ewist
Band II, Spalte 1180
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ewistAWB m. a-St., Isid., Bened.regel, Tatian,
Gl., z. B. Abrogans: Schafhürde, Schafstall,
caulae, ovile (mandra)
Var.: a-, æ-; ouwistAWB
m. a-St., nur in Gl. vom 9. Jh. an: dss. Var.:
Gl. 2, 713, 38 Paris lat. 9344 uouuist, mfrk.
Echternach 11. Jh. uo- mit raumeigener Di-
phthongierung
vgl. Bruch, Gl. Epternacense
143. Nhd. ON Ast (Landshut) < 973 Owi-
sta, Ast (Ebersberg) < 824 Auista; Dürnast,
Unterast (Freising) < 9. Jh. Owistun; dial.
schweiz. äust kleiner, hinter dem Viehstall an-
gebauter Schuppen zur Aufbewahrung der
Streu, kleine Scheune, Hütte
, äugst kleiner,
aus runden Hölzern aufgebauter Stall zur Un-
terbringung der Bergziegen während der
Nacht und bei Gewittern
, ON wie schweiz.
Äugst(en), Eugst.

Ahd. Wb. III, 468 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 692; Schütz-
eichel⁴ 105; Starck-Wells 456; Graff I, 505; Schade
34; Wilmanns, Dt. Gr. II § 219; Kluge, Nom. Stamm-
bildung³ § 94; Palander, Ahd. Tiernamen 124 f.
Bach, Dt. Namenkunde II § 236. 368. Schweiz. Id. I,
154 f. 578.

Ahd. ewist < urgerm. *awista- stellt sich zu ae.
ēowestras, ēowestre, ēwestre m. f. Schafhürde;
got. awistr n. (nur gen. sg. awistris) αὐλή,
Schafstall
< urgerm. *awistra/ an/ ōn-, alles
Ableitungen von urgerm. *awi- (neben *awja-)
Schaf ( ou), wobei in der Ableitung im Falle
der Formen mit anlautendem e- wie in ewit
(s. d.) der i-Stamm als Basis erscheint, im Falle
von ouwist jedoch die Lautform von ouwi
Schaf (belegt auui) eingeführt ist; vgl. ouwiti,
ouwistal. Bei ahd. ewist liegt die gleiche Bilde-
weise wie bei aisl. naust Bootsschuppen,
Schiffsplatz
(zu aind. náu- Schiff; vgl. anord.
Nóa-tún), vzt (< *wađastō) Fischplatz am
Meer
(zu anord. vaðr Angelschnur, ae. wadu
Zugnetz) vor, während ae. ēowestre, got.
awistr wie ae. gillister, geoluster Geschwür,
eigtl. gelbe Stelle (ae. geolu gelb), und die Ba-
sis von got. ganawistron begraben, *nawistr
Grab, gebildet ist. Die Suffixe -st- und -str-
können auf die gleiche Weise zu ihrer Örtlich-
keiten bezeichnenden Funktion gekommen sein.
So weisen die Bildungen mit str-Suffix, ae. heol-
ster, helustr m. Versteck neben ablautendem
got. hulistr Hülle, Decke, κάλυμμα, aisl.
hulstr, mndd. holstr Futteral (zu ae. helan bzw.
got. huljan; helan), möglicherweise darauf
hin, daß im Falle des str-Suffixes Sachbezeich-
nungen in Ortsbezeichnungen übergegangen
sind; vgl. weitere Sachbezeichnungen mit str-
Suffix wie ahd. bolstar Polster (s. d.), mhd.
klenster Kleister. Ebenso ist möglich, daß Bil-
dungen mit dem Suffix -st- ursprüngliche Sach-
bezeichnungen waren, die dann auch als Orts-
bezeichnungen verwendet wurden; vgl. die
Glossenwörter afrk. sunnista, sonista, sonesti
Schweineherde (A. Bezzenberger, Zfvgl.Spr.
22 [1874], 278), ferner die Verwendung von
ahd. ewist für Gemeinschaft der Gläubigen,
Kirche
(z. B. Isid. 41, 4 in dhes [Christi] æuui-
ste), die jedoch auch für ovile der lat. Vorlage
gilt.

Fick III (Germ.)⁴ 22; Holthausen, Ae. et. Wb. 93;
Bosworth-Toller, AS Dict. 261; Suppl. 193 f.; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 70. 273; Lehmann, Gothic Et.
Dict. A-241. H-103.

Während G. R. Solta, Sprache 9 (1963), 190 got.
awistr wie A. Meillet, MSL 12 (1903), 218 f. beurteilt
(s. u.), führt er die Basis von got. ganawistron auf einen
s-Stamm *noes- Toter + Suffix -tro- zurück.

Die Annahme einer haplologischen Dissimilation
*awi-wistra- zu *awistra-, *nawi-wistra- zu *nawi-
stra- und *nóa-wist- zu anord. naust mit einem zu
ahd. wist f. Aufenthalt (s. d.) gehörigen zweiten Ele-
ment *wista- (H. Osthoff, Zfvgl.Spr. 23 [1888],
316 ff.; ebenso Noreen, Urg. Lautlehre § 9) ist unnötig,
da ein u. a. Örtlichkeiten bezeichnendes Suffix
*-st(r)a- existiert.

