duris
Band II, Spalte 869
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duris m. a-St., in Gl. und in PN wie Thuris-
mund (8. Jh.): Dämon, Teufel, böser Geist,
Riese, Dis, Orcus, Cyclops
Var.: thuris, thu-
res, durs, turs (mit Verschiebung zur unaspi-
rierten Tenuis und Synkope des i), thurs.
Mhd. dürse, türse, turse sw. m., dürsch (mit
Wandel von rs > rsch) Riese (bei bair. Dich-
tern als Übernahme aus dem Alem. und Ofrk.),
frühnhd. türse, türst (mit epithetischem t be-
sonders im Schweiz.), nhd. erhalten nur dial.
in schweiz. türst, ferner in EN wie Türsch, (als
Bezeichnung des schweiz. wilden Jägers)
Dürst, Türst, ferner schwäb. türsen-blut (dafür
anderswo türken-blut), tirol. tirsenöl Steinöl,
tirol. ON Tirschenbach Weiler im Oberen Inn-
tal, wo der Sage nach ein Riese Tyrsus erschla-
gen worden ist.

Demgegenüber hat der ON Tirschenreuth, Oberpfalz
(ca. 1135 Drsinrte, ca. 1550 Türschenreuth) zwar
nicht ahd. duris, aber den zu diesem Wort gehörenden
PN Durso als Bestimmungsglied; s. u. zu langob. Turso
(Matzel, Gesammelte Schriften 503 f.; Reitzenstein,
Lex. bayer. ON 371; anders Schmeller, Bayer. Wb. I,
623 ff.: zu mhd. türse Riese).

Splett, Ahd. Wb. I, 158; Schützeichel⁴ 95; Starck-
Wells 111; Graff V, 228; Schade 116; Lexer I, 497; II,
1587; Benecke III, 153; Dt. Wb. XI, 1, 2, 1902 f.; För-
stemann, Adt. Namenbuch2-3 I, 1469 f.; Paul, Mhd.
Gr.²³ § 9, 1. 155; Stalder, Versuch eines Schweiz. Id. I,
329; Fischer, Schwäb. Wb. II, 511; Schöpf, Tirol. Id.
744 f.; Mensing, Schleswig-holst. Wb. V, 135.

Außerhalb des Ahd. entsprechen im Germ.: as.
thuris- Riese im ON Thurislōhun; ae. ðyrs m.
Riese, Dämon, Zauberer, me. þürs, ne. (veral-
tet) thurse Teufel, Dämon; Runenname þuris
(im Abecedarium Nordmannicum 3 Thuris thrit-
ten stabu); aisl. þurs, þors, þuss (mit Assimilati-
on von rs > ss) m. Riese, Unhold, nisl. þurs,
þursi, þus, þussi Riese, querköpfige und tö-
richte Person, Barbar
, nnorw. tuss Gnom,
Wichtelmännchen
, tusse Tor, Dummkopf, ält.
ndän. tosse, tusse, tuss Berggeist, Tropf, ndän.
tosse Dummkopf, nschwed. tossa läppische
und törichte Frau
, dial. tusse Riese, tuss
Dummkopf (aus dem Skand. finn. [iki-]turso
Riese, tursas Meerungeheuer, estn. Tursas
Name einer Meergottheit); ogot. PN Thorismo-
dus (Westgotenkönig ab a. 453) (mit o = got.
vor r), Thurismundus (5. Jh.), Thorisarius
(5. Jh.), Θορησίν [Thorisin] (Gepidenkönig,
6. Jh.), langob. PN Turso. Während die Laut-
formen mit einem Bindevokal i oder i-Umlaut
auf urgerm. *þurisa(n)- beruhen, ist wegen der
Lautungen mit Wurzelvokal o daneben wohl ein
*þurasa(n)- anzusetzen.

Fick III (Germ.)⁴ 197; Holthausen, As. Wb. 79; Gal-
lée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 349; Holthausen, Ae. et.
Wb. 375; Bosworth-Toller, AS Dict. 1086; Strat-
mann-Bradley, ME Dict.³ 641; OED² XVIII, 41;
Vries, Anord. et. Wb.² 627; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
453 ff.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog III, 1055;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 322; Noreen,
Aisl. Gr.⁴ § 153, 1; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
1275 f.; Ordb. o. d. danske sprog XXIV, 1092 f.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 819; Hellquist, Svensk et. ordb.³
1249; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 735; Bruckner,
Spr. d. Langob. 314; F. J. Wiedemann, Estnisch-deut-
sches Wörterbuch (St. Petersburg, 1869) 1354; Schön-
feld, Wb. d. agerm. PN 236 f.; Reichert, Lexikon d.
agerm. Namen I, 697 ff.; Bach, Dt. Namenkunde I, 1
§ 189; F. Kauffmann, Balder. Mythus und Sage (Straß-
burg, 1902), 179 f.

