drewen
Band II, Spalte 768
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drewen sw. v. I, Bened.regel, Mons. Frg.,
Tatian, Otfrid und Gl.: drohen, tadeln, Vor-
würfe machen, minari, comminari, increpare

Var.: t(h)-; -an; Abrogans noch thrauuis;
Mons. Frg. thriuuuita für *dhreuuuida der
Vorlage; s. Matzel, Unters. zur ahd. Isidor-Sip-
pe 202 Anm. 250; drouwen sw. v. I, nur Be-
ned.regel und Gl.: dss. Var.: t(h)-, -auw-,
-w-. Mhd. drouwen, drewen, dröuwen,
dröun sw. v. I, gelegentlich im 13./14. Jh.
st.prät. triew (in Analogie zu Verben wie hou-
wen?), nhd. poetisch, historisierend, dial. bad.
dräuen. Daneben steht kontrahiertes (in An-
lehnung an die Substantive ahd. drôa, mhd.
drô gebildetes) mhd. drôn, nhd. drohen (mit h
als orthographischem Längezeichen). Die Um-
lautform wird seit dem 16. Jh. zunehmend ver-
drängt.

Splett, Ahd. Wb. I, 149; Schützeichel⁴ 92; Starck-
Wells 107 (drewen). 800; Graff V, 264; Lexer I, 469;
Benecke I, 399; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 135 (com-
minari). 361 (minari); Dt. Wb. II, 1343 (dräuen); Dt.
Wb.² VI, 1413 ff.; Kluge²¹ 143; Kluge²² 156; Pfeifer,
Et. Wb. 308 f.; Raven, Schw. Verben d. Ahd. I, 291 f.

Wie bei anderen Verben auf w gehen durch das
gesamte Verbalparadigma zwei Formen neben-
einander her: eine mit Umlaut des stammhaften
a zu e, die andere ohne Umlaut und mit Ent-
wicklung eines Diphthongs auw (aus aw), wo-
bei au ebenso wie die übrigen au im 9. Jh. zu ou
wird. Die e-Lautung beruht auf Formen wie
westgerm. 2.sg.ind.präs. *þrawis (< *þrawjis)
mit Schwund von *j vor *i und die ou-Lautung
auf *þrawwjan- (< *þrawjan-); ou wird hier
nicht umgelautet. Im Prät. ist eu in Notker dréu-
ta (anstelle von drewita) eine jüngere Entwick-
lung; mit dem Nebeneinander von drewen und
drouwen vgl. z. B. das von frewen, frouwen er-
freuen
(Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 114).

Ahd. drewen, drouwen entsprechen mndd.
drouwen; mndl. drouwen, drogen dss., nndl.
drouwen. Ein Verb der II. sw. Klasse wird von
as. githrōon bedrohen, schrecken, ae. ðrēagan,
ðrēawian tadeln, züchtigen, strafen, bedrohen,
angreifen, bedrücken, plagen
(vor j bleibt
spätws. ea erhalten), me. þrēan, ne. (veraltet)
threa drohen < *þrawō(ja)n- fortgesetzt. Da
das Subst. *þraw-a/ ō(n)-, dessen Bedeutungen
Drohung und Leid, Verlangen über Be-
drückung
vermittelbar sind ( drawa), so eine
weitere Geltung als die westgerm. Verben
*þrawjan- und *þrawō(ja)n- hat, dürften diese
Verben als Denominative aufzufassen sein.