Im Falle der denominalen Bildungen mit -st- be-
steht daneben die Möglichkeit, daß deren Suffix
urgerm. *-sta- auf die schwundstufige Form der
Wz. uridg. *stā- [**steH₂-] stehen ( stantan)
zurückgeht; vgl. aind. gohá- m. Kuhhürde,
Kuhstall
(aus gáu- Rind und sthā- stehen); s.
Bezzenberger, a. a. O. 278; W. Schulze,
Zfvgl.Spr. 29 (1888), 270 (jedoch got. awistr,
*nawistr < *-st-trom mit *-tr- in Ortsnamen
bildender Funktion). Analysiert man das Suffix
*-stra- auf ähnliche Weise, muß man ein Suffix-
konglomerat *-st-tro- [**-stH₂-tro-] mit dem
ursprl. Instrumente bezeichnenden Suffix *-tro-
annehmen. Weiterhin ist zu beachten, daß das
st-Suffix auch in eindeutig modifizierender
Funktion erscheint; vgl. afries. nōst, mndd. nō-
ste Viehtrog, eigtl. Schiffartiges (zu nnorw.
nō Trog, nōr Schiff, ursprl. ausgehöhlter
Baum
); s. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 128.

Walde-Pokorny I, 167; II, 604; Pokorny 784. 1005 f.;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 229; Brugmann,
Grdr.² II, 1, 347.

Unwahrscheinlich ist Grienbergers (Unters. z. got.
Wortkunde 39 f.) Rückführung von -st- bzw. -str- von
ahd. ewist bzw. got. awistr auf *-seta- bzw. *-setra-
Aufenthaltsort, Bildungen, die mit Synkope von -e-
im Komp. zu der Wz. uridg. *sed- sitzen (vgl. gr.
ἕδρα Sitz, Ort) gehören sollen. Denn es ist fraglich,
ob diese aus dem Uridg. stammende Bildeweise
schwundstufiger Kompositionshinterglieder im Germ.
noch nach der germ. Lautverschiebung lebendig war.

Für das Nebeneinander von st- und str-Bildungen ver-
weist H. Krahe, PBB 71 (1949), 232 f. auf Ortsnamen
wie illyr. Tέργεστρον für Tέργεστον = Tergeste
(N. Jokl, IF 36 [1916], 125 f.), eigtl. Handelsplatz
(zu serbo-kroat. tg Ware, sloven. tg Markt, aruss.
tъrgъ Markt, Handel, Marktplatz; s. Vasmer, Russ.
et. Wb. III, 123 f.: zu illyr. tergitio negotiator) und
lat. Doubletten mit Zugehörigkeitssuffixen wie campe-
stris (campus), terrestris (terra), palustris (palus) neben
agrestis (ager), caelestis (caelum). Das Nebeneinander
von st- und str-Suffixen im Lat. erklärt sich jedoch in-
nerhalb des Lat.: Von terrestris ausgehend dürfte über
campestris ein *agrestris gebildet worden sein, das mit
Dissimilation des zweiten r ein agrestis, das Vorbild
für caelestis, ergab; s. Leumann, Lat. Laut- u. Formen-
lehre § 314 (anders z. B. F. Sommer, IF 11 [1900], 21,
der die lat. Suffixe trennt und in *oi-stro- etwas, das
zum Hineinstellen von Schafen dient
ein Nomina in-
strumenti bildendes Suffix sieht). Zu weiteren Versu-
chen, die Wechselformen -sti- und -stri- in der
Grundsprache zu verankern s. Leumann, a. a. O.; und
zum Illyr. vgl. allgemein s. v. enziân.

Der Ansatz einer Vorform *oi-sth(e)ro- (Meillet,
a. a. O.) für die Bildungen mit str-Suffix befriedigt
nicht, da bei einer solchen Form das Suffix *-ro- an
die schwundstufige Wz.-Form mit konsonantischem
Laryngal angetreten sein müßte ([**stHro-]); vgl.
demgegenüber aind. sthirá- fest, hart, haltbar (Mayr-
hofer, K. et. Wb. d. Aind. III, 529) mit der Fortset-
zung des vokalisierten Laryngals. Aus Gründen der
Bedeutung kommt weiterhin kein Ansatz *awi-stra-
Schafstreu und damit Anschluß an aind. -stara- m.
Lager (Monier-Williams, Skt.-Engl. Dict. 1260; vgl.
auch upastáraa- n. Decke; s. Mayrhofer, a. a. O. III,
517 f.), russ.-ksl. pro-storь εὐρυχωρία, lat. torus La-
ger
(Bezzenberger, a. a. O. 277 f.) in Frage (die etymo-
logische Deutung von lat. torus ist zudem unklar; s.
Walde-Hofmann, a. a. O. II, 694 f.).

Verfehlt ist E. Bernekers (IF 10 [1899], 162) Ansatz
einer zweisilbigen Wz. *(o)eet-, aus der er lit. jáutis
Ochs (< *ēt-), ahd. ewit, got. awistr (< *oet-
tro-) und got. wiþrus, ahd. widar Widder (s. d.),
aind. vatsá- Kalb, lat. vitulus Kalb (< *et-) herlei-
tet.

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