen-
name, þrasarr Odinsname, eigtl. der Wütende;
in got. þrasa-balþei f. Streitsucht (nur akk. sg.
þrasa-balþein). Wahrscheinlich gehört hierher
auch bornholm. träsa schwer, beinahe röchelnd
atmen
(nisl. þræsa f. Streitigkeit, þræsa strei-
ten
; vgl. nnorw. dial. træsa rastlos hin- und
hergehen
, træsen mühsam, nschwed. dial. trä-
sa schwer arbeiten, ält. ndän. træsle arbeiten,
ohne viel auszurichten
). Und an die Bedeutung
riechen, duften läßt sich anschließen: ae. ðrosm
m. Rauch, Qualm, for-ðrysman ersticken,
-würgen
, afries. thresma erdrosseln, mndd.
drüsmen, drüssemen ersticken, erdrücken <
*þrusma-, *þrusmijan-; zum m-Suffix vgl. ahd.
drâsamo (s. o.). Bei den Vorformen der Verben
*þrēs(i)jan- und *þrasē(ja)n- handelt es sich um
deverbale Bildungen. Während ēn-Verben mit
der Fortsetzung der o-Stufe der Wz. auch sonst
vorkommen (z. B. ahd. fragên; s. d.), fehlt für
ein ē-stufiges deverbales jan-Verb eine Parallele
(Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 183. 185).
Doch können bei Verben, die Sinneseindrücke
wiedergeben, wohl ungewöhnliche Lautstruktu-
ren auftreten.

Fick III (Germ.)⁴ 191 f.; Holthausen, As. Wb. 78;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 232; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 490; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. I, 599; Holthausen, Afries. Wb.² 112; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 370 f.; Bosworth-Toller, AS Dict.
1065. 1072; Vries, Anord. et. Wb.² 620. 625; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 462; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog III, 1036; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
318. 321; Torp, Nynorsk et. ordb. 812; A. M. Sturte-
vant, JEGP 35 (1936), 222; ders., Scand. Stud. 20
(1948), 132; Naumann, Anord. Namenstudien 63;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 501; Lehmann, Gothic Et.
Dict. þ-52.

Ahd. drâsen wurde zuerst von C. C. Uhlenbeck,
K. et. Wb. d. got. Spr.³ 152 verbunden mit: aind.
trásati zittert, bebt, hat Angst vor etwas, Kau-
sativ trāsayati erschreckt, macht erzittern, av.
fra-tǝrǝsaiti hat Angst, ap. tarsatiy (< *ts-se/
o-; vgl. lit. triù; s. u.), av. tarta- furchtsam (<
*tstó-; vgl. aind. trastá- zitternd < *trestó-),
npers. tarsīdan sich fürchten; gr. τρέω zittere
vor Schreck, fürchte mich
, ἄ-τρεσ-τος ohne
Furcht
; mit anderer Stellung der Liquida lat.
terrēre erschrecken (< *tersee- mit -e- anstelle
des kausativischen -o- von terror Schrecken)
(italien. atterire, afrz. terrir); umbr. tursitu ter-
reto, fugato
(< *tors-); hierher auch arm. erer,
gen. ereri Erschütterung, Beben, Zittern (<
*tres-ri-)?; lit. triti (-u, -jau) zittern,
schaudern
(< *ts-se/ o-), lett. trìsas pl.f. Zit-
tern
, trìsêt (-u, -ju) zittern, beben; mir. tar-
rach furchtsam (< *ts-āko-); und Kontamina-
tion von *tremō (> gr. τρέμω, lat. tremō zittere
usw.) und *tresō begegnet in aksl. tresti (trs)
schütteln, bewegen, trsti s beben, zittern.
Der Anschluß an die Wz. uridg. *tres- zittern
ist jedoch nur möglich, wenn man mit folgender
Bedeutungsentwicklung rechnet: Aus der Bedeu-
tung zittern, die im Germ. bei dem zu uridg.
*tres- zittern gehörigen Wort ae. ðrǣs Franse
(vgl. aind. trasanam n. nur in hasti-trasanāni
zitternde, bewegliche Verzierungen am Elefan-
ten
? oder wodurch die Elefanten erschreckt
werden
) gegeben ist, sind über vor Wut zittern
die Bedeutungen wüten, kämpfen, rasen und
schnauben hervorgegangen. Aus schnauben
wiederum können sich Bedeutungen wie einer-
seits wiehern und andererseits riechen (ahd.
drâsamo, mhd. drâs[t] Duft, Geruch), die zu
der Bedeutung duften führt, entwickeln.

Walde-Pokorny I, 760; Pokorny 1095; Mann, IE
Comp. Dict. 1424; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I,
531 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 678 f.; Bartholo-
mae, Airan. Wb. 644. 802 f.; Horn, Grdr. d. npers. Et.
86; O. Szemerényi, Sprache 12 (1966), 206; Boisacq,
Dict. ét. gr.⁴ 982. 984; Frisk, Gr. et. Wb. II, 929 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr. 1131 f.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. II, 674 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.
688; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 9478; Meyer-Lüb-
ke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3090; Wartburg, Frz. et. Wb.
XIII, 1, 262 f.; Bugge, Beitr. z. Erläuterung d. arm. Spr.
13 (dagegen Hübschmann, Arm. Gr. 443 f.); Traut-
mann, Balt.-Slav. Wb. 329 f.; Sadnik-Aitzetmüller,
Handwb. z. d. aksl. Texten 138. 321; Vasmer, Russ. et.
Wb. III, 144. 146 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1125 f.;
P. Persson, BB 19 (1893), 274; Brugmann, Grdr.² II,
3, 1, 351 f. 360; R. Trautmann, Zfvgl.Spr. 46 (1914),
240; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV, 241;
Fick II (Kelt.)⁴ 123; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. T-
34.

Weitaus weniger wahrscheinlich ist Ficks, a. a. O. An-
schluß an mhd. dræen, dræjen hauchen, duften, rie-
chen
(Lexer I, 457; Benecke I, 386), da dieses Verb
mit dræen drehen identisch ist, wobei sich die Bedeu-
tung duften aus der Duft steigt auf und dreht sich
( drâhto) entwickelt haben dürfte.

S. auch drâsamo, drâsôd, drâsunga.

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