fahs
Band III, Spalte 15
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fahs n. (auch m.?; vgl. Gl. 1, 50, 18) a-St.,
seit dem 8. Jh. in zahlreichen Gl., im Tatian,
bei Otfrid, Notker, Kass. Gespr. und Williram:
volles Kopfhaar, Haupthaar, Haarflechte,
Locke, caesaries, capillatura, capillus, coma,
cirrus, crinis
Var.: u-; fas (11. Jh., bair. u.
alem.). Mhd. vahs st.m.n. Haupthaar, cae-
saries, coma
. Im Nhd. lebt das Wort in der Be-
deutung Haar nur noch dialektal fort; vgl.
bair. feuerfachs Rothaar, Rotkopf (von Men-
schen, Pferden, Hunden); vgl. auch lothr. pl.
faces cheveux; eine andere Bedeutung hat
bad., schwäb., rhein. fächser m. Wurzeltrieb
einer Pflanze, speziell von Reben
, thür. fechser
m. Pflanzensteckling, Absenker, übertr. un-
eheliches Kind
und schweiz. fachs glattes,
kurzes, borstenartiges Gras
.

Ahd. Wb. III, 524 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 199; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 242; Schützeichel⁵ 128; Starck-Wells
137; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 28 f.; See-
bold, ChWdW8 119 f.; Graff III, 446 f.; Schade 158;
Lexer III, 6; Benecke III, 212; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 134 (coma); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 82 (cae-
saries). 88 (capillatura, capillus). 116 (coma). 106 (cir-
rus). 160 (crinis); Dt. Wb. III, 1225 (doch ahd. fahs
von ahd. fâhan wie lat. capillus Haar von capere fan-
gen, fassen
; zu lat. capillus s. aber Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 158 f.). Schweiz. Id. I, 655; Stalder,
Versuch eines schweiz. Id. I, 348; Ochs, Bad. Wb. II, 2;
Fischer, Schwäb. Wb. II, 908 f.; Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 686; Müller, Rhein. Wb. II, 228; Spangen-
berg, Thür. Wb. II, 206.

Dem Wort entsprechen: as. fahs Haupthaar;
mndl. vas; afries. fax Haar; ae. feax Haupt-
haar
(feaxede behaart), me. fax (fex, vax), ne.
veraltet fax; aisl. fax (vgl. auch die Pferdebe-
zeichnungen aisl. faxi mit anders gefärbter
Mähne
, gollfaxi, gollinfaxi mit der goldenen
Mähne
, hrímfaxi mit Reif in der Mähne [Na-
me des Pferdes der Nótt], Skinfaxi der mit der
leuchtenden Mähne
), nisl. fax, nnorw. faks n.
Mähne: < urgerm. *faχsa-. Zu der Bedeutung
von schweiz. fachs (s. o.) stimmen aisl. fxur f.pl.
mit Riedgras bewachsenes Moor, nschwed.
dial. faxe m. losta, rågsvingel, Bromus secalinus
Lin.
. In diesen Fällen liegt aber wohl eine Über-
tragung des Wortes Haar auf den Begriff
Gras vor und keine ursprl. Bedeutung Laub
und Gras ernten
(anders D. Ader, Trier-Fest-
schrift [1964], 152; fehtan).

