fahs n. (auch m.?; vgl. Gl. 1, 50, 18) a-St.,
seit dem 8. Jh. in zahlreichen Gl., im Tatian,
bei Otfrid, Notker, Kass. Gespr. und Williram:
‚volles Kopfhaar, Haupthaar, Haarflechte,
Locke, caesaries, capillatura, capillus, coma,
cirrus, crinis‘ 〈Var.: u-; fas (11. Jh., bair. u.
alem.)〉. — Mhd. vahs st.m.n. ‚Haupthaar, cae-
saries, coma‘. Im Nhd. lebt das Wort in der Be-
deutung ‚Haar‘ nur noch dialektal fort; vgl.
bair. feuerfachs ‚Rothaar, Rotkopf‘ (von Men-
schen, Pferden, Hunden); vgl. auch lothr. pl.
faces ‚cheveux‘; eine andere Bedeutung hat
bad., schwäb., rhein. fächser m. ‚Wurzeltrieb
einer Pflanze, speziell von Reben‘, thür. fechser
m. ‚Pflanzensteckling, Absenker‘, übertr. ‚un-
eheliches Kind‘ und schweiz. fachs ‚glattes,
kurzes, borstenartiges Gras‘.
Ahd. Wb. III, 524 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 199; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 242; Schützeichel⁵ 128; Starck-Wells
137; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 28 f.; See-
bold, ChWdW8 119 f.; Graff III, 446 f.; Schade 158;
Lexer III, 6; Benecke III, 212; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 134 (coma); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 82 (cae-
saries). 88 (capillatura, capillus). 116 (coma). 106 (cir-
rus). 160 (crinis); Dt. Wb. III, 1225 (doch ahd. fahs
von ahd. fâhan wie lat. capillus ‚Haar‘ von capere ‚fan-
gen, fassen‘; zu lat. capillus s. aber Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 158 f.). — Schweiz. Id. I, 655; Stalder,
Versuch eines schweiz. Id. I, 348; Ochs, Bad. Wb. II, 2;
Fischer, Schwäb. Wb. II, 908 f.; Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 686; Müller, Rhein. Wb. II, 228; Spangen-
berg, Thür. Wb. II, 206.
Dem Wort entsprechen: as. fahs ‚Haupthaar‘;
mndl. vas; afries. fax ‚Haar‘; ae. feax ‚Haupt-
haar‘ (feaxede ‚behaart‘), me. fax (fex, vax), ne.
veraltet fax; aisl. fax (vgl. auch die Pferdebe-
zeichnungen aisl. faxi ‚mit anders gefärbter
Mähne‘, gollfaxi, gollinfaxi ‚mit der goldenen
Mähne‘, hrímfaxi ‚mit Reif in der Mähne‘ [Na-
me des Pferdes der Nótt], Skinfaxi ‚der mit der
leuchtenden Mähne‘), nisl. fax, nnorw. faks n.
‚Mähne‘: < urgerm. *faχsa-. Zu der Bedeutung
von schweiz. fachs (s. o.) stimmen aisl. fǫxur f.pl.
‚mit Riedgras bewachsenes Moor‘, nschwed.
dial. faxe m. ‚losta, rågsvingel, Bromus secalinus
Lin.‘. In diesen Fällen liegt aber wohl eine Über-
tragung des Wortes ‚Haar‘ auf den Begriff
‚Gras‘ vor und keine ursprl. Bedeutung ‚Laub
und Gras ernten‘ (anders D. Ader, Trier-Fest-
schrift [1964], 152; → fehtan).
Wegen des s-Suffixes in urgerm. *faχsa- < vor-
urgerm. *poso- liegt die Annahme eines neutra-
len proterodynamischen s-Stammes *póos- als
Basis nahe. Bedeutungsmäßig am nächsten steht
der s-Stamm gr. πέκος n. ‚abgerupfte, abge-
schorene Schafwolle, Vlies‘ < vorurgr. *péos-
(zum grundsprachlichen Ansatz s. Stüber, Pri-
märe s-Stämme d. Idg. 135) mit der für s-
Stämme üblichen betonten e-Stufe. Wie aber lat.
