duoderAWB adv., nur Merseb. Zauberspr. 1:
‚dorthin‘. In dem Vers Eiris sazun idisi, sazun
hera duoder ist duoder hinter dem Adv. hera
‚hierhin‘ ebenfalls am besten als Richtungsadv.
zu deuten: ‚Einst setzten sich Frauen, setzten
sich hierhin, dorthin‘. Stabträger im Halbvers
A sind eiris und idisi und im Halbvers B hera,
wobei entgegen den sonstigen Regeln der alt-
germ. Metrik anlautendes h den vokalischen
Stab anscheinend nicht verhindert (E. Sievers,
Altgerm. Metrik [Halle, 1893] § 138). Die be-
tonte Variante duo ‚da‘ von dô (s. d.) ist mit ei-
nem aus dar geschwächten der ‚dahin‘ (→ dâr)
verbunden. Da dô, duo im Ahd. sonst tempo-
rale Bedeutung hat, ist anzunehmen, daß die
Zusammenrückung duoder eine Fortsetzung
des temporal oder lokal noch undifferenzier-
ten Adv. urgerm. *þōn (zu weiteren möglichen
Vorformen s. dô) enthält, die durch Verbin-
dung mit dem Lokaladv. *þr ebenfalls zum
Lokaladv. wurde. Dagegen fungieren die Fü-
gungen do de/ dar (Tatian 104, 3 tho the stigun
... tho, 208, 4 thode oder Wess. Gebet 6 do dar
‚cum‘) als temporale nebensatzeinleitende
Konjunktionen.
Schützeichel⁴ 94; Schade 115; Steinmeyer, Spr.denkm.
365; Heffner, Word-Index 36.
Zwar geht auch J. Grimm, Kleinere Schriften II (Berlin,
1865), 6 f. von ‚hierhin und dorthin‘ (dagegen zu Un-
recht Th. v. Grienberger, ZfdPh. 27 [1895], 436: „sti-
listische geschmacklosigkeit“) aus, jedoch ist seine
Analyse von hera duoder nicht überzeugend: *her
aduoder oder *herad uoder ‚huc‘ mit unklarem *aduo-
der (nicht zu got. aljaþro ‚aliunde‘, þaþro ‚inde‘, in-
naþro ‚ἔσωθεν‘, ahd. innadiri, innadoli, innodili ‚in-
testina‘) bzw. *uoder für ōdar, andar ‚aliorsum‘ (woge-
gen zu Recht F. Wrede, Sitz.ber. d. Pr. Akad. d. Wiss.
1923, 88: wegen Sinhtgunt des Pferdesegens wäre an-
der zu erwarten; W. Krogmann, PBB 59 [1935], 110:
*herad ergäbe eine von der Überlieferung abweichen-
de Worttrennung). Weitere Deutungen von duoder
bzw. duo der als lokalem Ausdruck sind ebensowenig
plausibel: MSD⁴ 43: hera duoder ‚illuc‘ als Abkürzung
aus *(duo) hera duo dara, zu got. hidre ‚hierher‘, aisl.
heðra ‚hier‘, ae. hider ‚hierher‘, aisl. þaðra ‚dort‘, ae.
ðider, ðæder ‚dorthin‘ — eine Vorform *þōþrē hätte
für ahd. duoder keine Entsprechung; Koegel, Lit.-
gesch. I, 89: ‚sie setzten sich da heran‘ mit *duo dâr als
Entsprechung der bei Otfrid belegten Fügung thô dâr
(doch ist -der in duoder nebentonig); F. Holthausen,
Habilitationsthesen (Heidelberg, 1885) [zitiert MSD⁴
43]: *(h)erad duo dar ‚hierhin, dann dorthin‘; J. Lind-
quist, Göteborgs Högskolas Årsskrift 29, 1 (1923), 19 ff.:
duoder ‚dann da‘; G. Roethe, Sitz.ber. d. Pr. Akad. d.
Wiss. 1913, 278 ff.: *her aduo der mit *her als hera
‚hierher‘, *aduo als edo, odo, ado ‚oder‘ und *der als
dar (got. þar; → dâ r) oder dara ‚dahin‘; unbeweisbar
Wrede, a. a. O.: *hera duo dara mit einem neben ahd.
hera und hara stehenden dara, das zu der verlesen sei
(N. O. Heinertz, ZfdA. 62 [1925], 103 f.: der in *duo
dēr ‚damals dort‘ entspreche afries. der ‚da, dort‘,
weshalb für den Merseb. Zauberspr. friesische Her-
kunft anzunehmen sei). Eine Verbindung mit dem
Wort ‚Erde‘ nehmen an: K. Simrock, Altdeutsches Lese-
buch² (Bonn, 1859) 20 f.: *ero duoder mit duoder
‚dort‘ und ero ‚Erde‘ wie im Wess. Gebet (vgl. auch
W. H. Vogt, ZfdA. 65 [1928], 99 f.: *ero duoder mit
duoder ‚damals da‘); bei ero handelt es sich um einen
wa-St. (→ ero), weswegen E. Wilken, Germania 21
(1876), 219 einen ō-Stamm *erō und so eine Fügung
*era duoder ‚zu der Erde‘ (mit duoder wie in tuote
‚zu‘) postuliert (zustimmend E. Riesel, Dt. Jahrbuch für
Volkskunde 4 [1958], 55); wieder anders L. Ettmüller,
Lexicon anglosaxonicum (Leipzig, 1851), 607: sazum
*era duoder ‚sedebant (in) terrae sphaerum‘ (mit duoder
als Entsprechung von ae. ðodor m. ‚Ball, Kugel‘ und
ahd. todar-, thothar- in Abrogans Pa todar ait, K tho-
thareid ‚ius iurandum‘; s. u.); W. Bruckner, ZfdA. 57
(1920), 282 ff.: *heradu oder zu erda (zu h s. u.) und
oder = *ōđer < *anþar (doch dazu s. o.); Th. v.
