fidula, -ala
Band III, Spalte 202
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fidula, -ala f. n-St., nur Otfrid und in Gl.
seit dem 10. Jh.: Saiteninstrument, Fiedel, fi-
gella
(s. u.). Einmal glossiert fidula lat. tibia
Pfeife, Flöte (in derselben Glossenhs. wird
lat. tibicen Pfeifer, Flötenspieler durch uiede-
lere glossiert [ videlære]; auch ahd. swegal-
ri
Pfeifer, Flötenspieler [s. d.] glossiert so-
wohl tibicen wie auch fidicen Saitenspieler.
Offenbar wurden die lat. Wörter auf verschie-
dene Musikinstrumente des wandernden Spiel-
manns übertragen; vgl. Heyne, Dt. Hausalter-
tümer IV, 114 Anm. 40. 115 Anm. 46); einmal
glossiert fidula den gr. PN fidias (= Phidias),
der wohl für eine Form des lat. Wortes fidēs
Saiteninstrument gehalten wurde. Mhd. vi-
del(e) sw.(st.)f., auch phigele, vigele, nhd. Fie-
del f.

Ahd. Wb. III, 800; Splett, Ahd. Wb. I, 228; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 260; Schützeichel⁵ 133; Starck-Wells
150; Graff III, 451; Schade 192; Lexer III, 335; Be-
necke III, 305; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 234 (fi-
gella); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 665 (tibia). 263 (fi-
dias = Fehlglossierung); Dt. Wb. III, 1623 f.; Kluge²¹
197; Kluge²⁴ 292; Pfeifer, Et. Wb.² 432.

Germ. Entsprechungen sind: mndd. vēdele, ved-
dele, viddel(e) f.; mndl. vedel f.; nfries. fidel; ae.
fiðele f., me. fithele u. ä., ne. fiddle; aisl. fiðla f.,
nnorw., nschwed. dial. fela, ält. ndän. fidle,
fejle, ndän. dial. fiddel, feddel.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 675; Verdam,
Mndl. handwb. 644; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 725;
Suppl. 177; Vries, Ndls. et. wb. 766; Doornkaat Kool-
man, Wb. d. ostfries. Spr. I, 474 f.; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 348; Holthausen, Ae. et. Wb. 106; Bosworth-
Toller, AS Dict. 289; Vries, Anord. et. Wb.² 119; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 987 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 61; Falk-Torp, Norw.-dän et. Wb. 212;
Torp, Nynorsk et. ordb. 99; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 205. 212.

Das germ. Wort ist wohl aus spätlat. vitula, vi-
dula Saiteninstrument entlehnt. Die dagegen
erhobenen Einwände sind nicht stichhaltig: Daß
das spätlat. Wort erst im 11. Jh. bezeugt ist,
kann nur Zufall sein; zwar ist eine frühe Entleh-
nung aus lat. vitula, indem t > germ. *þ ver-
schoben wurde (so Kluge²¹ a. a. O.; Gamill-
scheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 894 [s. v. vielle]), un-
wahrscheinlich, aber in späten Lehnwörtern
können ahd. -d-, ae. und aisl. -ð- spätlat. d, đ
< t wiedergeben (vgl. lat. vidula und s. Stotz,
Hb. z. lat. Spr. d. Mittelalters III § 184; Grand-
gent, Vulgar Latin § 256. 286: -t- > -d- wohl
im 5. oder 6. Jh.; später wurde- d- zu -đ- in
Nordgallien und Spanien); die skand. Wörter
können aus dem Ae. oder Mndd. entlehnt sein
(vgl. Fischer, Lehnw. d. Awestnord. 47; O. Höf-
ler, Ark. f. nord. fil. 47 [1931], 287).

Die Herkunft von spätlat. vitula, vidula ist un-
sicher. Meistens wird es zu lat. vitulāri frohlok-
ken, jubeln, einen Sieges- oder Lobgesang an-
stimmen
gestellt (dazu auch lat. Vitula Göttin
des Sieges und des Jubels über den Sieg
). Mög-
lich wäre auch, da im Mittellat. anlautendes f
für v und v für f stehen konnte (vgl. Stotz,
a. a. O. III § 221. 232), eine Kontamination mit
der Sippe von lat. fidēs Saiteninstrument: vidu-
la, auch fidula geschrieben (vgl. Latham, Med.
Lat. word-list 512; dazu fidulista), könnte man
für ein Dimin. von fidēs (neben fidicula) halten;
auch spätlat. figella, viella (= fiella, viella) mit
g als Übergangslaut, wohl aus *fidella (vgl.
Stotz, a. a. O. III § 176, 1. 2) scheint als eine Va-
riante von vitula, vidula zu gelten (vgl. vidella;
Latham, a. a. O. und s. Diefenbach, a. a. O.).

Gegen germ. Herkunft von ahd. fidula usw.
(vgl. Kluge²⁴ a. a. O.; Pfeifer, a. a. O.) spricht die
Tatsache, daß man bisher keine Anknüpfungs-
möglichkeiten gesehen hat; auch entsprechen
die mhd. Varianten videle : phigele, vigele genau
spätlat. (vitula), vidula : figella, vigella.

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