duris m. a-St., in Gl. und in PN wie Thuris-
mund (8. Jh.): ‚Dämon, Teufel, böser Geist,
Riese, Dis, Orcus, Cyclops‘ 〈Var.: thuris, thu-
res, durs, turs (mit Verschiebung zur unaspi-
rierten Tenuis und Synkope des i), thurs〉. —
Mhd. dürse, türse, turse sw. m., dürsch (mit
Wandel von rs > rsch) ‚Riese‘ (bei bair. Dich-
tern als Übernahme aus dem Alem. und Ofrk.),
frühnhd. türse, türst (mit epithetischem t be-
sonders im Schweiz.), nhd. erhalten nur dial.
in schweiz. türst, ferner in EN wie Türsch, (als
Bezeichnung des schweiz. wilden Jägers)
Dürst, Türst, ferner schwäb. türsen-blut (dafür
anderswo türken-blut), tirol. tirsenöl ‚Steinöl‘,
tirol. ON Tirschenbach Weiler im Oberen Inn-
tal, wo der Sage nach ein Riese Tyrsus erschla-
gen worden ist.
Demgegenüber hat der ON Tirschenreuth, Oberpfalz
(ca. 1135 Drsinrte, ca. 1550 Türschenreuth) zwar
nicht ahd. duris, aber den zu diesem Wort gehörenden
PN Durso als Bestimmungsglied; s. u. zu langob. Turso
(Matzel, Gesammelte Schriften 503 f.; Reitzenstein,
Lex. bayer. ON 371; anders Schmeller, Bayer. Wb. I,
623 ff.: zu mhd. türse ‚Riese‘).
Splett, Ahd. Wb. I, 158; Schützeichel⁴ 95; Starck-
Wells 111; Graff V, 228; Schade 116; Lexer I, 497; II,
1587; Benecke III, 153; Dt. Wb. XI, 1, 2, 1902 f.; För-
stemann, Adt. Namenbuch2-3 I, 1469 f.; Paul, Mhd.
Gr.²³ § 9, 1. 155; Stalder, Versuch eines Schweiz. Id. I,
329; Fischer, Schwäb. Wb. II, 511; Schöpf, Tirol. Id.
744 f.; Mensing, Schleswig-holst. Wb. V, 135.
Außerhalb des Ahd. entsprechen im Germ.: as.
thuris- ‚Riese‘ im ON Thurislōhun; ae. ðyrs m.
‚Riese, Dämon, Zauberer‘, me. þürs, ne. (veral-
tet) thurse ‚Teufel, Dämon‘; Runenname þuris
(im Abecedarium Nordmannicum 3 Thuris thrit-
ten stabu); aisl. þurs, þors, þuss (mit Assimilati-
on von rs > ss) m. ‚Riese, Unhold‘, nisl. þurs,
þursi, þus, þussi ‚Riese, querköpfige und tö-
richte Person, Barbar‘, nnorw. tuss ‚Gnom,
Wichtelmännchen‘, tusse ‚Tor, Dummkopf‘, ält.
ndän. tosse, tusse, tuss ‚Berggeist, Tropf‘, ndän.
tosse ‚Dummkopf‘, nschwed. tossa ‚läppische
und törichte Frau‘, dial. tusse ‚Riese‘, tuss
‚Dummkopf‘ (aus dem Skand. finn. [iki-]turso
‚Riese‘, tursas ‚Meerungeheuer‘, estn. Tursas
Name einer Meergottheit); ogot. PN Thorismo-
dus (Westgotenkönig ab a. 453) (mit o = got.
aú vor r), Thurismundus (5. Jh.), Thorisarius
(5. Jh.), Θορησίν [Thorisin] (Gepidenkönig,
6. Jh.), langob. PN Turso. Während die Laut-
formen mit einem Bindevokal i oder i-Umlaut
auf urgerm. *þurisa(n)- beruhen, ist wegen der
Lautungen mit Wurzelvokal o daneben wohl ein
*þurasa(n)- anzusetzen.
Fick III (Germ.)⁴ 197; Holthausen, As. Wb. 79; Gal-
lée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 349; Holthausen, Ae. et.
Wb. 375; Bosworth-Toller, AS Dict. 1086; Strat-
mann-Bradley, ME Dict.³ 641; OED² XVIII, 41;
Vries, Anord. et. Wb.² 627; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
453 ff.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog III, 1055;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 322; Noreen,
Aisl. Gr.⁴ § 153, 1; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
1275 f.; Ordb. o. d. danske sprog XXIV, 1092 f.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 819; Hellquist, Svensk et. ordb.³
1249; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 735; Bruckner,
Spr. d. Langob. 314; F. J. Wiedemann, Estnisch-deut-
sches Wörterbuch (St. Petersburg, 1869) 1354; Schön-
feld, Wb. d. agerm. PN 236 f.; Reichert, Lexikon d.
agerm. Namen I, 697 ff.; Bach, Dt. Namenkunde I, 1
§ 189; F. Kauffmann, Balder. Mythus und Sage (Straß-
burg, 1902), 179 f.
