faso m. n-St., in Gl. seit dem 11. Jh., bei
Notker, meist im Pl.: ‚Faden, Faser, Franse,
Saum, Borte, fimbria, trama‘ 〈Var.: v-, u-; ein
Fem. fasa ist nicht eindeutig zu belegen: fase in
der späten Hs. Gl. 3, 317, 59 (12. Jh.) könnte
ebensogut für fasa oder faso stehen (e für a
nach Ahd. Wb. III, 644, wie in asce Gl.
3, 317, 43, orringe 318, 63; oder e für o wie in
scrate 317, 4, hase 319, 71)〉.
Gl. 3, 529, 27 fimbria : fasen zele ist unklar. fasen könn-
te zwar ‚Wurzelfasern‘ bedeuten (vgl. Ahd. Wb. III,
645), aber die Glosse steht mitten in einer Liste von
Pflanzennamen. Nach André, Termes de botanique en
latin 139 kann lat. fimbria auch die spezifische Bed.
‚brin de poireau‘ (‚Blatt oder Faser des Lauchs oder
Schnittlauchs‘) haben, die dann durch faso wiederge-
geben sein könnte (vgl. ahd. louhfaso ‚Lauchfaser‘).
Problematisch ist zelo, das wohl für zete (= nhd.
mdartl. zette) verschrieben ist. Aber zette kommt nie
als Bezeichnung für den Lauch oder die Lauchfasern
vor, sondern bezeichnet entweder zottige oder in gro-
ßen Beständen auftretende Sträucher wie die Bergkie-
fer, verschiedene Heidekräuter (bes. Callunia vulga-
ris), auch ‚Zweige, Reisig‘ und sogar ‚einen mit Stau-
den bewachsenen Ort‘ (vgl. Dt. Wb. XV, 814; Mar-
zell, Wb. d. dt. Pflanzennamen III, 775; Lexer, Kärnt.
Wb. 265). — Daß fase(n), fase(n)gras usw. auch als Be-
zeichnung für den ‚echten Froschlöffel‘ (Alisma Plan-
tago auct.) und den ‚Schildfarn‘ (Aspidium Sw.) belegt
ist (vgl. Marzell, a. a. O. I, 193. 477 f.), ist wohl ohne
Belang, außer als Beleg dafür, daß faso Pflanzen mit
fadenartigen Blättern oder Wurzelfasern bezeichnen
könnte.
Mhd. vase sw. m.f. ‚Faser, Franse, Saum‘
(spätmhd. auch vaser f.), frühnhd., nhd. veraltet
und mdartl. fase m.f., nhd. nur Faser f. (seit dem
17./18. Jh.).
Ahd. Wb. III, 644 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 213; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 248 f.; Schützeichel⁵ 130; Starck-
Wells 142; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 75;
Graff III, 705; Schade 170; Lexer III, 27 f.; Benecke
III, 330; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 235 (fimbria). 592
(trama); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 265 (fimbria). 672
(trama); Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 73; Dt. Wb. III, 1336 f.
1339; Kluge²¹ 185; Kluge²⁴ 277; Pfeifer, Et. Wb.²
325 f.
Entsprechende Wörter mit Wurzelvokal a kom-
men sonst im Germ. selten vor: mndd. vāse f.
‚Faser, Fädchen, Wurzelfäden‘; mndl. vase f.
‚Faser, Franse‘; nostfries. fäsen, fesen usw. ‚Fa-
ser‘; ae. fæs n. (pl. fasu) ‚Franse‘, me. fas ‚Wur-
zelfasern (des Lauchs)‘. Ablautende Formen mit
Wurzelvokal e sind: mndd. vēse(n) f.m. ‚Faser,
Fädchen, Körnerhülse, Spreu, etwas Kleines,
Unbedeutendes‘; mndl. vese, veese f. ‚Faser,
Fädchen, Franse, Spreu‘, nndl. vezel ‚Faser, Fa-
den‘ (→ fesa, das ‚Schote, Hülse, Gerstengrütze‘
u. dgl. bedeutet, aber in der Zss. louchesfesa
‚Lauchfaser‘ [s. d.] neben louchfaso, louchesfaso
und in einigen nhd. Mdaa. [fese{n}] dieselbe
Bed. wie faso hat). Das Skand. weist eine Mi-
schung der beiden Ablautformen auf: dän. fjæ-
ser, älter fjøs, føs ‚Faden, Faser‘, schwed. dial.
