ezzisc
Band II, Spalte 1191
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ezziscAWB [-ss-] m. a-St. (junge oder ernterei-
fe) Saat
, auch Saatfeld, seges, ingesamt fast
ein dutzendmal bezeugt bei Notker (stets nur
-z- [-s-], dreimal ausl. -sg [Lenis?], einmal inl.
-sk-, s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 143 Anm. 3) und
in Gl. vom 9. 13. Jh., meist obd.; ohne Zwei-
fel gehört hierher auch das einmal im Voc. Sti.
Galli (Ende 8. Jh.) belegte azuuisc Gl. 3, 2, 18,
noch ohne Umlautbez. (s. Braune § 27 Anm. 1
und Baesecke, Voc. Sti. Galli 150 f.) und mit
inl. -w- (s. u.): an dieser Stelle legen sowohl
das lat. Lemma cultura, das letztlich auf Isid.,
Etym. XVII, 2, 1 zurückgeht, als auch die un-
mittelbar benachbarten Gl. wie garto, piunte
( biunta), feld, accar den Sinn von landwirt-
schaftlich nutzbare Flur
nahe, was übrigens
auch durch die Gl. 3, 407, 34 sat, ezzisch vel
wase wahrscheinlich gemacht wird (anders
Ahd. Wb. III, 478). Mhd. ezzisch, ezzesch,
kontrahiert esch st.m. begegnet noch sehr häu-
fig besonders in obd. und westmd. (weniger in
ostmd.) Weistümern, Rechtsquellen und dgl.
sachbezogenen Dokumenten, meist mit der
Bed. von Saat, Saatfeld, aber auch Viehwei-
de
u. a. (s. u.). Aber während esch noch für das
Frühnhd. mit den Bed. Getreidefeld, Gemein-
deflur; Einheit von Saatfeldern (mit gleicher
Fruchtart)
verzeichnet wird, ist es infolge der
veränderten landwirtschaftlichen Verhältnisse
in der dt. Hochsprache neuerer Zeit kaum
mehr geläufig, dagegen noch in den Mdaa.,
wenngleich auch für diese schon vielfach das
Veralten oder nur noch relikthafte Fortleben
(bes. in Flurnamen) gemeldet wird (s. u.).

Ahd. Wb. III, 478; I, 767 (azwisc); Splett, Ahd. Wb. I,
195; Schützeichel⁴ 105; Starck-Wells 39 (azwisc). 135;
Graff I, 529; Schade 33 (atisks); Lexer I, 720; Nachtr.
170; Benecke I, 761; Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 70; Dt.
Wb. III, 1140; Kluge²¹ 174; Kluge²² 188.

Entsprechungen des ahd. Wortes in anderen
germ. Dialekten sind je nach den landwirt-
schaftlichen Gegebenheiten sehr ungleich ver-
breitet und wohl auch im Sachgehalt nicht über-
all gleich: as. etisk (auch in ON), mndd. ēsch
(eisch) Saat, Feldflur; mndl. nndl. esch dss.;
nostfries. esk; ein ae. Gegenstück ist nicht be-
zeugt (zu ae. eteland s. u.; das anklingende ae.
edisc [mit -d-!], ne. eddish enclosed pasture, af-
tergrowth of grass
bleibt fern; vgl. A. Pogat-
scher, Engl. Stud. 27 [1900], 221 ff.; Oxf. Dict.
of Engl. Et. 301); auch im Skand. fehlt das
Wort; dagegen ist zweimal got. atisk (akk. sg.)
als Übersetzung von gr. σπόριμα pl. (reifende)
Saat(felder)
überliefert: da das Wort ander-
wärts fast immer als Mask. erscheint, ist doch
wohl ein Nom. Sg. *atisks anzusetzen (s. auch
Grienberger, Unters. z. got. Wortkunde 31).

