fallan
Band III, Spalte 36
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fallan (fial, fialun, gifallan) st. v. VII, seit
dem 8. Jh.: fallen, (herab-)stürzen, zu Fall
kommen, einstürzen, sinken, umkommen, zu-
fallen, zuteil werden, verfallen, cadere, collabi,
corruere, decidere, desciscere, delabi, destituere,
devolvere, diruere, incidere, labi, procidere,
ruere
Var.: inf. uuellen Notker (Schatz, Ahd.
Gr. § 166), -in; 3. sg. uellit Gl. 1, 622, 50; prät.
felun Gl. 1, 150, 16, Mons. Frg., feal(un) Mons.
Frg.; uiel(en) Notker. Mhd. vallen st. v. VII
fallen, stürzen, sinken, nhd. fallen.

Ahd. Wb. III, 542 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 201 f.; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 243 f.; Schützeichel⁵ 128;
Starck-Wells 138. 806. 843; Schützeichel, Glossen-
wortschatz III, 40 f.; Seebold, ChWdW8 120; Graff
III, 454 ff.; Schade 159; Lexer III, 11; Benecke III,
217; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 87 (cadere). 114 (col-
labi). 153 (corruere). 167 (decidere); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 79 (cadere). 155 (corruere). 172 (decidere).
179 (delabi). 186 (desciscere). 189 (destituere). 191 (de-
volvere). 201 (diruere). 326 (incidere). 363 (labi). 523
(procidere). 580 (ruere); Dt. Wb. III, 1277 ff.; Kluge²¹
182; Kluge²⁴ 273; Pfeifer, Et. Wb.² 319 f. F. Kluge,
Zfdt. Wortf. 8 (190607), 31 ff. (zur Bedeutung von
frühnhd. fallen).

Ahd. fallan entsprechen: as. fallan (fēll, fēllun,
gifallan) fallen, einfallen, zugrunde gehen,
mndd. vallen; andfrk. fallon procident, mndl.
vallen; afries. falla (fōl, fōlen, efallin), nostfries.
fallen; ae. feallan (fēoll, fēollon, feallen) fallen,
verfallen, sterben, anfallen, fließen
, me. fallen,
ne. fall; aisl. falla (fell, fello, fallenn) fallen,
sterben, geschehen
, aschwed., nschwed. falla,
ndän. falde: < urgerm. *fallan- fallen.

Fick III (Germ.)⁴ 238; Seebold, Germ. st. Verben
181 f.; Holthausen, As. Wb. 18; Sehrt, Wb. z. Hel.²
114; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 237; Lasch-Borch-
ling, Mndd. Handwb. I, 1, 635 ff.; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. V, 193 f.; Kyes, Dict. of O. Low and
C. Franc. Ps. 21; Verdam, Mndl. handwb. 776; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 722; Vries, Ndls. et. wb. 763;
Holthausen, Afries. Wb.² 23 f.; Richthofen, Afries.
Wb. 725; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
416; Dijkstra, Friesch Wb. I, 336; Holthausen, Ae. et.
Wb. 99; Bosworth-Toller, AS Dict. 271 f.; Suppl.
206 f.; ME Dict. E-F, 380 ff.; OED² V, 686 ff.; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 343; Vries, Anord. et. Wb.² 110; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 582; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog I, 369 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 55; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 202; Ordb.
o. d. danske sprog IV, 658 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb.
93; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 197; Svenska akad.
ordb. F-138 ff.

Verwandt sind lit. pùlti (púolu) fallen, über je-
manden herfallen, angreifen
, lett. pult (puolu)
fallen.

Nach E. P. Hamp (IF 84 [1979], 256) paßt das ur-
germ. Prät. *fēll, eine über *fōll (mit einem nach *fall-
analogischen *ll) erfolgte Umbildung von ursprl. *fōl,
zu dem Prät. lit. púol. Wegen seiner Doppelkonso-
nanz im Prät. sei das Verb im Germ. in die VII. st. Kl.
übergetreten. Zu einer neuen, sich in mehreren Schrit-
ten vollziehenden Erklärung des ē-Vokalismus in ur-
germ. *fēl s. jedoch Th. Vennemann, PBB 116 (1994),
192 ff.: Ausgehend vom Prät. ´fe.bal.la sei von Fällen
mit inlautendem *z wie ´sle.zē¹.pa der z-Inlaut verall-
gemeinert und durch Rhotazismus zu *r geworden.
Aus ´fe.Ral habe sich mit Synkope die Lautung ´ferl
und aufgrund einer durch den Verlust von R zwischen
e und Konsonant bedingten Ersatzdehnung schließ-
lich *fē²l ergeben.

