dweran
Band II, Spalte 915
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dweran st. v. IV, nur in Gl. und bei Notker:
mengen, durcheinanderwirbeln, mischen, ver-
wirren, aufwühlen, confundere
Var.: Notker
tweren; Gl. 2, 333, 1 part. prät. kaduoran; gi-
dweran
st. v. IV, Gl., Otfrid, Notker: durch-
einanderwirbeln
Var.: Otfrid githw-, Notker
getweren. Mhd. dwern, twern st. v. herum-
drehen, bohren, quirlen, rühren, mischen
.
Das Wort ist dialektal heute fast ausschließlich
im Obd. lebendig: schwäb. zwären eine Flüs-
sigkeit umrühren, bes. Mehl zu einem Brei
;
bair. zweren herumdrehen, rühren, quirlen.

Splett, Ahd. Wb. I, 160; Schützeichel⁴ 96; Starck-
Wells 113; Graff V, 278; Schade 121; Lexer II, 1600;
Benecke III, 165; Dt. Wb. VII, 2358 f.; XVI, 954.
1094. Schmidt, Schwäb. Wb. 553; Schmeller, Bayer.
Wb.² II, 1180.

Ahd. (gi)dweran entspricht ae. geðweran st. v.
rühren; schlagen, hämmern, schmieden, erwei-
chen
(z. B. geðwer to buteran rühre [den Rahm]
zu Butter
; vgl. auch geðworen neben geðuren
gedrückt, geschlagen); nnorw. tvera st. v.
zwirnen, drehen (nschwed. dial. tvära, ndän.
tvære sw. v. umdrehen): < urgerm. *þweran-.

Von der Entsprechung des Adj. ahd. dwerah quer,
von der Seite, seitwärts
(s. d.) abgeleitet und damit de-
nominale Verben sind: mhd. twerhen mit queren,
schiefen Worten anfahren
, nhd. queren sw. v. berg-
männ. quer durchfahren, leipziger. immer (quer) im
Wege stehen, hin und her laufen
; mndd. dwēren in
die Quere laufen
, nostfries. dwären, dweren queren,
drehen, kehren, beugen, krümmen
; ae. ðwēorian sich
widersetzen, durchqueren, entgegen sein
; aisl. þve-
rask sich seitwärts wenden, ndän. tvære sich quer
stellen
.

Fick III (Germ.)⁴ 196; Seebold, Germ. st. Verben 528;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 505; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 371 f.; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 373; Bosworth-Toller, AS Dict. 458.
1083 f.; Suppl. 731; Vries, Anord. et. Wb.² 628; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 452 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. nor-
ske sprog III, 1058; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 736;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 323; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1301 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
822; Ordb. o. d. danske sprog XXIV, 1202 ff.; Rietz,
Dialektlex. ö. svenska allmogespr. 767.

Auch aisl. þverra st. v. schwinden, aufhören
(daneben þverra, -rð/ að- vermindern, herab-
setzen
), nisl. þverra, nnorw. tverra, nisl. óþver-
ri m. Schmutz, Hautausschlag, eigtl. nicht
verschwindend
(hierher wohl auch aisl. þorri
m. vierter Wintermonat, von Mitte Januar bis
Mitte Februar
, eigtl. abnehmender Winter,
weil dieser Monat unmittelbar nach der Mitt-
winternacht am 12. Januar anfing; anders
N. Lid, Norsk tidsskrift f. sprogv. [1934], 163 ff.
zu finn. Turri mythisches Wesen, ndän. dial.
torre Kind, Tier, das nicht wachsen will mit ex-
pressiver Gemination zu urgerm. *þwer- quir-
len
) hat man zu ahd. dweran gestellt. Trifft die-
ser Anschluß zu (anders M. Olsen, Maal og
Minne [1912], 15 ff: aisl. þorri zu þurr trok-
ken
), so könnte man wie bei dem zu ahd. dwe-
ran gehörigen Subst. ahd. duris Dämon, Teufel
< *þurisa- (s. d.) eine Bildung mit s, also eine
Vorform urgerm. *þwerzan- (< vorurgerm.
*terse/ o-), annehmen (so Seebold, Germ. st.
Verben 529, doch ohne Vergleichsmöglichkeit).
Anders liegt der Fall, wenn urgerm. *þwer- auf
einer se-Wz. (s. u.) beruht; dann mag nämlich
*þwerr-, eigtl. sich schnell (fort)bewegen (zur
Bedeutungsvermittlung s. u.), mit Resonantenge-
mination durch Laryngal aus der Lautfolge ur-
idg. *terǝ- [**terH-] hervorgegangen sein.