Holthausen, As. Wb. 17; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 616 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I,
745; Verdam, Mndl. handwb. 169; Vries, Ndls. et. wb.
162; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
406 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 94 (eteland); Bos-
worth-Toller, AS Dict. 259; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 61; Lehmann, Gothic Et. Dict. A-215; Diefen-
bach, Vgl. Wb. d. got. Spr. I, 78 f. Vgl. auch Bach,
Dt. Namenkunde II, 1 § 369; Förstemann, Adt. Na-
menbuch2-3 II, 1, 832 f.

Verknüpfung von ahd. ezzisc, got. *atisks mit
lat. ador Spelt, wobei letzteres allerdings meist
noch von der Wz. *ed- essen hergeleitet wur-
de, kennzeichnet fast alle früheren etym. Versu-
che (so C. Lottner, Zfvgl.Spr. 7 [1858], 163.
179; Walde-Pokorny I, 45 mit Lit.; Pokorny 3;
dagegen Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 14)
und hält sich noch immer in vielen Handbü-
chern, trotz offensichtlicher formaler und bed.-
mäßiger Differenzen (zum Anschluß von lat.
ador an heth. at- vertrocknen s. C. Watkins,
Harvard Studies in Classical Philology 77 [1973],
187 ff.; 79 [1075], 181 ff.; doch vgl. Puhvel, Hit-
tite Etym. Dict. III, 274 ff.); die von G. Lane ver-
mutete Zugehörigkeit von toch. A B āti Gräser
(Lang. 14 [1938], 25 Fn. 21) ist von Pedersen,
Tocharisch 64 und neuerdings Windekens, Le
tokharien 624 angezweifelt worden (türk. Lehn-
wort?). Nur J. Grimm, Dt. Gr.a II, 373 f. legte
von Anfang an den Nachdruck auf unmittelba-
ren Zus.hang von ezzisc mit ahd. ezzan und a-
nord. æti n. eigtl. Eßbares (Alvísmál 32;
Cleasby-Vigfusson, Icel.-Engl. Dict. 760). Und
noch immer wird man von einer auf die Wz.
*ed- : *od- zurückweisenden Grundform *atis-
ka- im Sinne von nährende Flur auszugehen
haben, allerdings mit einer zweifachen Proble-
matik:

Da die Endung -isk trotz ihrer Beliebtheit im
Germ. fast nur als Adj.formans, nie aber sonst
in mask. Substantiven erscheint und im Falle
von Adjektiven zudem, außer bei Ableitungen
von Völkerbezeichnungen, am häufigsten bei
lat. Lehnübersetzungen aus dem kirchlichen Be-
reich vorkommt ( diutisc), dürfte es sich bei
einer so urtümlichen Bildung wie germ. *atiska-
gar nicht um das Konglutinat -isk- handeln (s.
Brugmann, Grdr.² II § 369 S. 477), sondern um
einen durch -k- erweiterten s-Stamm *atiz-, der
mit anderer Ablautstufe seine Parallele findet in
dem von Joh. Schmidt, Idg. Neutra 252. 379 ge-
forderten Ansatz *ēdes-, vertreten in Wörtern
wie lat. esca Speise, Köder (< *ēd-s-ka: auch
hier mit k-Erweiterung), aksl. jasli Krippe (<
*ēd-s-li), lit. d-es-is (auch dess), mhd. âs (<
*ēd-s-om) u. a.

Gerade die Tatsache, daß mask. Substantive auf -isk
im Germ.-Ahd. sonst nicht begegnen, erklärt wohl
auch die entstellte Schreibung azuuisc des älteren Be-
legs im Voc. Sti. Galli: wenn dieses Denkmal, wie
Baesecke es einmal formulierte, das Hilfbüchlein ei-
nes englischen Klerikers
war (a. a. O. 15), so konnte
ihm nur zu leicht sein ae. wisc Wiese in die Feder flie-
ßen, eine Verballhornung, die man keinem hd. Verfas-
ser zutrauen dürfte wisc ist nur ndd. und altengl.
(vgl. Bosworth-Toller, AS Dict. 1240; Suppl. 747;
H. Jellinghaus, Anglia 20 [1898], 329); jedenfalls
kann das im Got. zweimal eingeschobene hiatustil-
gende
(?) -w- in judaiwisk und haiþiwisk (s.
W. Braune, PBB 43 [1918], 431. 437; Jellinek, Gesch.
d. got. Spr. 170; Kluge, Nom. Stammbildung³ § 210
Anm. 1) nicht zur Erklärung von ahd. azwisk herange-
zogen werden. Auch das bei Kück, Lüneb. Wb. I, 407
verzeichnete eddewisch (ettewisch) Wiese zur Bewei-
dung
sowie ihr hd. verschobenes Gegenstück
E(t)zwies (Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau 131)
sind nur scheinbare Parallelen, da bei beiden die erste
Worthälfte das Kausativum mhd. etzen abweiden, ab-
fressen lassen
, mndd. etten enthält; auch ist hd. -wies
ohne Zweifel identisch mit nhd. Wiese, während das
lüneb. -wisch zu ndd. wiska f. gehört.