Die wegen des Nomen actionis arm. pՙowl Fall,
Einsturz; Abnahme des Mondes
vorgenom-
mene Verbindung mit arm. pՙlanim fallen, ein-
stürzen
< *phulanim ist nicht ganz sicher, da
pՙowl eine Neubildung sein kann. Trifft der An-
schluß jedoch zu, dann ist für das Arm. und
Germ. der Ansatz eines uridg. n-Infix-Präsens
[**l-ne-H-/**l--H-] am wahrschein-
lichsten. Urgerm. *fallan- ginge in diesem Fall
auf ein vorurgerm. *paln-, eine Fortsetzung ei-
nes *l-n- [**l-n[-H]-] mit analogischer
Silbenstruktur, zurück. Demgegenüber könnte
in der Vorform *pōle/a- des urlit.-lett. Präsens-
stammes *puola- eine Neubildung zu einem
ursprl. Aoriststamm *pōl- (**[poHlH-]) vorlie-
gen und das arm. Präsens pՙlanim < *phulanim
< vorurarm. *pōl- ebenfalls eine Umbildung
nach dem Aorist, und zwar nach der Vorform
des Aorist Medium pՙl(a)- (z. B. pՙlcՙi), urarm.
*phul(a)- < vorurarm. *pōl-/ pōla- (< uridg.
[**poHlH-/**poHlǝ-]), darstellen. Dem
germ., lit.-lett. und arm. Verb läge so eine ge-
meinsame Wz. uridg. [**poHlH-] fallen zu-
grunde; zur Wurzelstruktur vgl. möglicherweise
[**dhaHlH₁-] blühen: gr. θαλερός blühend,
stramm
, arm. dalar grün, frisch, alb. dal
sprosse (Klingenschmitt, Altarm. Verbum 165.
171 f.).

Zu dem arm. Nasalinfixpräsens vgl. auch E. P. Hamp,
Zfvgl. Spr. 89 (1975), 104. Hamp (IF 84 [1979], 255)
leitet den Anlaut von arm. pՙlanim aus einer Vor-
form [**pHln-] her, wobei für *n silbisches * einge-
treten sei (vgl. auch S. Bugge, Zfvgl. Spr. 32 [1893],
28: uridg. anlautendes *ph für arm. pՙowl, ahd. fal-
lan). Doch ist in einer Vielzahl von Wörtern die re-
guläre Vertretung von uridg. *p; vgl. etwa arm. pՙow
Dorn, Distel < *pu-o- ( fiuhta); pՙetowr Feder
( fedara); s. Klingenschmitt, a. a. O. 167 ff.

Walde-Pokorny II, 103; Pokorny 851 (*phl-);
Hübschmann, Arm. Gr. 501; Fraenkel, Lit. et. Wb.
666 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 308. Weitaus
weniger plausibel ist A. Ficks (Zfvgl. Spr. 44 [1911],
149) Wurzelansatz *pel- wenden, kehren.

Semantisch und morphologisch unbefriedigend ist die
allgemein angenommene Verbindung von lit. pùlti,
lett. pult fallen mit apreuß. 3.sg. aupallai findet.
Wegen des Präfixes au- weg-, ab- nimmt Klingen-
schmitt (a. a. O. 172 Anm. 15) eine Grundbedeutung
entdecken an und verweist auf die in alb. mbulonj
(ageg. mbeluem) bedecken, zbulonj ab-, auf-, ent-
decken
enthaltene Wz. *pel- bedecken. Für apreuß.
aupallai wäre demnach eine Vorform *a-pala- anzu-
setzen.

Das u. a. von Meillet (Esquisse d’une gr. comp. de
l’arm.² 35; vgl. bereits A. Fick, BB 2 [1878], 204) mit
ahd. fallan, arm. pՙlanim verknüpfte Verb gr. σφάλλω
bringe zu Fall gehört zu arm. sxalem fehlgehen,
straucheln
, aind. skhálati strauchelt, stolpert (Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 927; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
III, 509; Klingenschmitt, a. a. O. 165 Anm. 9: Wurzel-
ansatz [**skwHel-] oder [**skwHal-]; anders Hier-
sche, Tenues Asp. im Idg. 82 f., 219: Der Wurzelanlaut
beruhe auf volkssprachlicher oder affektischer Laut-
gebung; Solta, Stellung d. Arm. 449 f.); dagegen Frisk,
Gr. et. Wb. II, 827 f.: gr. σφάλλω sei eine rein gr.
Schöpfung; wieder anders P. Wahrmann, Glotta 6
(1915), 149: gr. σφάλλω ursprl. (mit Prügeln) werfen,
jemandem einen Stock zwischen die Beine stecken
zu
idg. sp(h)el- spalten; zustimmend Chantraine,
Dict. ét. gr. 1074 f.; weitere Deutungen bei Hiersche,
a. a. O. 194.

Lautlich vollkommen unhaltbar sind die Verbindun-
gen mit lat. fallō täusche, betrüge (F. Kluge, PBB 8
[1882], 526, dazu auch gr. σφάλλω bei einer gemein-
samen Vorform *(s)phal-; dazu s. Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 449) und mit lat. petō suche zu errei-
chen, eile, strebe
, gr. πίπτω falle (F. A. Wood, GR 1
[1926], 311).

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