Jóhannessons (a. a. O. 453) Annahme einer Intensivge-
mination für aisl. -rr- usw. ist weniger wahrscheinlich;
denn nur für Obstruenten ist mit einer solchen regulä-
ren Gemination zu rechnen (s. Lühr, Expressivität
189 ff.). Wenig überzeugend ist auch F. A. Woods
(MLN 20 [1905], 42 f.; 21 [1906], 42) Anschluß an
as. thorron verdorren und gr. σειρόω dörre aus,
drainiere, filtriere
< *teroō, weil sich as. thorron
zu ahd. durri < *þurzi- stellt (s. d.) und der Ansatz
der Stammbildung von gr. σειρόω wegen des zweimali-
gen -Formans (*-oō) wenig plausibel ist. Zu weit
hergeholt wirkt die von R. A. Fowkes, Lang. 22
(1946), 347 f. vorgenommene Verbindung mit der Wz.
uridg. *ter- fassen, einfassen, einzäunen (lit. tveriù,
tvérti einhegen, lett. tverú greifen) mit der Bedeu-
tungsentwicklung von einfassen > beschränken, ver-
mindern
.

Urgerm. *þweran- (*þwerran-) stellt sich zu:
aind. tvárate ist in Eile (seit Brāhmaas), tva-
ráyati belebt, läßt eilen, prátūrta- schnell; jav.
θβāṣ̌a- eilig, rasch < uridg. *ter(ǝ)-
[**ter(H)-] drehen, quirlen, wirbeln; sich
schnell bewegen
; gr. ὀτραλέος, ὀτρηρός hurtig,
rasch
(ὀτραλέος mit -α- nach θαρσ-αλέος zu-
versichtlich, kühn
neben θαρσ-νω ermutige:
ὀτρνω?; ὀτρηρός wohl Neubildung auf -ηρός),
hom. poet. ἐπι-οτρνω treibe an, muntere auf,
fordere auf, betreibe
(< *ὀ-τρυ-νω); lat. amp-
truāre, antruāre bei den saliarischen Religions-
feiern tanzend im Kreis hüpfen
(< *am +
truō), Festus-Paulus 9 truant moventur; trua f.
Kelle, trulla, truella Schöpfkelle, Pechpfanne,
Napf
(> span. trulla Maurerkelle, frz. truelle
usw., engl. trowel).

Zu der im Griech. bzw. Lat. vorliegenden Wurzelform
*tur(ǝ)- [**tur(H)-] bzw. *tru- (mit Metathese) vgl.
das Nebeneinander von aind. hvárate geht in Krüm-
mungen, geht wankend
und ví hrūāti macht fehlge-
hen, macht abwendig
, hūrchati kommt von etwas ab
< *hur-sé- (mit sekundärem langem ū). Sofern ved.
*tūrta- = jav. θβāṣ̌a- (im Av. mit Akzentverschiebung)
aus *tr̥̄-tó- [**tH-tó-] hervorgegangen ist, würde
urgerm. *þwerran- schwinden < eilen die lautge-
setzliche Vertretung von uridg. *-rǝ- [**-rH-] fortset-
zen, während das einfache *-r- in urgerm. *þweran-
aus der 3.Pl. *teronti [**terHonti], wo der Laryn-
gal vor Vokal schwindet, verallgemeinert wäre (s.
Lühr, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 35 [1976], 73 ff.). Doch
kann jav. θβāṣ̌a- auch aus *tvár-ta- hergeleitet werden
(K. Hoffmann, Aufsätze zur Indoiranistik III, 850 f.),
und die griech. Vergleichsformen deuten eher auf eine
Wz.-Form *ter- als auf *terǝ- [**terH-].

