elichôr
Band II, Spalte 1038
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elichôr adv.: ferner, weiter(hin), auf ewig;
sonst noch; aber, dagegen, ceterum, prorsus,
ultra, amplius
Var.: verschrieben elōr, -(h)h-,
Gl. 2, 144, 23 Frankfurt Ms. Barth. 64, 9. Jh.
bair. elicor. Das Wort ist weder mhd. noch
nhd. belegt.

Ahd. Wb. III, 255 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 179; Schütz-
eichel⁴ 101; Starck-Wells 124. 803. 842; Graff I, 236 f.

Ahd. elichôr entsprechen: as. (h)elkor, -ur, hec-
cor sonst, anders, außerdem; afries. elkor(s),
-er(s), elkes, ekkor (mit -kk- < -lk-), (i)elkers,
ielki(r)s sonst; ae. elcor(a), elcra(n), -ur, ælcor,
ælcra anders, sonstwie, -wo, außer, me. el-
c(h)or sonst, weiter(hin): < *ali-ka- (zu den
Ausgängen im einzelnen s. u.). Auf andere Vor-
formen weisen: ae. ellicor; aisl. elliga(r), ella(r)
sonst, nisl. ellegar, ella, aschwed. ællighis, æl-
lighær, æll(e)r, -ær, -ar, ælla(s), nschwed. el-
jes(t), eller, nschwed. dial. elliga, ella(s), nnorw.
elles(t), ellers (durch schwed. Einfluß), ält.
ndän. ællær, ællæ(s), ndän. eller(s), elles(t) (aus
dem Nordgerm. finn. elikkä, eli, estn. elik
oder, sonst): < *allika- (mit Synkope des
zweiten Mittelvokals in ursprl. viersilbigen Wör-
tern) < *ali-lika- (mit Kürzung von *ī im Ne-
benton) < *ali-līka- (zur Synkope im Ae. und
Nordgerm. s. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 158;
Heusler, Aisl. El.buch⁷ § 110 f.); got. aljaleiko
adv. ἑτέρως, ἄλλως (nur 1 T 6, 3 jabai ƕas alja-
leiko laisjai Cod. B εἴ τις ἑτεροδιδασκαλεῖ), alja-
leikos (ebenda, Cod. A; Ph 3, 15; 1 T 5, 25) <
*alja-līka-.

Für das Nebeneinander der ersten Elemente
*ali- und *alja- könnte man auf die Stämme ur-
idg. *ali- [**Heli-?] und *alo- [**Helo-?]
verweisen, wobei der o-Stamm selbständig im
Germ. in got. aljis anderer, ahd. alles, ell(i)es
sonst, anders, as. ellior (s. u.) fortgesetzt ist;
vgl. Matzel, Gesammelte Schriften 205 f., der mit
einem Nebeneinander der germ. Stämme *ali-
und *alja- rechnet und auf Fälle wie ahd. Eli-
suint neben Ellisuind (Förstemann, Adt. Na-
menbuch2-3 I, 83) verweist.

Wegen der übereinstimmenden Bedeutung und
der formalen Verwandtschaft ist so zumindest
für die west- und nordgerm. Lautungen eine ge-
meinsame Vorform *ali-līka- von anderem
Aussehen, auf andere Weise, andernfalls
(
lîh) anzunehmen. Aus *ali-līka- entstand im
Westgerm. mit Haplologie von *-lī- die Form
*alika-. Im Nordgerm. blieb *ali-līka- (> *ali-
lika-; s. o.) erhalten. Dagegen könnte im Ost-
germ. die Form *alja-līka- bestanden haben,
oder, sofern die Vorform *ali-līka- auch für das
Ostgerm. gegolten hat, *ali- nach dem Simplex
*alja- restituiert worden sein, wodurch sich *al-
ja-līka- (got. aljaleiko[s]) ergab. Daß *ali- tat-
sächlich etwas Altes darstellt, zeigt urgerm.
*ali-lanđija- ( elilenti), frühmlat. Alisātia,
ahd. Eli-sāzzo Bewohner des anderen Rhein-
ufers
. Danebenstehendes *alja- in runennord.
alja-markiR Ausländer könnte dann wie im
Falle von *alja-līka-, wenn für *ali-līka-, nach
dem Simplex *alja- restituiert sein.

