farawa, farwa
Volume III, Column 62
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farawa, farwa f. ō- (selten n-)St., Gl., Isid.,
Mons. Frg., Otfrid, Notker; daneben farawî f.
īn-St., nur Bened.regel, Otfrid, Gl. 1, 505, 11
(verwe Clm. 22201, 12. Jh.): Farbe, Aussehen,
Gestalt, color, conspersio, facies, forma, fulvus,
nota, tinctura
Var.: u-, ph-; -ouu-, -uuu-,
-euu-, -iuu-; zum Sproßvokal vgl. Braune,
Ahd. Gr.¹⁵ § 69; zur n- und īn-Dekl. § 208
Anm. 2. 3. Mhd. varwe, var, nhd. Farbe
(vgl. Paul, Mhd. Gr.²³ § 13. 117).

Ahd. Wb. III, 619 f. 622; Splett, Ahd. Wb. I, 211; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 246; Schützeichel⁵ 130; Starck-
Wells 141; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 63;
Seebold, ChWdW8 123; Graff III, 703; Schade 162;
Lexer III, 26; Benecke III, 241; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 133 (color). 584 (tinctura); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 116 (color). 140 (conspersio). 253 (facies). 272
(forma). 281 (fulvus). 433 (nota). 666 (tinctura); Dt.
Wb. III, 1321 ff.; Kluge²¹ 184; Kluge²⁴ 275 f.; Pfeifer,
Et. Wb.² 323 f.

Germanische Entsprechungen sind: as. farawi f.
facies (caeli) (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
50, 20. 237), mndd. varwe, verwe f. Farbe;
mndl. var(u)we, vaerwe, verwe f. dss., nndl.
verf; afries. ferwe dss., nostfries. farwe, nwest-
fries. ferve, farve; got. farwa dat. sg. eines n.
oder m. a-Stammes oder eines m. i-Stammes:
*farw(s) (Speyerer Fragment) Gestalt, Ausse-
hen, μορφή
.

Ein oft zitiertes ae. færbu (nach Bosworth-Toller, AS
Dict. 266) existiert nicht (s. Bosworth-Toller, Suppl.
199; O. Szemerényi, Lang. 48 [1972], 7). Die skand.
Wörter ält. ndän. farge, færge, færwe, ndän. farve,
nnorw. farge, aschwed. færgha, nschwed. färg sind aus
mndd. varwe, verwe entlehnt (vgl. bes. Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 206).

Fick III (Germ.)⁴ 234; Holthausen, As. Wb. 18;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 651. 661. 708;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 199. 208. 245; Ver-
dam, Mndl. handwb. 642; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
731; Vries, Ndls. et. wb. 772 f.; Holthausen, Afries.
Wb.² 26; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
424; Dijkstra, Friesch Wb. I, 338. 345; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 986; Torp, Nynorsk et. ordb. 95; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 254; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-
23. Hoops Reallex.² VIII, 206.

Das Wort hat keine sichere Etymologie. Vor der
Entdeckung der got. Entsprechung (197071)
wurde es allgemein für eine Substantivierung ei-
nes Adj. mit der Bed. farbig (vgl. ahd. faro) ge-
halten, die mit -o-Suffix zur idg. Wz. *per-:
*pre- gesprenkelt, bunt gebildet sei (vgl. aind.
pni- gefleckt, bunt, gr. περκνός gesprenkelt,
dunkelfleckig
, mir. erc gefleckt, dunkelrot
usw. ( forahana, forhana Forelle und vgl. Po-
korny 820 f.). Da aber das got. Wort eine ursprl.
Bed. Gestalt, Form, Aussehen oder Ähnliches
voraussetzt, sah man sich gezwungen, diese
Etymologie aufzugeben (anders aber Griepen-
trog, Wurzelnomina d. Germ. 195).

Ganz ausgeschlossen ist sie jedoch nicht; man verglei-
che F. Solmsens (Zfvgl. Spr. 34 [1897], 23 f.) Deutung
von gr. μορφή Gestalt, Form als ursprl. schimmern-
des, buntes Äußeres
zu idg. *mergh etwa flimmern,
bunt glänzen
. Dennoch ist auch diese Etymologie
höchst unsicher.

Seitdem hat es nicht an etym. Versuchen gefehlt,
die die germ. Sippe mit idg. Wörtern für Form,
Gestalt, Aussehen
verknüpfen. Da aber alle rein
hypothetisch sind, ist es kaum möglich, einen
dieser Versuche als die richtige Etymologie
hervorzuheben.