Wieder anders gebildet sind die Verben mndl. druwen
drohen; afries. thrūwa dss. (3. sg.ind.präs. thrucht),
denen L. L. Hammerich, Pedersen-Festschrift 357 (je-
doch unter einem Ansatz afries. thrūga) aisl. þrúga
drohen, unterdrücken, nisl. þrúga, nnorw. truga,
aschwed. þrugha, nschwed. truga, adän. truge, ndän.
true drohen gleichsetzt. Im Falle der Vorform *þrū-
wō(ja)n- von mndl. druwen, afries. thrūwa liegt ein
ōn-Verb mit gedehnter Tiefstufe (*ū) ohne ein da-
nebenstehendes st. Verb vor. Aisl. þrúga, nnorw. truga
könnten nur dann auf die gleiche Vorform zurückge-
führt werden, wenn es sich um ostnord. Wörter mit
singulärem hiatusfüllenden j zwischen ū und ō han-
deln würde (*þrūwō[ja]n- > ostnord. *þrūōn- [mit
w-Schwund vor *ō] > *þrūjōn- > *þrūgōn-) im
Ostnord. wird konsonantisches j nach Vokal zu einer
häufig mit g (neben gh, ghi, gi) bezeichneten Spirans
(Noreen, Aschwed. Gr. § 270. 328). Da sich jedoch
ostnord. Ursprung für aisl. þrúga, nnorw. truga nicht
nachweisen läßt, muß für diese Wörter weiterhin die
in ahd. drucken (nieder)drücken (s. d.) vorliegende
Wz. urgerm. *þrūχ/ - drücken, quetschen < dre-
hend reiben
angenommen werden (Wißmann, Nomi-
na Postverb. 131 ff. 135 f.; unwahrscheinlich J. Loe-
wenthal, PBB 51 [1927], 138: aisl. þrúga < idg.
*trkō presse).

Fick III (Germ.)⁴ 193; Holthausen, As. Wb. 79; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 615 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 414; Holthau-
sen, As. El.buch § 167 Anm. 2. 168 Anm.; Gallée, As.
Gr.² § 100; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1,
487; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 585 f.; Lasch,
Mndd. Gr. § 195; Verdam, Mndl. handwb. 154;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 131 f.; Vries, Ndls. et. wb.
140; Franck, Mndl. Gr. § 27; Holthausen, Afries.
Wb.² 112; Richthofen, Afries. Wb. 1078; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 336 f.; Holthausen,
Ae. et. Wb. 368; Bosworth-Toller, AS Dict. 1066;
Suppl. 730; Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 636;
OED² XVII, 993; Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 121
Anm. 3. 415d (unhaltbar H. M. Flasdieck, Anglia 59
[1935], 38 ff.: ae. ðrēag(e)an < *þrauχōjan-, Erweite-
rung wie in aisl. þrúga); Vries, Anord. et. Wb.² 619.
621. 624; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 441; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog III, 1035. 1039. 1045; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 318 ff.; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1276 f. 1288 f.; Ordb. o. d. danske
sprog XXIV, 642; Torp, Nynorsk et. ordb. 809; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 1226 f.

As. thrēgian drohen (subst. as. thrēga in Gl. 2, 585, 25
dat.pl. thrégon minis; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
232) ist von R. Kögel, IF 3 (1894), 286 auf *þraujan-
zurückgeführt und mit ahd. drouwen gleichgesetzt
worden (vgl. W. Schlüter, in Dieter, Altgerm. Dialekte
§ 71, 5; doch lautliche Einwände bei W. v. Helten, IF 5
[1895], 188). Das as. Verb dürfte aber nndl. dreigen,
nndd. drēgen, eigtl. in die Enge bringen, entsprechen
(Gallée, As. Gr.² § 89 Anm. 1; Holthausen, As. Wb.
79). Es könnte sich um eine auf der Basis der Wz. ur-
germ. *þrīχ- dringen ( dringan) vorgenommene
Kausativbildung *þraiijan- dringen machen, drän-
gen
handeln (Franck, Et. wb. d. ndl. taal² Suppl.
37 f.); zu den einzelnen Auffassungen s. Vries, Ndls. et.
wb. 133 f., der jedoch selbst mit spontaner Lautverän-
derung *þraugijan- > *þraigijan- (ders., PBB 80
[1958], 5) rechnet.

S. auch drawa.

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