fehtan
Band III, Spalte 108
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fehtanAWB (faht, fuhtun, gifohtan) st. v. IIIb,
seit dem 8. Jh., in Gl., Bened.regel, bei Notker,
Notker, Ps.gl., Otfrid, Williram und im Ludw.:
kämpfen, fechten, ringen, streiten, agonizare,
certare, contendere, debellare, dimicare, bellum
gerere, militare, arma movere, bellum movere,
oppugnare, pectere, pugnare
Var.: fiht-, veht-,
ueght-, prät. vuoht-; zu uo für u vgl. Braune,
Ahd. Gr.¹⁵ § 32 Anm. 7. Mhd. vehten st. v.
IV die Arme hin und her werfen, fechten,
kämpfen
, nhd. fechten. Im 15. Jh. lautet das
Prät. noch facht für focht; die 3. Sg. erscheint
als ficht, nicht fichtet; vgl. flicht, tritt, gilt,
schilt u. a. Das Verb bezeichnet zunächst jede
Art von kämpferischer Auseinandersetzung;
nach der Erweiterung der Kampftechniken in
nhd. Zeit dient es dann nur noch zur Bezeich-
nung des Kampfes mit blanker Waffe. Die
ursprl. Bedeutung (s. u.) lebt in der mdartl. Be-
deutung sammeln fort.

Die im 17. Jh. aufgekommene Bedeutung auf Wan-
derschaft betteln
geht auf Fechtereien wandernder
Landsknechte und Handwerksgesellen zurück. Zum
Gelderwerb wurden Schau-Fechten veranstaltet, ein
kümmerliches Erbe der ritterlichen Turniere, ver-
gleichbar den Meistersingern, die sich als Erben der
Minnesänger fühlten.

Ahd. Wb. III, 684 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 218 f.; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 252; Schützeichel⁵ 131; Starck-
Wells 144; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 87;
Seebold, ChWdW8 124; Graff III, 442; Schade 174;
Lexer III, 43 ff.; Benecke III, 310 f.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 182 (dimicare). 347 (manicare). 471 (pu-
gnare); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 28 (agonizare). 99
(certare). 145 (contendere). 171 (debellare). 199 (dimi-
care). 288 (bellum gerere). 404 (militare). 415 (arma
movere, bellum movere). 452 (oppugnare). 539 (pu-
gnare); Dt. Wb. III, 1387 ff.; Kluge²¹ 188; Kluge²⁴
281; Pfeifer, Et. Wb.² 330. Wolf, Wb. d. Rotwel-
schen 92 f.

Innerhalb des Germ. hat das Wort nur in weite-
ren westgerm. Sprachen Entsprechungen: as.
vehtan, saman-fehtan (im Heliand nur das
Subst. fehta Kampf, Streit), mndd. vechten
kämpfen, fechten, streiten, im Zweikampf
fechten, mit den Händen fechten, die Hände,
Arme heftig bewegen
(daraus entlehnt ndän.
fægte, nschwed. fäkta mit den Armen schlagen,
fechten
). Anders gebildet sind: ält. ndän. figte,
nnorw. fikta mit den Armen ausschlagen < *fi-
katōn, Ableitung von fika kleine, heftige Bewe-
gungen machen
, mit Angleichung der Bedeu-
tung an die von dt. fechten; vgl. auch ndän. fag-
ter Gebärden, Gesten und aus hd. fuchteln
ausschlagen, mit den Armen schwingen, fech-
ten
entlehntes ndän. fugtle die Basis von nhd.
fuchteln ist das Subst. fuchtel f. breiter Degen
(woraus schwed. fuktel); vgl. auch schweiz.
fucht, das wiederum von dem Verb fechten abge-
leitet ist; andfrk. part. präs. nom. pl.m. fehtinda,
mndl., nndl. vechten kämpfen, fechten, jünger
sich anstrengen; afries. fiuhta, fugta, fiochta
(prät.pl. fuchten, part.prät. -fiuchten), nostfries.
fechten, fegten, nwestfries. fjuchtsje; ae. feohtan
(feaht, fuhton, fohten) fechten, kämpfen, strei-
ten, angreifen
, me. fighten (auch fisten, fiten,
vihten, wigten, fe[i]ghten, fuhten), ne. fight
(prät. fought): < urgerm. *feχtan-, prät. *faχt,
*fuχtum, part.prät. *fuχtana-, wobei der u-Vo-
kal im Prät.Pl. und Part. wohl von Verben mit
der Fortsetzung von *ul < * in der Wz. über-
nommen worden ist; vgl. *fluχtum; flehtan.