Das zweite Problem betrifft den Inhalt des
Wortes: bezieht sich der Wortkern ezz- (<
*at-) auf die durch Anbau (agri cultura!), d. h.
durch Saat und Ernte gesicherte Essensversor-
gung
von seiten des Menschen, wofür beson-
ders die ahd. (und got.) Belege zu sprechen
scheinen, oder geht es um das Fressen, d. h.
das Abfressen, Abweiden von seiten des Viehs,
was nicht nur mit der gemeinhin postulierten
Priorität der Weide- vor der Agrarwirtschaft,
sondern auch mit der immer wieder überliefer-
ten Bed. Weideland im Einklang stünde? Indes
ist die Frage wohl gar nicht grundsätzlich zu
entscheiden, da mehrere Bed. nebeneinander
herzugehen scheinen; ja, vielleicht ist sie von
vornherein falsch gestellt: denn, wenn ahd. ez-
zisc, mhd. ezzesch, esch das ganze Mittelalter
hindurch vielerorts die gesamte in der Dreifel-
derwirtschaft als Sommer-, Winter- und Brach-
Esch
bebaute Gemeindeflur soweit nicht be-
waldet oder besiedelt bezeichnete, so galt das
Wort sowohl für das jeweils brachliegende, dem
Vieh zum Weiden überlassene Drittel ebenso
wie für die zwei anderen im Sinne der Agrar-
wirtschaft angebauten Drittel. Im Englischen,
das aus wirtschaftsgeschichtlichen Gründen
keine Entsprechung zu ahd. ezzisc kennt, gibt es
statt dessen ae. eteland im Sinne von pasture,
aber auch arable land (Bosworth-Toller, AS
Dict. 259); auch hier geht der erste Wortteil,
wenn Holthausens Ansatz zu Recht besteht, auf
germ. *atiz- zurück (Ae. et. Wb. 94).

Soweit nicht die sog. Flurbereinigung seit der
Mitte des 19. Jh.s mit der früher in Deutschland
weitverbreiteten Dreifelderwirtschaft und damit
zugleich dem ehemaligen Gebrauch des Appel-
lativums ezzisc aufgeräumt hat, sind die in den
Mda.wbb. häufigsten Bedeutungen des Wortes
(1) gesamte wirtschaftlich genutzte Gemeinde-
flur
, (2) Drittel dieser der Dreifelderwirtschaft
unterstehenden Flur
, (3) Anzahl von Äckern,
die stets zusammen angebaut werden
. Im ein-
zelnen s. Schweiz. Id. I, 569 f.; Martin-Lienhart,
Wb. d. els. Mdaa. I, 80; Ochs, Bad. Wb. I, 712;
Fischer, Schwäb. Wb. II, 864 f.; Jutz, Vorarl-
berg. Wb. I, 746; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 167;
Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 128; Vilmar,
Id. von Kurhessen 95; Kück, Lüneb. Wb. I, 424;
Bremisch-Ndsächs. Wb. I, 319 f. (Esk); Mensing,
Schleswig-holst. Wb. I, 1063 (nur noch in Flur-
namen
); Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. II,
762 (nur noch in unsicheren Spuren).

S. auch span.

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