Grienberger, ZfdPh. 27 (1895), 437 f.: adv. heraduoder
= *erdōder ‚ἔραζε, zur Erde hin abwärts‘ mit vorge-
setztem h wie in den Schreibungen ahd. herda, haerda
‚Erde‘, dat. herdhu (H. Garke, Prothese u. Aphaerese
des H im Ahd. [Straßburg, 1891], 98 f.); vergleichbar
sei ein neben got. dalaþro ‚ἐκ τῶν κάτω, von unten her‘
stehendes got. *dalaþre ‚nach unten hin‘, ferner das
Verhältnis got. ƕaþro ‚πόθεν, woher‘: ƕadre ‚ποῦ,
wohin‘, jainþro ‚ἐκεῖθεν, dorther‘: jaindre ‚ἐκεῖ, dort-
hin‘. Aber die Diphthongierung von *-ō- zu -uo- kann
nicht mit einem starken Nebenton begründet werden.
— Weniger wahrscheinlich als eine lokale Bestimmung
ist die Auffassung von duoder als Temporaladv. ‚da-
mals‘ (MSD⁴ 43: duoder als verstärktes duo mit Bezug
auf eiris); Th. v. Grienberger, PBB 45 (1921), 231 f.;
ders., ZfdPh. 27 (1895), 435 f.
Ganz andere, und zwar spekulative Auffassungen ver-
treten: F. Kluge, PBB 43 (1917), 145 f.: hera duoder als
Variation von idisi, wobei duoder eine „schlechte
schreibung für duohder“ (mit hd für ht) sei und im
Vorderglied ein zu dem anord. EN Hjǫrdís gehöriges
„germ. heru ‚schwert‘“ mit Fugenvokal wie in ahd. si-
galôs magazogo oder mit Schreibung hera- für here-,
heri- vorliege; das Alter des Walkürenglaubens stehe
im Zusammenhang mit der Wodanverehrung. Th. v.
Grienberger, ZfdPh. 27 (1895), 439 (fragend): duoder
als Nomen agentis auf *-ter wie av. dātar- usw.
‚Schöpfer‘; danach Krogmann, a. a. O. 132 ff.: duoder
als Nom. Pl.n. < *dōþra- ‚Schaffen, Wirken‘ wie im
ersten Bestandteil von Abrogans Pa todar ait, K tho-
thareid (mit th- statt t-; s. tuodareid), afries. dēdēth
‚Tateid, Erhärtungseid‘ (vgl. av. dāθrǝm ‚Satz, Lohn,
Festsetzung‘), wodurch sich für hera duoder als Varia-
tion von idisi die Übersetzung ‚die hehren Wirkenden‘
ergebe. Die Verbindung von hera mit ahd. hêr ‚alt,
ehrwürdig‘ findet sich auch bei A. Vollmer, in Kleine
Beitr. zur dt. Sprachgeschichts- und Ortsforschung, hrsg.
von K. Roth, 2 (München, 1850), 43 (aber drûdi für
duoder); Grienberger, a. a. O., 438 ff.; Heinertz,
a. a. O. 103 f. W. Krogmann, ZfdA. 83 (1951—52), 123
revidiert doch seine ursprl. Auffassung, indem er hera
mit „unberechtigtem h“ als Schreibung für era ‚Hilfe,
Schutz‘ betrachtet und êra duoder so mit ‚der Hilfe
Wirkerinnen‘ wiedergibt. êra bedeutet aber im Ahd.
nicht ‚Hilfe, Schutz‘ (H. W. J. Kroes, GRM 34 [1953],
75 f.). Fehlerhaft ist auch Lindquists, a. a. O. Gleich-
setzung von hera = *ēra mit den PN aisl. Eir ‚Göttin
der Heilkunst‘ und germ. Alaisiagae, Aisia und ferner
mit dem ersten Bestandteil von mhd. eritag, erichtag. —
Abzulehnen sind Konjekturen wie die von H. Feußner,
Die ältesten allit. Dichtungsreste in hochdt. Spr. (Pro-
gramm Hanau, 1845), 11 f.: hera duoder als *era
duondi ‚ihr Amt übend‘; J. Zacher, ZfdPh. 4 (1873),
467 f.: duoder als duo dâr ‚damals da, damals dort‘ mit
Verbesserung von hera zu *irrâ ‚zornig‘; R. Kögel,
PBB 16 (1892), 507 Anm.: hera duoder sei zu lesen als
*heradu nidar ‚auf die Erde nieder‘ wie in Abrogans K
erathu ‚terrae‘ (ebenso noch Kroes, a. a. O. 76; ders.,
GRM 40 [1959], 204); G. Eis, Forschungen u. Fort-
schritte 32 (1958), 27: hera muoder ‚hehre Mütter‘ (da-
zu L. Wolff, in Maurer-Festschrift [1963], 305 f.).