Nach Falk-Torp (Norw.-dän. et. Wb. 287) ist die
Grundbedeutung schnelle Bewegungen machen, be-
sonders mit den Armen
. Doch stellt diese Bedeutung
nur eine im Mndd. belegte Weiterentwicklung dar.

Vgl. auch die Ableitungen: afries. fecht, ae. feht,
fieht Schaffell mit Wolle (< westgerm. *fiχti-
< *feχti-); nndl. vacht Wolle, Wollwisch;
aschwed. fæt Wolle, ält. ndän. fæt Wolle,
Wollfell, zusammengerollte Wolle
, nschwed.
dial. fætte zusammengerollte Wolle < *faχti-.

Fick III (Germ.)⁴ 225; Seebold, Germ. st. Verben
190 f.; Holthausen, As. Wb. 19; Sehrt, Wb. z. Hel.²
124; Berr, Et. Gl. to Hel. 112; Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 238; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I,
1, 673; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 215 f.; Kyes,
Dict. of O. Low and C. Franc. Ps. 24; Verdam, Mndl.
handwb. 644; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 724 f.;
Vries, Ndls. et. wb. 766; H. Kern, Tijdschrift 20
(1902), 244 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 28; Richtho-
fen, Afries. Wb. 743 f.; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. I, 430 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I, 359;
Holthausen, Ae. et. Wb. 101; Bosworth-Toller, AS
Dict. 277; Suppl. 211; ME Dict. E-F, 547 ff.; OED²
V, 892 f.; Oxf. Dict. of Engl. Et. 355; Vries, Anord. et.
Wb.² 149; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 538. 541; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 201. 215. 287; Ordb. o. d.
danske sprog IV, 296 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 103;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 253; Svenska akad. ordb.
F-2044 ff. Zupitza, Germ. Gutturale 189.

Das Verb beruht auf einer t-Erweiterung der
Wz. uridg. *pe- (Wolle oder Haare) rupfen,
zausen
; fahs (zur t-Erweiterung vgl. lat. plec-
tō flechte neben plicō; flehtan), wie sie in gr.
πέκτειν (πεκτέω) scheren, lat. pectere käm-
men, krempeln, behacken
begegnet (zu derarti-
gen t-Erweiterungen s. Brugmann, Grdr.² II, 2
§ 680 und Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 189: im Germ. [ist] das t Bestandteil der
Wurzel geworden
; vgl. auch Stüber, Primäre
s-Stämme d. Idg. 135). Im Germ. ist eine Bedeu-
tungsentwicklung aus *sich raufen zu kämp-
fen
eingetreten (s. LIV² 467); zur Bedeutungs-
vermittlung vgl. lit. su-si-pèti sich raufen, -
tis sich raufen, sich schlagen, sich balgen, sich
prügeln
, Iterativ pati, paaũ sich raufen
(F. Specht, Zfvgl. Spr. 68 [1944], 205), petùkas
Raufer, petùvs Rauferei, Keilerei, Händel,
lett. pestiês (-uôs, prät. -suôs) über einen mit
Worten herfallen, Anlaß zum Streit suchen
, pes-
lis, peseklis Raufbold, zanksüchtiger Mensch
und auch die Bedeutung scherzhaft prügeln
von lat. pectere; ferner nndl. plukken mit den
Bedeutungen rupfen, kämpfen, nhd. raufen
die Haare auszupfen, raufen (E. Fraenkel, IF
59 [1949], 305 f., jedoch mit unzulässigen Kom-
binationen wie die Verbindung von ne. struggle
mit ae. træglian pflücken, reißen, die wegen
des unvereinbaren Lautstands voneinander zu
trennen sind).

