elira
Band II, Spalte 1049
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eliraAWB f. n- (oder ō-) St. Var.: elera, elre,
sowie erilaAWB f. n- oder ō-St. Var.: erla und da-
neben gelegentlich alar m. a-St. (s. d.) Eller,
Erle, alnus
(einmal, Gl. 3, 582, 39, steht alar
für saluater Holunder [Sambucus nigra L.].
Die verschiedenen Wortformen finden sich nur
als Gl.belege, sämtliche im Nom. Sg. Im Mhd.
sind elre, eller (< elira) und erile, erel, erl,
erle (< erila) sw. f. bezeugt. In der Hochspra-
che von heute hat die vor allem im Süden ge-
bräuchliche Form Erle das vorwiegend md. El-
ler großenteils verdrängt.

Ahd. Wb. III, 265 (elira). 396 f. (erila); I, 189 (alar);
Splett, Ahd. Wb. I, 179; Starck-Wells 20 (alar). 132.
803 (elira). 805. 843. XXXIX; Graff I, 241 (elira).
462 (erila); Schade 132 (elira, erila); Lexer I, 647; Be-
necke I, 446; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 25 (alnus);
Adelung, Gr.-krit. Wb. d. hd. Mda. I, 1768; Dt. Wb.
III, 416 (Eller). 894 (Erle); Kluge²¹ 172; Kluge²² 186;
Pfeifer, Et. Wb. 372. Vgl. auch die Übersicht bei Th.
Frings, Wartburg-Festschrift 244 ff. und bei Marzell,
Wb. d. dt. Pflanzennamen I, 217 ff.

Verwandte Formen finden sich in fast allen
germ. Sprachen: für das Asächs. verweist Holt-
hausen auf alar, alerie sowie elis- in ON (über
els- in Flußnamen s. H. Krahe, PBB 70 [1948],
454 ff.), dazu mndd. elre (alre, aller) < *alizō
sowie else < *alisō; mndl. wiegt die -s-Form
vor, dementsprechend nndl. els; afries. elr, ielr;
ae. alor, aler, alr m., me. alder, al(d)re, alloren
u. ä., ne. alder; aisl. elri (alri) m. n-St., auch el-
rir m. ja-St., daneben lr (alr) < *aluz- und
mit der meist Gewächsnamen bildenden -tr-Er-
weiterung aisl. jlstr (< *elustrā), ilstri, nnorw.
ilster Weide (< *elistr[i]o-; zum Suffix s. Kra-
he-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 138, 3), nisl.
elri(r), nnorw. older, or, ndän. elle(træ), adän.
alder, nschwed. al(träd), mdartl. alder, ålder.

Ein aus span. aliso Erle erschlossenes got. *aliza oder
*alisa, wie es in den Handbüchern angegeben wird
(z. B. Gamillscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 28; Krahe-
Meid, a. a. O. 113, 2), ist keinesfalls sicher (Coromi-
nas, Dicc. crít. etim. castell. e hisp. I, 175 f.).

Fick III (Germ.)⁴ 26; Holthausen, As. Wb. 2. 15;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 60 (alre², al-
ler). 529 (eller). 530 (elre, else); Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. I, 655; Verdam, Mndl. handwb. 163;
Franck, Et. Wb. d. ndl. taal² 155; Vries, Ndls. et. wb.
156; Holthausen, Afries. Wb.² 19; Richthofen, Afries.
Wb. 704; Holthausen, Ae. et. Wb. 3; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 35; Suppl. 33 f.; ME Dict. A-B, 181;
OED² I, 303; Oxf. Dict. of Engl. Et. 23; Vries, Anord.
et. Wb.² 101 (elri). 285 (ilstri). 295 (jlstr). 686 (lr);
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 72; Heggstad, Gamalnorsk
ordb. 124. 832; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 3.
50. 146. 357; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.² 187.
469; Torp, Nynorsk et. ordb. 474. 477; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 8 f. 1419; ders., Ark. f. nord. fil. 7
(1891), 170.