In der nordgerm. Mythologie sind die Tursen
einerseits ursprl. vielwissende unterirdische Dä-
monen mit ihrem Ahnherrn Ymir, die dann dä-
monisiert und von þórr bekämpft wurden, ande-
rerseits gelten sie als dumm (Njáls saga), sie
konnten auch Krankheiten verbreiten (vgl.
nnorw. tussbit, nschwed. dial. torsabett, tossebet
‚bösartige Wunde oder Geschwulst‘). Da der
Name des Tursenkönigs im Aisl., þrymr, eigtl.
‚Lärm‘ bedeutet, stellt sich ahd. duris zu aisl.
þyrja ‚mit Lärm hervorbrechen‘. Gegenüber isl.
þyrla ‚wirbeln‘, nhd. dorlen ‚sich drehen‘, ahd.
dwiril ‚Quirl, Rührstab‘ (s. d.), mndd. dwarl,
dwerl ‚Wirbel, Locke‘ gibt aisl. þyrja den
Schalleindruck einer durcheinanderwirbelnden
Menge wieder; vgl. die Bedeutung des zugehöri-
gen Subst. aisl. þori m. ‚Menge, Masse‘, alles
Ableitungen von der in ahd. dweran ‚schnell
herumdrehen, durcheinander rühren, mischen‘
(s. d.) vorliegenden Wz. urgerm. *þwer- < ur-
idg. *tu̯er- ‚drehen, quirlen, wirbeln‘. Urgerm.
*þurisa(n)-/ þurasa(n)- beruht möglicherweise
auf einem von urgerm. *þurjan- (aisl. þyrja) ab-
geleiteten s-Stamm *þur-as/ is-, der — mit einem
Themavokal versehen — zu der Bedeutung ‚Lär-
mender‘ geführt hat (Krahe-Meid, Germ.
Sprachwiss. III § 113, 4).
Walde-Pokorny I, 749; Pokorny 1100; Schrader,
Reallex. d. idg. Alt.² II, 709.
In Anbetracht der Tatsache, daß der Tursenkönig mit
einem Wort für ‚Lärm‘ bezeichnet wurde, ist die Ver-
bindung mit aind. turá- ‚stark, vermögend, reich‘
(H. Harder, Arch. f. d. St. d. neueren Spr. [1939], 90;
Handwb. d. dt. Aberglaubens IX, 1122), das zu aind.
tavīti ‚ist stark, hat Macht‘ gehört und möglicherweise
mit aind. turá- ‚rasch, schnell, willfährig‘ identisch ist
(Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. III, 514), weniger
wahrscheinlich. Noch weniger überzeugt Manns (IE
Comp. Dict. 1461 [bereits Schade a. a. O.]) Verbin-
dung von ahd. duris mit gr. τύρσις, -ιος, -ιδος f.
‚Turm, Wohnturm, Burg, Palast, mit Mauer und
Turm befestigte Stadt‘, lat. turris, -is f. ‚Burg, Palast,
Turm‘, alb. túrrë f. ‚Holzstoß, -stapel‘, nir. torr ‚Hau-
fen, Turm, Holzstoß‘, nkymr. twr ‚Haufen‘ und lat.
tursiō, -ōnis m. ‚delphinartiger Fisch, kleines Meer-
schwein‘; denn bei den Wörtern für ‚Turm‘ handelt es
sich wohl um Lehnwörter aus einer Mittelmeersprache
(lat. turris wie osk. tiurrí ‚turrim‘ kaum < gr. τύρσις;
nir. torr usw. sind ebenfalls Lehnwörter), und lat. tur-
siō ist aus gleichbedeutendem gr. θυρσίων entlehnt
(P. Kretschmer, Glotta 22 [1934], 110 ff.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. II, 719 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 708 f.; A. Heubeck, Praegraeca. Sprachl. Unters. z.
vorgriech.-idg. Substrat (Erlangen, 1961), 65 f.; Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 993; Frisk, Gr. et. Wb. II, 948 f.).
Fern bleibt auch der Name der Etrusker, Tυρσηνοί
und *Turs-ci > Tusci neben Etrusci (verglichen von
Grimm, Dt. Myth.⁴ I, 432; W. Sonne, Zfvgl.Spr. 10
[1861], 105; Schrader, a. a. O. I, 41). Auch die Deu-
tung von ahd. duris als ‚Durstiger, Trinklustiger‘ zu got.
*gaþairsan ‚verdorren‘ (Grimm, a. a. O. 431) ist unbe-
friedigend, weil urgerm. *þurisa(n)- gegenüber ur-
germ. *þers- ‚dürsten‘ ein i zwischen r und s aufweist.