einlifAWB Kard.zahl, Mons. Frg., Tatian, Ot-
frid: ‚elf, undecim‘ 〈unflektiert einlif, flektiert
gen. einlifo, -iu-, eiinliuo, dat. einlifin, akk.
-i〉. — Mhd. einlif, -lef, eilif, eilef, nhd. dial. ti-
rol. ainlif, nhd. elf.
Ahd. Wb. III, 198; Splett, Ahd. Wb. I, 176; Schütz-
eichel⁴ 99; Graff I, 317; Schade 127; Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 271; Lexer I, 526; Benecke I, 985; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 626 (undecim); Dt. Wb. III, 413;
Kluge²¹ 163; Kluge²² 174 f.; Pfeifer, Et. Wb. 350. —
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 12. S. auch H.-F. Rosen-
feld, Nd. Jb. 79 (1956), 115 ff. (zur Zählung elmnont-
wintich ‚22‘, elmnondrüttich ‚33‘ usw. in Mittelpom-
mern).
Zu ahd. einlif stellen sich: as. ēllevan, mndd.
el(l)ven, elf; mndl., nndl. elf; afries. andlova,
ålvene, elleva, nostfries. elf(e), elfen, nwestfries.
ālf, ālve; ae. endleofan, westsächs. endlufon
(nordhumbr. flektiert ællefne), me. elleven, ne.
eleven; anord. ellifu, nisl. ellefu, nnorw. elleve,
nschwed. elva, ndän. elleve (< *ānlifu mit Ent-
wicklung in nebentoniger Silbe aus *ainlifu);
got. *ainlif, nur dat.pl. ainlibim. Wegen der
umgelauteten Formen und wohl auch wegen des
fehlenden Kompositionsvokals im Got. ist ne-
ben der Vorform urgerm. *aina-lifa- auch ein
*aini-lia/ lifa- anzusetzen. Die Weiterentwick-
lung ist davon abhängig, ob i-Umlaut, Wandel
von *nl zu ll, Kürzung des Vokals vor *nl oder
ll, d-Einschub zwischen *n und *l und a-Um-
laut wie im Nd. und Fries. (*aina/ aini-lefan/ le-
an) eingetreten ist. Wie im Germ. auch sonst
des öfteren bei den substantivisch gebrauchten
Zahlen von ‚vier‘ bis ‚zwölf‘ wird im Ahd. und
Got. das Wort nach den i-Stämmen flektiert;
vgl. got. fimftaihunim ‚fünfzehn‘ (zur Entste-
hung der i-Flexion bei diesen Kardinalia vgl.
R. Loewe PBB 27 [1902], 75 ff.; W. L. van Hel-
ten IF 18 [1905—06], 85 ff.); und im Nordsee-
germ. und Nordgerm. ist der Auslaut an den
Ausgang anderer Zahlwörter angeglichen wor-
den (vgl. as. tehan, ae. westsächs. siofon, -an,
aisl. tíu < *tehu). Der im Ahd. beim Ordinale
(→ einlifto) und im Ae. auftretende u-Vokal be-
ruht wohl auf schwachtoniger Verdumpfung
von -i- zu -u- vor Labial und setzt keinen se-
kundären Ablaut *-luf-, *-lu- (so Pfeifer,
a. a. O.) fort.
Das Zahlwort wird aufgefaßt als ‚einer übrig‘,
also als Zusammensetzung aus *aina- (→ ein)
und *-lifa/ lia- ‚übrig‘, wobei *-f/ - anstelle
von *-χ(u̯)- aus dem Wort für ‚zwölf‘, *twa-
lifa- (< *twa-liχu̯a-) mit lautgesetzlicher Ent-
wicklung von *χu̯ hinter Labial zu *f (→ zwe-
lif) stammt (C. C. Uhlenbeck, PBB 30 [1905],
257 f.; G. S. Lane, JEGP 38 [1939], 194; Sommer,
Zahlwort 62 f.; Porzig, Glied. d. idg. Spr. 146;
E. P. Hamp, IF 78 [1973], 141 f.). Eine andere Er-
klärungsmöglichkeit ist die unmittelbare Verbin-
dung von urgerm. *-lifa/ lia- mit got. laiba, ahd.
leiba ‚Überbleibsel, Rest‘ < vorurgerm. *lei̯p-
‚haften‘; → bilîban (z. B. F. A. Blackburn, JEGP 1
[1900], 72 ff.; zum Ansatz von Wurzelvarianten
bei dem Wort ‚elf‘ wie in got. bileiban : leiƕan vgl.
Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 503 Anm. 1; Kluge²²,
a. a. O. und Pokorny 670 als Alternative. Doch
erwägt Pokorny für ahd. -lif im Anschluß an
C. J. S. Marstrander, Ériu 5 [1911], 206 sicher
zu Unrecht auch Entlehnung aus urkelt. *lipi- <
*liku̯i-).