Aus dieser Übersicht ergeben sich als germ.
Grundformen *alisō (> mndd. else, elsen-
boum), eines der wenigen Fem. mit -s-Suffix (
alze; vgl. ahd. bilisa [s. d.] und Wilmanns, Dt.
Gr. II § 252, 4); dazu mit gram. Wechsel *alizō
(> ahd. elira) (s. Brugmann, Grdr.² I § 1000;
Kluge, Urgerm.³ § 40c; Noreen, Aisl. Gr.
§ 317, 4), sowie mit der häufigen Metathese von
l und r: ahd. erila (s. Wilmanns, Dt. Gr. I,
§ 160, 2). Dazu kommen noch Varianten mit ver-
schiedenem Mittelvokal und grammatischem Ge-
schlecht wie *aluz- (> ae. alor, aisl. lr) und
*alaz- m. (> ahd. alar), s. Persson, Beitr. z. idg.
Wortf. II, 893 f.; Kluge, Urgerm.³ § 117; No-
reen, Aisl. Gr.⁴ § 173. Ja, die genannten -tr-Er-
weiterungen des Nordgerm. wie jlstr und ilstri,
die nur aus *elu- bzw. *eli- als Stammsilben zu
erklären sind, zwingen darüber hinaus noch zur
Annahme von idg. Vorformen mit der Ablaut-
stufe e-.

Diese Rekonstruktionen werden durch außer-
germ. Verwandte, bes. aus dem Slav., weitge-
hend bestätigt: urslav. *jelьxa (< *elisā; dage-
gen *al- nach H. Pedersen, a. a. O.; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 6; Berneker, Slav. et. Wb. I,
453 f.): serb.-ksl. jelьcha Erle, bulg. (j)elchá ne-
ben urslav. *olьxa > aruss. olьcha, russ. ol’chá
Erle, Eller, poln. olcha, olsza. Auch die balt.
Belege können auf Wurzelablaut deuten, wie-
derum mit -n-Suffix: lit. aksnis, daneben lksnis
( elsenboum), lett. àlksna Erlenwald, Erlenge-
büsch, ein mit Erlen bewachsener Ort
, apreuß.
*al(i)skande (Hs. abskande), sämtliche mit spe-
zifisch balt. -k-Einschub. Einen vom e/o-Ablaut
abweichenden Lautstand zeigt der lat. und kelt.
Befund: lat. alnus Erle, Eller (nach K. F. Jo-
hansson, Beitr. z. gr. Wortkunde 106; Brugmann,
Grdr.² I § 878; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I,
31; Kent, Sounds of Latin § 164, 3. 185, 2b und
gegen H. Pedersen, IF 5 [1895], 40) aus *alsno-
< *elsno- mit schwa secundum (vgl. Pokorny
302 lat. al- < älterem el-) und ursprl. adj. -n-
Suffix wie in acernus ( horn). Auf altkelt. Bo-
den sind es zahlreiche Orts- und Flußnamen wie
Caesars Alsesia (inschriftl. Alisiia), Al(i)sincum,
Alisontia (heute Elsenz oder Alsenz auf dt. so-
wie Aussonce, Auzances auf frz. Sprachgebiet),
die man gewöhnlich von einem gall. (kaum vor-
gall.
, illyr., ligur.?) Stammwort *Alisā, -ā her-
leitet, trotz der befremdenden Tatsache, daß
sich keine Spur davon in den kelt. Einzelspra-
chen erhalten hat.

Eine Vorform *ǝl- kommt für das Lat. ebenso-
wenig wie für das Kelt. in Frage, da in diesen
Sprachen im Anlaut vor Kons. ein Laryngal
nicht vokalisiert wird (vgl. R. S. P. Beekes in
Laryngaltheorie 90. 93). Da es keinen *a : *e-
Ablaut gibt, bleibt für Sprachen, die zwischen
idg. *a und *o unterscheiden, keine andere
Möglichkeit, als ein schwa secundum zu postu-
lieren.