In der nordgerm. Mythologie sind die Tursen
einerseits ursprl. vielwissende unterirdische Dä-
monen mit ihrem Ahnherrn Ymir, die dann dä-
monisiert und von þórr bekämpft wurden, ande-
rerseits gelten sie als dumm (Njáls saga), sie
konnten auch Krankheiten verbreiten (vgl.
nnorw. tussbit, nschwed. dial. torsabett, tossebet
bösartige Wunde oder Geschwulst). Da der
Name des Tursenkönigs im Aisl., þrymr, eigtl.
Lärm bedeutet, stellt sich ahd. duris zu aisl.
þyrja mit Lärm hervorbrechen. Gegenüber isl.
þyrla wirbeln, nhd. dorlen sich drehen, ahd.
dwiril Quirl, Rührstab (s. d.), mndd. dwarl,
dwerl Wirbel, Locke gibt aisl. þyrja den
Schalleindruck einer durcheinanderwirbelnden
Menge wieder; vgl. die Bedeutung des zugehöri-
gen Subst. aisl. þori m. Menge, Masse, alles
Ableitungen von der in ahd. dweran schnell
herumdrehen, durcheinander rühren, mischen

(s. d.) vorliegenden Wz. urgerm. *þwer- < ur-
idg. *ter- drehen, quirlen, wirbeln. Urgerm.
*þurisa(n)-/ þurasa(n)- beruht möglicherweise
auf einem von urgerm. *þurjan- (aisl. þyrja) ab-
geleiteten s-Stamm *þur-as/ is-, der mit einem
Themavokal versehen zu der Bedeutung Lär-
mender
geführt hat (Krahe-Meid, Germ.
Sprachwiss. III § 113, 4).

Walde-Pokorny I, 749; Pokorny 1100; Schrader,
Reallex. d. idg. Alt.² II, 709.

In Anbetracht der Tatsache, daß der Tursenkönig mit
einem Wort für Lärm bezeichnet wurde, ist die Ver-
bindung mit aind. turá- stark, vermögend, reich
(H. Harder, Arch. f. d. St. d. neueren Spr. [1939], 90;
Handwb. d. dt. Aberglaubens IX, 1122), das zu aind.
tavīti ist stark, hat Macht gehört und möglicherweise
mit aind. turá- rasch, schnell, willfährig identisch ist
(Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. III, 514), weniger
wahrscheinlich. Noch weniger überzeugt Manns (IE
Comp. Dict. 1461 [bereits Schade a. a. O.]) Verbin-
dung von ahd. duris mit gr. τύρσις, -ιος, -ιδος f.
Turm, Wohnturm, Burg, Palast, mit Mauer und
Turm befestigte Stadt
, lat. turris, -is f. Burg, Palast,
Turm
, alb. túrrë f. Holzstoß, -stapel, nir. torr Hau-
fen, Turm, Holzstoß
, nkymr. twr Haufen und lat.
tursiō, -ōnis m. delphinartiger Fisch, kleines Meer-
schwein
; denn bei den Wörtern für Turm handelt es
sich wohl um Lehnwörter aus einer Mittelmeersprache
(lat. turris wie osk. tiurrí turrim kaum < gr. τύρσις;
nir. torr usw. sind ebenfalls Lehnwörter), und lat. tur-
siō ist aus gleichbedeutendem gr. θυρσίων entlehnt
(P. Kretschmer, Glotta 22 [1934], 110 ff.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. II, 719 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 708 f.; A. Heubeck, Praegraeca. Sprachl. Unters. z.
vorgriech.-idg. Substrat (Erlangen, 1961), 65 f.; Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 993; Frisk, Gr. et. Wb. II, 948 f.).
Fern bleibt auch der Name der Etrusker, Tυρσηνοί
und *Turs-ci > Tusci neben Etrusci (verglichen von
Grimm, Dt. Myth.⁴ I, 432; W. Sonne, Zfvgl.Spr. 10
[1861], 105; Schrader, a. a. O. I, 41). Auch die Deu-
tung von ahd. duris als Durstiger, Trinklustiger zu got.
*gaþairsan verdorren (Grimm, a. a. O. 431) ist unbe-
friedigend, weil urgerm. *þurisa(n)- gegenüber ur-
germ. *þers- dürsten ein i zwischen r und s aufweist.

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