Anorw. ællugu (neben ælluva) ‚elf‘, øllykti ‚elfter‘
sind keine Stütze für ein ursprl. *aina-liχu̯a- (anders
Walde-Pokorny II, 397), weil in anorw. Dialekten
sporadisch zu wird (Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 256;
W. Krogmann, Zfvgl.Spr. 60 [1933], 53).
Holthausen, As. Wb. 15; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 530; Verdam, Mndl. handwb. 162;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 154; Vries, Ndls. et. wb.
155; Holthausen, Afries. Wb.² 3; Richthofen, Afries.
Wb. 606; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
389 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I, 36; Holthausen, Ae. et.
Wb. 91; Bosworth-Toller, AS Dict. 251; Suppl. 190;
ME Dict. E-F, 68; Oxf. Dict. of Engl. Et. 306; OED²
V, 137 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 101; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 733; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 49;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 187 f.; Torp, Nynorsk
et. ordb. 88; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 181; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 23; Lehmann, Gothic Et. Dict. A-
77; W. L. van Helten, IF 18 (1905—06), 106 ff.; A. S.
C. Ross-J. Berns, in Indo-European Numerals 593 ff.
Weniger wahrscheinlich ist die Auffassung von
A. Meillet (MSLP 15 [1908], 259), daß *lei̯ku̯- durch
Vermischung mit der Wz. *lei̯p- ‚kleben‘ in *lei̯p-
übergegangen sei; vgl. Fick III (Germ.)⁴ 3: ursprl. *ai-
na-liχu̯a- mit Umbildung nach der Wz. *lī- ‚bleiben‘.
Eine unmittelbar vergleichbare Bildung begeg-
net in den heute als ā-Stämme flektierenden
Kardinalia lit. vienúolika ‚elf‘, dvýlika ‚zwölf‘
(dvý- als Analogie nach trý-), trýlika ‚dreizehn‘
usw. mit -lika < *-lieka < nom. akk. pl. n. *lie-
k und einer Fügung *dešimtìs vienúo liekúo
‚zehn mit einem Überschüssigen‘ als möglichem
Ausgangspunkt (A. Bezzenberger, Zfvgl.Spr. 44
[1911], 133 f.). Die im Lit. danebenstehenden
Ordinalia alit. liekas ‚der elfte‘, antras liekas
‚der zwölfte‘ usw. lassen keinen Zweifel am Zu-
sammenhang von -lika mit liẽkas ‚ungerade von
Zahlen, überzählig‘ und lit. liekù, lìkti ‚bleiben,
übrig bleiben, zurückbleiben‘ (→ lîhan), wo-
durch sich im Falle der Rückführung von ahd.
einlif auf die Wz. *lei̯ku̯- für vorurgerm. *liku̯os
bzw. vorurbalt. *lei̯ku̯os die Bedeutung ‚über-
schießend‘ oder ‚Überschuß (über zehn hinaus)‘
ergibt; vgl. auch die Verwendung von aind.
ádhika- ‚hinzukommend, überschüssig‘ in der
Verbindung von ‚zehn‘, ‚zwanzig‘ usw. mit Ei-
nern, wie bei den Grammatikern ekādhikā viṃ-
śatiḥ als Umschreibung von ekaviṃśatiḥ ‚ein-
undzwanzig‘, eigtl. ‚eine zwanzig, die eins als
Überschuß hat‘, belegt ist (Wackernagel, Aind.
Gr. III § 195fγ).
J. Grimm, Germania 1 (1856), 19; ders., Dt. Gr.a II,
946 f.; Mahlow, Lange Vokale 49; Joh. Schmidt, Urh.
d. Indog. 24 Anm. 1; Brugmann, Grdr.² II, 2, 26 ff.;
P. Scherer, Germanic-Balto-Slavic Etyma, Lang. diss.
32 (Baltimore, 1941), 43; A. Senn, Studi baltici 5
(1935—36), 69 ff.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 116. 372 f.;
Stang, Vgl. Gr. d. balt. Spr. 280 (jedoch urgerm. *lif-
zu got. aflifnan ‚übrig bleiben‘ < uridg. *lei̯p- ‚haf-
ten‘; s. o.); B. Comrie, in Indo-European Numerals
763 f. — Nach W. P. Lehmann (in The Scope of American
Linguistics, ed. by R. Austerlitz [Lisse, 1975], 54 ff.
und Syntactic typology. Studies in the Phenomenology of
Language [Austin-London, 1978], 39 f.) spiegeln die
germ. und balt. Wörter für ‚elf‘ usw. die Umstrukturie-
rung des idg. Zahlensystems vom 10 + 1-Typ zum 1
+ 10-Typ wider.