V. Bertholdi (Zfcelt. Ph. 17 [1928], 184 ff.) nimmt we-
gen gall. verna Erle an, daß *alisa außerhalb des
Gall. aufgekommen sei, da das Inselkelt. keine Ent-
sprechung kenne. Die Gallier hätten das Wort vorge-
funden, aufgenommen und dann röm. Kolonisten
übermittelt (ähnlich L. Weisgerber, Die Sprache der
Festlandkelten. [20. Bericht der Römisch-Germ. Kom-
mission (1931)], 191: gall. *alisa gehe auf einen vor-
gall. [also voridg.] Namen zurück, der von der iberi-
schen Halbinsel über die Alpenkette bis in die Balkan-
halbinsel verbreitet gewesen sei). Diese Ansicht wird
jedoch durch die germ. und slav. Ablautformen (s. o.),
die das Wort als idg. erweisen, widerlegt.

Auf gall. *alisa hat man afrz. alis, nfrz. alise Elsbeere
(alisier Elsbeerbaum) neben s-losem afrz. alie (alier)
zurückgeführt (Gamillscheg, a. a. O.). Der genaue Ur-
sprung und die Lautverhältnisse der frz. Wörter sind
jedoch unklar (Wartburg, Frz. et. Wb. I, 69; Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 345a; Krahe, BN 3 [1951
52], 166).

Zu ahd. elira zugehörig ist wohl gr. Hesych ἄλιζα ἡ
λεύκη τῶν δένδρων. Mακεδόνες Populus alba, Silber-
pappel
. Wahrscheinlich ist das Wort im Maked. aus
einer nördlichen Sprache entlehnt, wobei das gleiche
Suffix wie in ῥίζα Wurzel, κόνυζα Flohkraut, Inula
vorliegt; s. G. N. Hatzidakis, Glotta 23 (1935), 268 ff.
(A. Mayer, Glotta 32 [1953], 46 f.; Frisk, Gr. et. Wb.
I, 73; Chantraine, Dict. ét. gr. 61), der sich zu Recht
gegen die Annahme eines Lautwandels von maked. *s
zu z, wie ihn u. a. P. Kretschmer (Glotta 15 [1927],
305 f.; 22 [1934], 104 mit Literatur) postuliert, wendet
(anders J. A. Kalléris, Les anciens Macédoniens I
[Athen, 1954], 94: maked. ἄλιζα zu lat. albus, gr. ἀλ-
φός weißer Ausschlag, Lepra). Auch den ON thess.
Ὀλιζών (mit äol. Trübung von α vor λ) stellt man
hierher.

Was die Bedeutung der zugrundeliegenden Wz.
*el-: *ol- anbelangt, so ist die Verwandtschaft
mit dem durch ahd. elo (s. d.) vertretenen idg.
Farbadj. *el-os lohbraun, gelb im Hinblick
auf das rötliche Holz der Erle am wahrschein-
lichsten.

Walde-Pokorny I, 151 f.; Pokorny 302 f.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 31; Trautmann, Balt.-Slav. Wb.
6; Berneker, Slav. et. Wb. I, 453 f.; Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 103; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 266;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 8; Dottin, Langue Gaul. 225;
Holder, Acelt. Spr. I, 90. 94 f.; Gröhler, Frz. ON I,
312; vgl. auch H. Krahe, BN 3 (195152), 165 ff.

Die heutige Verteilung der mdartl. Varianten ist
höchst kompliziert, da sie einerseits den Gegensatz
der Formen mit -s- (else) und mit -r- (eller, erle), an-
dererseits den Unterschied der Formen mit -l-, -r-
und derer mit Metathese (-r-, -l-) in verwirrender
Fülle widerspiegelt. Nach Th. Frings herrschen die -s-
Formen am Niederrhein und im westl. Westfalen vor,
allerdings mit einem von H. Teuchert eindrucksvoll
nachgewiesenen kolonialen else-Ableger in der Mark
Brandenburg und Pommern. Und während die auf
ahd. elira zurückgehenden Formen (Eller) sich vor-
wiegend im Westmd. durchgesetzt haben, behaupten
diejenigen mit Metathese (Typus: Erle) den Vorrang
im gesamten Süden des dt. Sprachgebiets sowohl wie
im bevorzugten hochspr. Gebrauch; vereinzelte Spu-
ren von alar finden sich noch in Luxemburg. S. Th.
Frings, Wartburg-Festschrift 23959; H. Teuchert,
Sprachreste d. ndl. Siedlungen 211 ff. (mit Karte).

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