Der neben urgerm. *ali- stehende ja-Stamm
*alja- gilt als j-Ableitung von dem Adv. *ali
dort, jeweils, wie es in lat. aliēnus fremd (<
*ali-es-no-), ali-quis irgendeiner, ali-cubi ir-
gendwo
auftritt; alles².

In *ali-līka- liegt aber möglicherweise kein Adv. *ali,
sondern eine Calandsche Form, d. h. Ersatz von
*-o- (*-ro-, *-lo- usw.) durch *-i- im Kompositions-
vorderglied, vor. Calandsche Suffixe sind besonders
im Indoiran. und Griech. anzutreffen; vgl. aind. PN
jí-vā schnelle Hunde besitzend : jrá- rasch (Bei-
wort von Pferden); av. tii-dāra- mit scharfer Schnei-
de
: tiγra- scharf; gr. κῡδι-άνειρα mit ruhmvollen
Männern
: κυδρ-ός ruhmvoll (Schwyzer, Gr. Gram.²
447 f.; Brugmann, Grdr.² II, 1, 78); möglicherweise im
Germ. ahd. bair. PN Talamot mit urgerm. *đala- an-
stelle von *đali- : gr. θαλερός blühend, grünend,
frisch, kräftig
(R. Lühr, in Rekonstruktion u. relative
Chronologie 275 Anm. 27). Nicht auszuschließen ist
allerdings auch, daß es sich bei Varianten wie *alja-
und *ali- um geographisch oder sozial bedingte Va-
rianten handelt.

Nach Kaufmann, Erg.bd. zu Förstemann, Adt. Na-
menbuch2-3 30 f. ist *alja- im Vorderglied von Namen
durch Synkope zu *ali- vereinfacht worden; vgl. Agjō-
> *Agi-; Harja- > Hari-. Doch sind keine Bedingun-
gen für das Eintreten oder Ausbleiben der Synkope
auszumachen.

Geht man dagegen mit Helten, Aostfries. Gr. § 232 für
das Westgerm. von einem *al(j)iko- mit k-Suffix aus
(vgl. die Adverbien got. anaks plötzlich, alakjo ins-
gesamt
; Kluge, Nom. Stammbildung³ § 212), müssen
die westgerm. Formen von den got. und nordgerm.
Lautungen getrennt werden. Toch. B alyek, A ālyak-
anderer (mit einem möglichen Wandel von uridg. *g
> toch. k) sind von der Bildung her nicht, wie Helten
annimmt, vergleichbar, weil die Flexion dem k voraus-
geht (Krause-Thomas, Tochar. Elem.buch § 282) und
so eine Partikel anzunehmen ist.

Während got. aljaleiko ein positivisches Adv.
auf urgerm. *-t (< vorurgerm. *-d) fortsetzt,
handelt es sich bei ahd. elichôr, den übrigen
west- und nordgerm. Formen auf -r (as. elcor,
afries. elkor, ae. elcar; aisl. elligar usw.; s. o.)
und got. aljaleikos um den zugehörigen adverbi-
al verwendeten Komparativ, und zwar um die
Fortsetzung des Akk. Sg. n. von adjektivischem
*-ōzan-; vgl. got. sniumundos eiliger, σπου-
δαιοτέρως
zu positivischem sniumundo eilig
(Kieckers, Handb. d. vgl. got. Gr. § 137). Zu Be-
legen aus dem Nord- und Westgerm. vgl. aisl.
ðar weiter; ae. heardor härter, afries. lengor
länger, as. diopor tiefer, ahd. langôr länger.
Im Got. und besonders im Ahd. und As. fand
-os bzw. -r eine Stütze darin, daß die Adver-
bien des Positivs auf -ō/ -o ausgingen, weshalb
im Got. und Ahd. -os bzw. -r auf Kosten von
-is bzw. -ir (< *-iz) verallgemeinert worden ist
(Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 268; Holthausen, As. El.-
buch § 374).