1) Verbindung mit lat. corpus: O. Szemerényi,
a. a. O. 5 ff. führt lat. corpus auf idg. *kerp-,
germ. *farwa- auf eine Metathese der o-Stufe
*korpó- > *porkó- zurück. Aber erstens feh-
len weitere Stützen für den Anlaut *k- in cor-
pus (vgl. Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 278,
aber s. u.), und zweitens ist eine (unmotivierte)
Metathese im Germ. durch die nicht metathe-
sierten germ. Entsprechungen von lat. corpus:
ahd. ref (s. d.), ae. hrif usw. Bauch, Mutter-
leib
widerlegt (vgl. G. Must, IF 86 [1981], 256).
Auch E. Seebold (Kluge²⁴ a. a. O.) verknüpft die
germ. Sippe mit lat. corpus, das er zur idg. Wz.
*ker- machen, gestalten stellt (vgl. Pokorny
641), mit -w-Suffix im Germ., -p-Suffix im Lat.
(corpus) und Aind. (kp- Gestalt) und mit
Wechsel von idg. kw zu g(erm). f vor Labial.
Wieder ganz hypothetisch (woher kommen die
verschiedenen Suffixe?).

2) Verbindung mit gr. πρέπω in die Augen fal-
len, hervorstechen, sich auszeichnen
, arm. ere-
vim sichtbar werden, erscheinen, erevak Ge-
stalt, Bild, Zeichen
, air. richt Form, Gestalt,
ahd. furben reinigen, putzen, fegen (s. d. und
vgl. Pokorny 845): E. P. Hamp, IF 78 (1973),
142 f. (wie schon Franck, a. a. O.) führt germ.
*farwa- auf idg. *pork-ó zurück; die gr. und
arm. Formen hätten dagegen eine p-Erweite-
rung (nach Franck zu einer idg. Basis *pere-).
Später versucht Hamp (NOWELE 4 [1984],
51 f.), die komplizierten Verhältnisse zu verein-
fachen, indem er auch für das Germ. die idg.
Wz. *prep- ansetzt, und zwar in der Form *pp-
ó-. Daraus sei germ. *farwa- entstanden, wo-
bei * vor w schließlich verloren gegangen sei
aber idg. * wird im Germ. nie zu ar! Obgleich
der sonst nicht belegte Schwund von vor w
lautlich annehmbar wäre, müßte man von einer
idg. zweisilbigen Basis *perep- (oder wie man
heutzutage meist sagt: von den Wurzelvarianten
*perp- : *prep-) ausgehen, wofür weitere Stützen
fehlen. Deshalb hat G. Must (a. a. O. 257) diese
Etymologie abgelehnt, weil wir zu viele und zu
weitgehende Rekonstruktionen [brauchten], die
durch nichts nachgewiesen werden können
.

3) Verbindung mit got. fairƕus Welt: Bammes-
berger, Beitr. z. et. Wb. d. Ae. 52, erwägt Ver-
knüpfung mit ae. feorh Leben, lebende Person,
fīras Männer (got. fairƕus, ahd. firaha Men-
schen
[s. d.]), ein Vergleich, der zwar lautlich
einwandfrei wäre, aber uns nicht weiterführen
würde, zumal auch die Etym. dieser Wörter un-
klar ist. Bammesberger beruft sich auf Szeme-
rényis Metathese-Theorie (s. o.) und führt germ.
*ferχwa- auf idg. *kerp- zurück; dagegen hat
J. Vendryes, Rev. celt. 44 (1927), 313 ff., diese
Wörter auf idg. *perk-us Eiche, dann auch
Stärke, Leben zurückgeführt, dessen Wz.
durch eine tabuistische Metathese zu *kerp-
wurde, woraus lat. corpus!

4) Entlehnung: Da germ. *farwa- nur einmal im
Got. vorkommt, im Nordgerm. und Engl. fehlt,
hält G. Must (a. a. O. 255 ff.) das Wort für eine
Entlehnung aus arab. farwa Pelz (ihm zustim-
mend H. Paul, Dt. Wb.⁹ [1992], 261). Also
hätte das germ. Wort mehrere Bed.: Gewand,
Kleid
, Würde, Ehre und auch Farbe von An-
fang an haben können. Trotz der Überzeu-
gungskraft seiner Argumente ist diese These
auch unbeweisbar, denn sonst sind unmittelbare
(d. h. nicht über das Gr. oder Lat. gekommene)
arab. Entlehnungen ins Got. unbekannt; dazu
sind seine Deutungen des got. Wortes als Ge-
wand, Kleid
und die ahd. Isidor-Belege als
Würde, Ehre etwas forciert; vgl. auch G. Neu-
mann, Hist. Spr.forschung 108 (1995), 314.