fjas ‚feine Daune, Flaum(feder)‘. Hierher viell.
aisl. fǫsull ‚Band(?)‘, nur in der Kenning gljúfra
fǫsull ‚Schlange‘ (anders Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 562: ‚Nachkommenschaft‘, zu ahd. fasal
[s. d.]); aisl. fǫnn, nnorw. fonn, fann, schwed.
dial. fann ‚Schneewehe‘ (< *faznō; zur Bed.
s. u.).
Fick III (Germ.)⁴ 240; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 662. 710; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
V, 245 f.; Verdam, Mndl. handwb. 643. 710; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 740; Vries, Ndls. et. wb. 781;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 425;
Holthausen, Ae. et. Wb. 96; Bosworth-Toller, AS
Dict. 266; Suppl. 200; ME Dict. E-F, 409; OED² V,
740; Vries, Anord. et. Wb.² 151; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 561; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 78;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 227; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 216 f. (s. v. fjäsa); Svenska akad. ordb. F-659.
Die germ. Wörter, die ‚Faser, Fädchen‘ bedeu-
ten, wie auch diejenigen, die ‚Spreu usw.‘ bedeu-
ten, gehen wohl auf dieselbe germ. Wz. *fes- :
*fos- zurück und setzen eine Grundbed. ‚etwas
Leichtes, was im Winde weht oder stiebt‘ voraus.
Die zugrundeliegende idg. Wz. ist *pes- : *pos-
‚blasen, wehen‘ in russ. pachát’ ‚wehen, fegen‘,
pachnút’ ‚wehen‘, páchnut’ ‚duften‘ und mit ei-
ner dem germ. Wort ähnlichen Bed.entwicklung
in russ. pásmo ‚Garnsträhne, Fitze‘. Eine ver-
gleichbare Bed.entwicklung zeigen einerseits lat.
pluma ‚Flaum(feder)‘, lit. plúnksna ‚Feder‘,
pláukas ‚Haar‘, nhd. Flausch, Flaus und Vlies,
alles zur idg. Wz. *pleu̯- ‚fließen, schwimmen,
fliegen‘ (→ fliogan; vgl. Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. II, 324 f.) und andererseits ahd. spriu
(s. d.), nhd. Spreu, zur Wz. von nhd. sprühen
(idg. *[s]per- ‚streuen, sprühen‘ [LIV² 580];
vgl. Kluge²⁴ 870).
Nach E. Seebold, Rosenfeld-Festschrift 496 ff. ist die
idg. Wz. *pes- aus *pwes- entstanden (→ fasôn).
Verfehlt Franck, a. a. O., der eine sonst nicht bezeugte
idg. Wz. *pes- : *pos- annimmt, die entweder ‚binden‘
oder, wenn die Wörter für ‚Hülse, Spreu‘ verwandt
sind, „fijnmaken, stuk maken, pluizen“ bedeutet.
Die wiederholten Versuche, diese Wörter von denjeni-
gen, die ‚Faser‘ bedeuten, zu trennen und mit gr.
πτίσσω ‚enthülse, zerschrote‘, lat. pinsō ‚stampfe
klein, zerstampfe‘, aind. pináṣṭi ‚zerreibt, zerstampft‘
usw. zu verbinden (wie schon Fick III, 242, Schade
191, immer noch Kluge²⁴ 959 [s. v. Vesen]), scheitern
an dem unvereinbaren Vokalismus und der abweichen-
den Bildungsweise.
Walde-Pokorny II, 67; Pokorny 823 f.; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 229; Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr.
233; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 320; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 640; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III,
190. 458.