Die Bedeutungen mengen, durcheinander wir-
beln, mischen, verwirren, aufwühlen
(ahd. dwe-
ran), rühren, schlagen, hämmern (ae. geðwe-
ran) und schwinden, aufhören (aisl. þverra)
der germ. Verben lassen sich über die Vorstel-
lung der schnellen Bewegung vereinen. Im tran-
sitiven Gebrauch ergab sich die Bedeutung ein
Gerät wie einen Quirl oder einen Hammer
schnell bewegen
und im intransitiven Gebrauch
entwickelte sich über sich schnell (fort)bewe-
gen, verschwinden
die Bedeutung schwinden,
aufhören
; zur Bedeutung rühren vgl. die eben-
falls von der Wz. *ter(ǝ)- abgeleiteten Wörter
gr. τορύνη Rührlöffel, -kelle (mit Dissimilation
< *τυρ-ύνη), aisl. þvara f. Rührstab, Quirl,
ae. ðwiril, ahd. dwiril Quirl (s. d.) und zur Be-
deutung sich schnell (fort)bewegen vgl. die Be-
deutung von aisl. þyrja sw. v. schnell fahren,
sausen
, einer schwundstufigen Ableitung von
der Wz. urgerm. *þwer-.

Walde-Pokorny I, 749; Pokorny 1100; Mann, IE
Comp. Dict. 1466 (jedoch zu gr. Hesych σηρά Band;
lit. tveriù, tvérti; s. o.); Fick I (Idg.)⁴ 64. 449 (Tren-
nung von *tere/ o- eilen und rühren); Persson,
Beitr. z. idg. Wortf. 577; A. Fick, BB 1 (1877), 335;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 514. 519. 539 (doch:
der außerar. Anschluß von aind. tvárate an ahd. dwe-
ran sei sehr unsicher); III, 619 f.; ders., Et. Wb. d. Alt-
indoar. I, 684 f.; T. Gotō, Die I. Präsensklasse im
Ved., Sitz.ber. d. österr. Akad. 489 (Wien, 1987), 169
und Anm. 279 (die Formen mit -tr- im RV wie á-tūr-
ta- unübertroffen, unübertrefflich, prá-tūrti- Bewäl-
tigung, Kampf
, turaga- Pferd, turá- eifrig, stre-
bend
, Verbalformen wie turáya- schnell vordringen
usw. gehören zur Wz. *tari durch etwas kommen,
durchdringen
). 352 f.; Bartholomae, Airan. Wb. 797;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 725. 977 f.; Frisk, Gr. et. Wb. II,
440 f. 914 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 1127; Schwyzer,
Gr. Gr.² 694; Thes. ling. lat. I, 217 f.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 42; II, 708 f. (aber: lat. trua <
*tr-ā mit Fragezeichen); Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 30. 704; F. Froehde, BB 14 (1889), 106 f. (doch:
ὀτραλέος < *τϝνο-); H. Ehrlich, Berl. Phil. Wo-
chenschr. (1911), 1574 (Festus-Paulus 9 truant sei nur
eine Grammatikerfiktion). Meyer-Lübke, Rom. et.
Wb.³ Nr. 8949; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 9775;
Wartburg, Frz. et. Wb. XIII, 2, 329 ff. Gr. στορύνη
Bezeichnung eines chirurgischen Werkzeugs ist zwar
wie τορύνη gebildet, doch ist das Wort etymologisch
unklar (Frisk, a. a. O. II, 804).

Gr. τῡρός m. Käse und russ. tvaróg Quark, gekäste
Milch
(> mhd. twarc, quarc > nhd. Quark; vgl. ae.
geðwēor Quark) werden ebenfalls zu ahd. dweran
gestellt (Fick I [Idg.]⁴ 449). Gr. τῡρός gehört jedoch
zu jungav. tūiri- n. käsig gewordene Milch, Molke,
weitere Verknüpfungen sind nach Frisk, a. a. O. II,
948 strittig (doch s. dûdistel); und für russ. tvaróg gibt
es mehrere Anschlußmöglichkeiten (Vasmer, Russ. et.
Wb. III, 85).

Eine bedeutungsgleiche Sippe mit s-Anlaut be-
gegnet in ahd. stōren stören (s. d.).

S. auch -dwâri, dwarôn, dwiril, gidwor.

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