Sicher abzulehnen sind zwei andere Erklärungen:

5) Durch eine Reihe von unwahrscheinlichen Dissimi-
lationen und Variationen verknüpft V. Pisani, Studi
Germanici 10 (1972), 35 ff., germ. *farwa- mit lat. for-
ma.

6) Aus der Zeit vor der Entdeckung des got. Wortes
stammt der Versuch A. Kutzelniggs (ZMF 32 [1965],
221 ff.), ahd. farawa (wie auch anderswo einige andere
Wörter mit der Wurzelsilbe *far-; fâra, farn) mit
ahd. far, farro Stier zu verknüpfen. Der Vergleich ist
nicht nur semantisch unwahrscheinlich, sondern auch
lautlich nicht möglich: ahd. far(ro) geht auf germ. *far-
za(n) zurück ( far und vgl. Szemerényi, a. a. O. 6 f.).

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit, wor-
an man anscheinend noch nicht gedacht hat.
Viele Sprachen bilden Nomina mit der Bed.
Art, Sorte, Form, Gestalt zu Verben, die
schlagen, stoßen u. ä. bedeuten: vgl. nhd.
Schlag und ahd. slahta, gislahti Geschlecht,
Gattung, Art, Stamm
(nhd. Geschlecht) zu
schlagen (ahd. slahan, s. d.); gr. τύπος Stoß,
Schlag, Gestalt, Typus
zu τύπτω stoße, schla-
ge
(Frisk, Gr. et. Wb. II, 945 f.); wohl zur sel-
ben idg. Wz. *(s)tep-/bh- stoßen gehört
kymr. ystum Biegung, Wendung (vgl. dt. ein-
schlagen), Gestalt (Pokorny 1034); lett. kava
Stich, Schlag, Art, Schicht zu kaût schlagen,
hauen
(< idg. *kā- : *- [**keH- :
**-]; vgl. lat. cūdo schlage, klopfe usw.;
Pokorny 535; LIV² 345 f.; Walde-Hofmann,
a. a. O. I, 301); abulg. obrazъ εἰκών, τύπος,
μορφή
, russ. óbraz Bild neben russ. razít’
schlagen, ksl. re, reati κόπτω; vgl. tschech.
raz Schlag, Gepräge, Typus, Charakter (Po-
korny 1181 f.; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 244.
484); ir. cummae act of cutting, act of shaping,
shape, form, appearance
(Dict. of Irish C-
620 f.) zu ir. ben- schlagen, schneiden, töten
(< idg. *bhe[ǝ]- schlagen; bîhal, billa, billi
und vgl. Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-288 f.;
Pokorny 117; LIV² 72).

Bei all diesen einzelsprachlichen Bildungen han-
delt es sich gewiß um eine Bed.entwicklung von
das durch Schlagen, Stoßen, Hauen usw. Ge-
formte
zu Form, Gestalt, Gattung usw.. Auf
eine ähnliche Weise ließe sich germ. *farwa-
Form, Gestalt auf idg. *por-o-, eine -o-Er-
weiterung der idg. Wz. *per- schlagen, zurück-
führen, die auch in ksl. per, pьrati schlagen,
waschen
, russ. (veraltet) prat’ schlagen, wa-
schen, Wäsche bläuen
; lit. periù, peti (ein-)
schlagen, stark donnern, mit dem Badequast
schlagen, jmdn. baden
, lett. pērt schlagen, prü-
geln, baden
; arm. hari ich schlug (aorist; präs.
harkanem < *pg-: Erweiterung derselben Wz.?
Vgl. Lidén, Arm. Stud. 85 ff.; Pokorny 819);
viell. lat. premō drücke (mit durativem Suffix
-em-); viell. mit t-Formans aind. pt- Kampf,
Streit
usw. vorkommt; vgl. A. L. Lloyd, Rauch-
Festschrift 121 ff.

Zum o-Suffix, das u. a. substantivierte Verbal-
adjektiva bildet, s. Krahe-Meid, Germ. Sprach-
wiss. III § 77; Wilmanns, Dt. Gr. II § 183 und
vgl. ahd. (h)lêo, got. hlaiw Grab(hügel), lat.
clīvus
Hügel (= das Geneigte, Schräge) zur
Wz. *le- neigen, lehnen; ahd. melo Mehl
(das Gemahlene) zur Wz. *mel- mahlen; ahd.
brîo Brei (Gekochtes) zur Wz. *bher(ǝ)- auf-
wallen
(s. d. d.) usw.

Pokorny 818 f.; LIV² 473; Vasmer, a. a. O. II, 426;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 578; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. III, 210; Walde-Hofmann, a. a. O. II, 360;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 533 f.; Mayrhofer, K. et.
Wb. d. Aind. II, 331; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 160.

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