Wegen des s-Suffixes in urgerm. *faχsa- < vor-
urgerm. *poso- liegt die Annahme eines neutra-
len proterodynamischen s-Stammes *os- als
Basis nahe. Bedeutungsmäßig am nächsten steht
der s-Stamm gr. πέκος n. abgerupfte, abge-
schorene Schafwolle, Vlies
< vorurgr. *os-
(zum grundsprachlichen Ansatz s. Stüber, Pri-
märe s-Stämme d. Idg. 135) mit der für s-
Stämme üblichen betonten e-Stufe. Wie aber lat.
pondus n. Gewicht, Pfund (statt *pendus) nach
pondō an Gewicht (ablat. von *pondus m. o-
St.), aksl. kolo n. Rad, gen.sg. kolese zeigen,
hat es neben dem regulären e-stufigen Typ eine
Reihe von o-stufigen s-Stämmen gegeben, die
ihren Vokalismus von o-Stämmen bezogen ha-
ben (zur analogischen o-Stufe in ntr. s-Stämmen
vgl. J. Schindler, in Flexion und Wortbildung
265). Auch für das Germ. kann ein Einfluß
mask. o-Stämme auf den Wurzelvokalismus von
s-Stämmen angenommen werden wie urgerm.
*kelaz-/-iz- n. und *kala- m. zu *kalaz-/
-iz- n. (ahd. kalb Kalb, gen.sg. kalbires) zeigen
(vgl. Schaffner, Vernersches Gesetz 590 f.). Es ist
also durchaus möglich, daß im Vorurgerm.
ein ntr. s-Stamm *poos- mit einer nach dem m.
o-Stamm *poo- (gr. πόκος abgerupfte, abge-
schorene Schafwolle, Vlies
) analogischen o-
Stufe bestanden hat (anders Frisk, Gr. et. Wb.
II, 492: gr. πόκος sei wohl Neubildung; zutref-
fend dagegen Chantraine, Dict. ét. gr. 872:
nom verbal à vocalisme o πόκος d’un type anci-
en
) und von diesem s-Stamm dann ein vorur-
germ. *poso- Haar gebildet worden ist. Eine
unmittelbare Ableitung von der Wz. *pe-
Wolle oder Haare rupfen, zausen (gr. πέκω,
lit. ti, peù; fihu) kommt für *poos- we-
gen der o-Stufe nicht in Frage.

Weiterhin war der s-Stamm *os- zur Be-
zeichnung der durch Wolle charakterisierten
Tiere verwendbar, wie er fortgesetzt ist in: aisl.
fær n. Schaf, in Færeyjar f.pl. Färöer, eigtl.
Schafsinseln (s. H. Rudolphi, Die Inselnamen
der Färöer [Mitteilungen der Islandr. 11 (1924)],
45 ff.), nnorw. übertr. faar hilfloser Stümper,
aschwed. fār, nschwed. får, ndän. faar Schaf
(aus dem Ostskand. ne. dial. far; s. Björkman,
Scand. Loanwords 94) im Isl. und Norw. wird
fær bzw. faar dann durch fé, sauðr, kind, smali
verdrängt. Zu ae. feht vellus usw. s. fehtan.

Eine andere Deutung des Inselnamens Færeyjar
stammt von A. W. Brœgger, Skrifter und Afhandlinger
der Norske Videnskaps Akademi (1930) Nr. 3: zu mir.
fearann Land, Gebiet.

Fick III (Germ.)⁴ 225; Seebold, Germ. st. Verben 190;
Holthausen, As. Wb. 17; Sehrt, Wb. z. Hel.² 114;
Berr, Et. Gl. to Hel. 106; Verdam, Mndl. handwb.
643; Holthausen, Afries. Wb.² 24; Richthofen, Afries.
Wb. 729; Holthausen, Ae. et. Wb. 100; Bosworth-
Toller, AS Dict. 273; Suppl. 207; Suppl. II, 23; ME
Dict. E-F, 430; OED² V, 777; Vries, Anord. et. Wb.²
114. 149; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 538; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog I, 396; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 57; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
201; Torp, Nynorsk et. ordb. 92; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 204; Svenska akad. ordb. F-412 f.

Walde-Pokorny II, 17; Pokorny 797; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 759.

Entgegen älteren Auffassungen bleiben aind. pakman-
n. Wimpern, Haar, pak-malá- mit starken Augen-
wimpern, dichthaarig
, av. pana- n. Augenlid, npers.
pam Wolle fern; s. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
II, 184; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 62 f.; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 580 f.

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