erien, erren
Band II, Spalte 1129
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erienAWB, errenAWB red. v.? st. v. VI? ackern, pflü-
gen, (ex)arare, subigere
, übertr. aufschreiben,
exarare
: 3 pl.prät. ierun, part.prät. giarn, kia-
ran. Das Nebeneinander von Formen mit -r-
und -rr- im Präs. (< *arjan) erklärt sich aus
der Regel, daß -r- nach kurzem Tonvokal vor
j nicht im Rahmen der westgerm. Kons.gemi-
nation, sondern erst ahd. und nur alem. und
fränk. (nicht bair.) gedehnt wurde (s. Braune,
Ahd. Gr.¹⁴ § 118 Anm. 3; G. Schweikle, PBB
86 [Tübingen, 1964], 240 ff.; zur Lautqualität
von r im Alem. s. K. Lippe, Mü. Stud. z.
Spr.wiss. 42 [1983], 136). Handelt es sich da-
gegen um eine bereits urgerm. Lautfolge -rr-,
müssen die Formen mit einfachem -r- nach
dem sonstigen Nebeneinander von -rr- und -r-
bei Verben des Typs swerien rückgebildet sein
(s. u.). Über eine vermeintliche Analogieform
iruorit Gl. 1, 386, 10 nach dem Muster der VI.
Kl. (swerien, swerren: swuor, so R. Kögel,
PBB 16 [1892], 502), die aber wohl als *irvuo-
rit (zu irfaran, s. d.) zu lesen ist, vgl. Braune,
Ahd. Gr.¹⁴ § 350 Anm. 5; J. Schatz, Idg. Anz.
41 (1923), 29 f.; Seebold, Germ. st. Verben
81 f.; Ahd. Wb. III, 396.; demgegenüber sieht
K. Matzel (in Aspekte der Germanistik. Fest-
schrift für H. F. Rosenfeld zum 90. Geburtstag,
hrsg. von W. Tauber [Göppingen, 1989] 465 f.
und besonders Anm. 50) in iruorit die für das
Prät. eines st. Verbs der VI. Kl. zu erwartende
Lautung -uor- < *-ōr- (s. u.). Mhd. er(e)n
st.sw. v., prät. erte (auch ier), part.prät. ge(e)rt
(auch g[e]arn): der Übertritt zur sw. Konj. er-
folgte in Analogie zu sw. v. wie ner(e)n (< ne-
rien), nerte, genert. Nhd. e(h)ren, ä(h)ren,
aber in der Hochsprache veraltet, nur noch
mundartlich (s. u.).

Ahd. Wb. III, 395 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 189; Schütz-
eichel⁴ 104; Starck-Wells 132. 805. 843; Graff I,
402 ff.; Schade 27 (arjan); Lexer I, 657; Benecke I, 49.
18. 40; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 44 (arare). 214 (ex-
arare); Dt. Wb. I, 198 (ähren). 545 (ären); III, 57 (eh-
ren). 787 (eren); Kluge²¹ 32; Kluge²² 41 f. (Art²); Pfei-
fer, Et. Wb. 78 (Art).

Das ahd. Wort hatte früher einmal Entspre-
chungen in sämtlichen germ. Dialekten, wurde
aber fast überall durch die Sippe von dt. pflü-
gen
u. a. verdrängt. So ist ein entsprechendes
Wort zwar im Asächs. nicht zu belegen, findet
sich aber als mndd. ēren; mndl. e(e)ren, erien;
afries. era; ae. erian, me. ēren, erien sowie ver-
altet ne. ear; anord. erja (arði), dän. veraltet ær-
je, nschwed. dial. ärja; got. arjan. Wohl trat das
Verbum schon relativ früh fast durchweg zur
sw. Konj. über, aber gerade die überlieferten
ahd. Formen zeigen, daß es sich bei dieser alter-
tümlichen Bez. einer elementaren agrarischen
Tätigkeit ursprl. um ein red. v. mit der Ablaut-
folge germ. a : ē : ē : a, ahd. e (mit Umlaut) : ie
: ie : a handeln könnte; außerdem sind die
Präs.formen, wie der durchgehende Umlaut
zeigt, im Germ. durch ein -j-Suffix gekenn-
zeichnet (s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 327); das gilt
auch für Kelt., Slav. und Balt. (s. u.).

Dagegen macht Matzel, a. a. O. 458 ff. auf die von red.
Verben abweichende Wurzelstruktur *arjan (Vokal +
Kons.) gegenüber (Vokal + Resonant + Kons. bzw.
Vokal + Resonant + Resonant) aufmerksam (vgl.
W. Meid, Das germanische Praeteritum [Innsbruck,
1971] 76, der die Bildung nach der red. Kl. für sekun-
där hält). Wie auch F. van Coetsem (in Contributions
to Historical Linguistics. Issues and Material. Ed. F. van
Coetsem-L. R. Waugh [Leiden, 1980], 334 ff.) an-
nimmt, habe sich die wegen ahd. ierun usw. vorauszu-
setzende Wurzelstruktur Vokal + Resonant + Reso-
nant erst durch die Gemination des -r- zu -rr- < *-rj-
entwickelt. Zu vergleichen seien weiterhin sekundäre
Zuordnungen ursprl. st. Verben der VI. Kl. zur red.
Kl. im Mndl., insbesondere im Fläm., wie heffen: hief,
sceppen : sciep. Mit der Bestimmung von ahd. erien als
ursprl. st. Verb der VI. Kl. wendet sich Matzel gegen
R. Lührs (Mü. Stud. z. Spr.wiss. 35 [1976], 75) Herlei-
tung des Prät. ahd. ierun von einer Wurzelform *arr-
< [**HarH₃-] mit Resonantengemination durch La-
ryngal. Gilt diese Auffassung jedoch weiterhin, müß-
ten von einem Präs. *arrjan aus zwei verschiedene Pa-
radigmen abgeleitet werden, eines nach der 6. st. Kl.,
in dem Formen mit einfachem -r- nach dem Typ swe-
rien neu gebildet wurden (Präs. *arjan, Part. Prät.
-aran), und eines nach der 7. st. Kl. (Prät. *iar, *iarun
< *iarr, *iarrun mit Vereinfachung des Doppelreso-
nanten wie in fial, fialun (s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 350
Anm. 2). Das einmal belegte Part. Präs. got. arjandan
ist entgegen der Auffassung von Matzel (a. a. O. 461)
nicht unbedingt ein Argument gegen die Lautentwick-
lung von *arǝ- [**HarH₃-] zu urgerm. *arr-, da -rr-
hier vereinfacht sein kann; vgl. die Schreibung got. ful-
naiþ neben fullnaiþ (Braune, Got. Gr.¹⁹ § 80).