Nach einer anderen Auffassung liegt bei urgerm.
*feχtan- Ablautentgleisung aus urgerm. *fiuh-
tan *fauht *fuhtum *fuhtanaz
vor, ein Wechsel
der Stammklasse, der so J. de Vries (Ndls. et.
wb. a. a. O. mit Verweis auf dens., PBB 80 [Tü-
bingen, 1958], 1 ff.) bei einem Verb mit einer
derartigen Bedeutung affektiver Natur sei: Das
Verb stelle sich unter einer nur im Germ. auftre-
tenden t-Erweiterung *puk-t- < *pug-t- zu gr.
πύξ mit der Faust, lat. pugnus m. Faust, pu-
gnāre kämpfen (Ableitungen von der in lat.
pungere stechen vorliegenden Wz. *peg-)
(Kluge⁶ s. v. fechten; F. Kluge, Zfdt. Wortf. 2
[1902], 298 f.; Osthoff, Et. Parerga 369 f.; ders.,
PBB 27 [1902], 298 f.; dagegen Specht, a. a. O.
205 ff.). Wegen der möglichen Bedeutungsent-
wicklung von rupfen zu sich raufen ist jedoch
die unmittelbare Gleichsetzung mit einer auch
außerhalb des Germ. bezeugten t-Erweiterung
vorzuziehen.

Weit weniger wahrscheinlich ist auch die Verbindung
mit gr. hom. Epitheton ἐχε-πευκές wohl im Sinne von
bitter, eigtl. mit einer Spitze versehen (O. Lager-
crantz, Zfvgl. Spr. 34 [1897], 401 ff.), da zusätzlich
zu der für das Germ. zu postulierenden Ablautentglei-
sung die Annahme einer Bedeutungsentwicklung zu
kämpfen Schwierigkeiten bereitet (s. Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 301).

Verfehlt ist die an die Konzeption J. Triers (Venus
175 ff.; Festschrift der Arbeitsgemeinschaft für Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen zu Ehren des Herrn
Ministerpräsidenten K. Arnold [Köln-Opladen, 1955],
257) angelehnte Bedeutungsbestimmung von urgerm.
*feχtan- als ursprl. Laub und Gras ernten, wobei das
zugehörige Subst. Ranke, Gras, Laub bedeutet habe
und die Bedeutungen Haar, Wolle erst durch meta-
phorische Übertragung zustande gekommen seien (so
D. Ader, Trier-Festschrift [1964], 152). Denn ebenso
wie die Bedeutungen (Gras) zupfen, abfressen; (Blät-
ter) abreißen
von lit. ti, peù ist auch die im Germ.
auftretende Bedeutung Gras eine Sonderentwick-
lung; fahs (vgl. M. Faust, IF 72 [196768], 314).

Für die t-Erweiterung setzt H. Lommel (Zfvgl.
Spr. 53 [1925], 309 ff.) wegen der Wörter für
Kamm, gr. κτείς, κτενός m., lat. pecten, -inis
m. (davon abgeleitet mlat. pectinare kämmen)
eine Vorform *pek-ten schon grundsprachlich
als *pekt-en an, die zur Ablösung einer Wz.
*pekt- geführt habe, eine durchaus mögliche
Annahme.

Walde-Pokorny II, 16 ff.; Pokorny 797; LIV² a. a. O.;
Frisk, Gr. et. Wb. II, 492 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.
872; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 269 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 491; Du Cange² VI, 237; Traut-
mann, Balt.-Slav. Wb. 217; Fraenkel, Lit. et. Wb.
580 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III, 203.
204.

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