pondus n. ‚Gewicht, Pfund‘ (statt *pendus) nach
pondō ‚an Gewicht‘ (ablat. von *pondus m. o-
St.), aksl. kolo n. ‚Rad‘, gen.sg. kolese zeigen,
hat es neben dem regulären e-stufigen Typ eine
Reihe von o-stufigen s-Stämmen gegeben, die
ihren Vokalismus von o-Stämmen bezogen ha-
ben (zur analogischen o-Stufe in ntr. s-Stämmen
vgl. J. Schindler, in Flexion und Wortbildung
265). Auch für das Germ. kann ein Einfluß
mask. o-Stämme auf den Wurzelvokalismus von
s-Stämmen angenommen werden wie urgerm.
*kelaz-/-iz- n. und *kala- m. zu *kalaz-/
-iz- n. (ahd. kalb ‚Kalb‘, gen.sg. kalbires) zeigen
(vgl. Schaffner, Vernersches Gesetz 590 f.). Es ist
also durchaus möglich, daß im Vorurgerm.
ein ntr. s-Stamm *poos- mit einer nach dem m.
o-Stamm *poo- (gr. πόκος ‚abgerupfte, abge-
schorene Schafwolle, Vlies‘) analogischen o-
Stufe bestanden hat (anders Frisk, Gr. et. Wb.
II, 492: gr. πόκος sei wohl Neubildung; zutref-
fend dagegen Chantraine, Dict. ét. gr. 872:
„nom verbal à vocalisme o πόκος d’un type anci-
en“) und von diesem s-Stamm dann ein vorur-
germ. *poso- ‚Haar‘ gebildet worden ist. Eine
unmittelbare Ableitung von der Wz. *pe-
‚Wolle oder Haare rupfen, zausen‘ (gr. πέκω,
lit. pèšti, pešù; → fihu) kommt für *poos- we-
gen der o-Stufe nicht in Frage.
Weiterhin war der s-Stamm *póos- zur Be-
zeichnung der durch Wolle charakterisierten
Tiere verwendbar, wie er fortgesetzt ist in: aisl.
fær n. ‚Schaf‘, in Færeyjar f.pl. ‚Färöer‘, eigtl.
‚Schafsinseln‘ (s. H. Rudolphi, Die Inselnamen
der Färöer [Mitteilungen der Islandr. 11 (1924)],
45 ff.), nnorw. übertr. faar ‚hilfloser Stümper‘,
aschwed. fār, nschwed. får, ndän. faar ‚Schaf‘
(aus dem Ostskand. ne. dial. far; s. Björkman,
Scand. Loanwords 94) — im Isl. und Norw. wird
fær bzw. faar dann durch fé, sauðr, kind, smali
verdrängt. Zu ae. feht ‚vellus‘ usw. s. fehtan.
Eine andere Deutung des Inselnamens Færeyjar
stammt von A. W. Brœgger, Skrifter und Afhandlinger
der Norske Videnskaps Akademi (1930) Nr. 3: zu mir.
fearann ‚Land, Gebiet‘.
Fick III (Germ.)⁴ 225; Seebold, Germ. st. Verben 190;
Holthausen, As. Wb. 17; Sehrt, Wb. z. Hel.² 114;
Berr, Et. Gl. to Hel. 106; Verdam, Mndl. handwb.
643; Holthausen, Afries. Wb.² 24; Richthofen, Afries.
Wb. 729; Holthausen, Ae. et. Wb. 100; Bosworth-
Toller, AS Dict. 273; Suppl. 207; Suppl. II, 23; ME
Dict. E-F, 430; OED² V, 777; Vries, Anord. et. Wb.²
114. 149; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 538; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog I, 396; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 57; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
201; Torp, Nynorsk et. ordb. 92; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 204; Svenska akad. ordb. F-412 f.
Walde-Pokorny II, 17; Pokorny 797; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 759.
Entgegen älteren Auffassungen bleiben aind. pakṣman-
n. ‚Wimpern, Haar‘, pakṣ-malá- ‚mit starken Augen-
wimpern, dichthaarig‘, av. pašna- n. ‚Augenlid‘, npers.
pašm ‚Wolle‘ fern; s. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
II, 184; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 62 f.; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 580 f.