feigi
Band III, Spalte 113
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feigiAWB adj. ja-St., nur in Gl. und bei Otfrid:
zum Tode bestimmt, dem Tode nahe, mori-
bundus, moriturus
(Gl. 2, 20, 54; 4, 351, 23
[11. Jh.]), unbedeutend, gering, arm (Otfrid),
frevelhaft, gottlos, verrucht, scelestus (? nur
Clm. 4549 [8./9. Jh.] fai:er; vgl. H. Thoma,
PBB 85 [Halle, 1963], 222, 5: 1. faiger) Var.:
u-, v-. Mhd. veige zum Tode oder Unglück
bestimmt, verwünscht, unselig, eingeschüch-
tert, furchtsam, biegsam, schlank, Tod oder
Unheil bringend
, frühnhd. feig(e) zum Unter-
gang bestimmt, unselig, des Untergangs wert,
nichtswürdig, frech, furchtsam, schüchtern
,
nhd. feig(e) ängstlich, furchtsam.

In einigen Mdaa. sind ältere Bed. bis in die nhd. Zeit
hinein (gelegentlich neben der hochdt. Bed.) erhalten;
z. B. schweiz. feig faul (im Sinne von unsittlich), mut-
willig, frech
(Schweiz. Id. I, 688), bair. feig dem
Tode geweiht, heimgefallen, nahe
(ältere Sprache;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 695), tirol. veig heißt das
Obst, wenn es bereits schwarze Kerne hat, also der
Reife nahe ist
(Schöpf, Tirol. Id. 787), rhein. feig
dem Tode verfallen, von Todesahnung erfüllt (nur
vereinzelt bezeugt
; Müller, Rhein. Wb. II, 363), nass.
fei, fai falsch, nicht recht vernünftig (Kehrein,
Volksspr. u. Wb. von Nassau 134), hess. feig dem
Tode nahe, moribundus
(Das Wort ist in dieser alten
Bed. in Oberhessen noch jetzt üblich
; Vilmar, Id. von
Kurhessen 100), westfäl. faige dem Tode nah oder
verfallen, der Todesahnung hat
(Woeste, Wb. d.
westf. Mda. 285), brandenb.-berlin. feige zum Tode
bestimmt
(veraltet; Bretschneider, Brandenb.-berlin.
Wb. II, 44 f.), preuß. feige vom Schicksal zum Tode
oder Unglück bestimmt
(ältere Sprache; Ziesemer,
Preuß. Wb. II, 442).

Ahd. Wb. III, 690; Splett, Ahd. Wb. I, 217; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 252; Schützeichel⁵ 131; Starck-Wells
144. XL; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 88; See-
bold, ChWdW8 124; Graff III, 432; Schade 174; Le-
xer III, 45 f.; Benecke III, 289 f.; Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 413 (moribundus, moriturus). 592 (scelestus); Dt.
Wb. III, 1441 ff.; Kluge²¹ 189 f.; Kluge²⁴ 283; Pfeifer,
Et. Wb.² 333.

Germ. Entsprechungen sind: as. fēgi dem Tode
verfallen
, mndd. vēige, vēich dss., auch Tod
bringend, unheilvoll, ängstlich, feige
; mndl.
veige, vege, veich dem Tode nahe, nndl. veeg;
nostfries. fēg(e) zum Tode reif, dem Tode ge-
weiht
, nwestfries. faei dss., auch in Gefahr
befindlich
; ae. fǣge zum Tode bestimmt, tot,
unselig, schwach, schüchtern
, me. fei(e), feige
zum Tode bestimmt, dem Tode nahe, tot, ne.
(veraltet u. mdartl.) fey zum Tode bestimmt,
dem Tode nahe
; aisl. feigr dem Tode verfallen,
nnorw. feig, aschwed. run. faikin (akk.sg., Rök
ca. 900 = aschwed. fæighian) dem Tode an-
heimgefallen
, aschwed. fēgher dem Tode ver-
fallen
; nschwed. fēg und ndän. feig, fei haben
im 17. Jh. die Bed. mutlos, feige aus nhd. feige
entlehnt (aus dem Skand. finn. peijainen Toten-
gott
, peijaiset, peijaat Leichenmahl, peik[k]o
Gespenst, boshafter Mensch; vgl. J. J. Mikkola,
Finn.-Ugr. Forsch. 5 [1905], 138 ff.; K. B. Wik-
lund, IF 38 [1917], 72; Collinder, Urg. Lehnw.
im Finn. 224 f.; anders R.-P. Ritter, Sprache 23
[1977], 172 f.; lapp. [norw.] fæigas, lapp.
[schwed.] faiges dem Tode verfallen; vgl. Qvig-
stad, Nord. Lehnw. im Lapp. 157).

Fick III (Germ.)⁴ 223; Holthausen, As. Wb. 18; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 123; Berr, Et. Gl. to Hel. 111; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 678; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. V, 220; Verdam, Mndl. handwb.
646; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 725; Vries, Ndls. et.
wb. 767; Doornkaat Koolmann, Wb. d. ostfries. Spr. I,
431; Dijkstra, Friesch Wb. I, 333; Holthausen, Ae. et.
Wb. 95; Bosworth-Toller, AS Dict. 263; Suppl. 197;
Suppl. II, 23; ME Dict. E-F, 443; OED² V, 864 f.;
Oxf. Dict. of Engl. Et. 353; Vries, Anord. et. Wb.² 115;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 536; Holthausen, Vgl. Wb.
d. Awestnord. 58; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 211;
Torp, Nynorsk et. ordb. 98 f.; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 204; Noreen, Aschwed. Gr. 491 ff.

Die ursprl. Bed. von urgerm. *fajja- war offen-
bar zum Tode bestimmt; im Dt. fand eine Bed.-
entwicklung zuerst zu verwünscht, unselig, des
Untergangs wert
, später auch in Todesängsten
schwebend, verzagt
(erst spätmhd., dann durch
Luthers Bibelübersetzung verbreitet) statt. Ur-
germ. *fajja- gehört mit gramm. Wechsel zur
Sippe von urgerm. *fajχa- feindselig ( fêhen²
jmdn. feindlich behandeln, gifêh feindlich ge-
sinnt, geächtet
, gifêhida Feindseligkeit, Feh-
de
), alles zu einer idg. Wz. *pe- : *po- etwa
feindselig gesinnt. Zur Entwicklung der germ.
Bed. vgl. Hoops Reallex.² VIII, 279 ff.: dem Be-
griff Feindseligkeit steht der Begriff Fehde
nahe; derjenige, der sich wegen einer feindli-
chen Tat (bes. einer Mordtat) der Blutrache aus-
gesetzt hat, ist dem Tode geweiht.

Zur Etymologie fêhen².

Unwahrscheinlich Zupitza, Germ. Gutturale 189 f.: zu
ahd. fêh bunt (idg. *pe- kennzeichnen durch Ein-
ritzen oder Färben
; Pokorny 794 f.; fêh) im Sinne
von todesgezeichnet. Bestimmt abzulehnen Fr.
Wood, GR 1 (1926), 312: zu gr. πταίω stoße an,
pralle an, strauchle, irre, habe Unglück
(mit germ. f-
< idg. *pt-); O. Wiedemann, BB 28 (1904), 36 ff.: ver-
schiedene Spekulationen.

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