Anders gebildet sind die Adverbien as. ellior anders-
wohin
, ae. ellior anderswo(hin), got. aljar anders-
wo
, die Holthausen, As. Wb. 15 mit as. elkor in Be-
ziehung setzt. Der zugrundeliegende Stamm *alja- ist
mit einem lokativischen r-Suffix (auch in got. her
hier, ƕar wo, jainar dort, þar dort) versehen.
G. Schmidt, Germ. Adv. 70 hält eine Vermischung mit
*-ōr in ahd. elichôr wegen der Bedeutungsverschie-
denheit zu Recht für wenig wahrscheinlich, weshalb er
für as. ellior usw. von einem ursprl. *aljōr anderswo-
(hin)
ausgeht. Da ein Lautwandel von *-ōr zu got. -ar
aber nicht zu sichern ist, dürfte -ar in got. aljar dann
am ehesten auf Angleichung an ƕar, þar beruhen (un-
klar dazu Schmidt, a. a. O.). Jedenfalls könnte sich so
ein im Ablaut zu lokativischem *-ēr (afries. thēr usw.)
stehendes *-ōr ergeben, sofern tatsächlich mit altem
*-ēr in vorurgerm. *tēr zu rechnen ist ( dâr).

Aisl. ellar verhält sich zu aisl. elligar, aschwed.
ællighar, von komparativischem -ar abgesehen,
wie aisl. harðla sehr zu harðliga heftig, ge-
waltsam, scharf, schnell
; ellar ist also eine aus
elligar kontrahierte Form.

J. Sverdrup, Ark. f. nord. fil. 27 (1911), 182 f.; A. Kock,
ebd. 28 (1912), 170 ff.; A. M. Sturtevant, Lang. 6
(1930), 258; zu -liga > -la infolge von Tonlosigkeit s.
E. Sievers, PBB 5 (1878), 475 ff.; anders A. Kock, Ark.
f. nord. fil. 21 (1905), 97 ff.: harðla sei aus harða und
harðliga kontaminiert.

Dagegen beruht nschwed. eljest auf aschwed.
ællighis. Adverbiale Ausgänge zeigen ae. elcora,
aisl. ella, aschwed. ælla (-a < *-t; s. o.),
aschwed. ællighis, ællas, nschwed. eljes (Gen. in
adverbialer Funktion), nschwed. eljest (-t
Akk. Sg. n. der st. Adj.-Flexion; vgl. aschwed.
iæmt eben, gleich; s. Noreen, Aschwed. Gr.
§ 470, 5). Im Nordgerm. hat eller dabei anord.
eða oder ( edo) verdrängt.

Fick III (Germ.)⁴ 22; Holthausen, As. Wb. 15; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 179; Sehrt, Wb. z. Hel.² 95;
Berr, Et. Gl. to Hel. 92; Holthausen, Afries. Wb.² 19;
Richthofen, Afries. Wb. 703; Helten, Aostfries. Gr. 82.
183; Holthausen, Ae. et. Wb. 89; Bosworth-Toller,
AS Dict. 13. 245; Suppl. 15. 185; Suppl. II, 22; ME
Dict. E-F, 52; Vries, Anord. et. Wb.² 100 f.; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 36 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 49; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I,
323; IV, 85; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 187;
Torp, Nynorsk et. ordb. 88; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 180 f.; E. N. Setälä, Finn.-Ugr. Forsch. 13
(1913), 360 (zweifelnd zur Entlehnung der finn. Wör-
ter); Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 37 f.; Lehmann, Gothic
Et. Dict. A-123. 127.

S. auch elilenti1,2.

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