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 582; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 718; Verdam, Mndl. handwb.
166; Holthausen, Afries. Wb.² 20; Richthofen, Afries.
Wb. 710 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 94; Bosworth-
Toller, AS Dict. 258; Suppl. 194; ME Dict. E-F, 219;
OED² V, 21 f. (ear); Oxf. Dict. of Engl. Et. 297; Vries,
Anord. et. Wb.² 104; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 34 f.;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 52; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 31 (s. v. ard); Ordb. o. d. danske
sprog XXVII, 1351; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1423
(arder); Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 56 f.; Lehmann,
Gothic Et. Dict. A-195.

Auch außergerm. ist die Wz. *ar- im Sinne von
pflügen, ackern mit Ausnahme des Indoiran.
(woraus gelegentlich sehr weittragende kultur-
geschichtliche Folgerungen gezogen worden
sind, s. Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² II, 583)
so gut wie in allen idg. Sprachen vertreten: gr.
ἀρόω, außerdem von derselben Wz. gr. ἄροτος
m. Pflügen, gepflügtes Land sowie der Mo-
natsname Ἀράτυος, in dem ein alter gr. u-St.
*ἀρατύς verbaut ist, s. E. Schwyzer, Glotta 12
(1922/23), 1 ff.; lat. arō (kaum anstelle eines
ursprl. athematischen *arami < *arǝmi; viel-
mehr < *arǝe- [**HarHe-] mit Wandel von
*arae- > lat. arā-?; s. D. A. Ringe, in Laryngal-
theorie 424 f.; vgl. jedenfalls sonāre neben sonere
tönen < *senǝ- [**senH-]; lavāre neben la-
vere baden; s. H. Eichner, ebd. 149 Anm. 76);
arm. ist nur arawr o-St. Pflug (= gr. ἄροτρον,
air. arathar, anord. arðr) zu belegen (< *arǝ-
[**HarH₃-] und dem Geräte-Suffix idg.
*-tro-); aksl. orj, orati pflügen, russ. orjú,
orat’; lit. ariù, árti dss., lett. ar’u, apreuß. nur
artoys Ackermann überliefert; mir. airim,
kymr. arddu (< *are/ o- mit Laryngalschwund
< [**HarHe/ o-]) pflüge; toch. A B āre, da-
zu A āreñ nom. pl. Pflug (ohne *-tro-Suffix).

Diese reiche Überlieferung führt auf eine Wz.
*arǝ- [**HarH₃-] pflügen zurück (veraltet
Hirt, Idg. Ablaut § 190: *arā / arǝ-; dazu kri-
tisch E. Schwyzer, Glotta 12 [1922/23], 1 ff.).
Dagegen verbietet sich die Einbeziehung von
lat. armus, ars ( arm¹, art) trotz R. Meringer,
IF 17 (1904/05), 121 ff. schon aus semantischen
Gründen (s. E. P. Hamp, JIES 10 [1982],
187 f.), die von lat. rādere scharren, kratzen
(trotz Hirt, a. a. O.) aus formalen Gründen (ge-
hört zu rēd-: rōd-: rǝd-, râzi adj., vgl.
H. Hübschmann, Idg. Anz. 11 [1900], 54).

Walde-Pokorny I, 78 f.; Pokorny 62 f.; Persson, Beitr.
z. idg. Wortf. 659. 669; Frisk, Gr. et. Wb. I, 147 f.;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 80; Chantraine, Dict. ét. gr.
112 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 69; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 48; Hübschmann, Arm. Gr. I,
423; Klingenschmitt, Altarm. Verbum 98; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 13 (aro-); Sadnik-Aitzetmüller,
Handwb. z. d. aksl. Texten 77. 278 (Nr. 606); Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 274; Fraenkel, Lit. et. Wb. I, 17;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 141; Traut-
mann, Apreuß. Spr.denkm. 302; Vendryes, Lex. ét. de
l’irl. anc. A-81 (ar-); Windekens, Le tokharien 167
und § 33 (a > ā).

Das ahd. Wort lebt vor allem in den obd. Mdaa.
noch teilweise fort, aber auch da schon vielfach
veraltend, außer in Zss. oder als Bez. für einen
besonderen Arbeitsgang: Schweiz. Id. I, 385
(am Aussterben). 404 ff. (part.prät. gā); Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 307 f. (drittes Pflügen
vor der Saat
; veraltend etwas dauerhafter
scheinen Komp.
); Jutz, Vorarlberg. Wb. I,
731 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 128 f.

S. auch arhaft, art.

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